COPE wirbt für Erneuerung in Südafrika

Philipp Dexter im Gespräch mit Ulrike Timm |
Der Sprecher des südafrikanischen Congress of People (COPE), Philipp Dexter, sieht Chancen seiner neuen Partei bei Parlamentswahl am 22. April. Der regierende ANC hat die "Affirmative Action" in dem Land nicht richtig umgesetzt, sagte Dexter.
Ulrike Timm: Seit sich Südafrika in den 1990ern von der Apartheid befreite, regiert dort der ANC, der Afrikanische Nationalkongress. Seine Lichtgestalt, das war einmal Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela, der erste Staatspräsident.

Mittlerweile allerdings ist der ANC seit 15 Jahren an der Macht und hat an Glanz verloren – eine in sich zerstrittene Partei, die trotzdem mit Zweidrittelmehrheit nahezu unumschränkt regieren kann. Demokratisch gesehen ist das ja nicht so sehr gesund. Jetzt hat sich eine neue Partei gebildet, COPE, der Congress of People, und will dem Platzhirsch ANC bei den Wahlen im April Paroli bieten. Philipp Dexter ist der Sprecher von COPE, derzeit in Berlin und jetzt unser Gast. Welcome Mr. Dexter!

Mr. Dexter, warum gibt es COPE?

Dexter: Wie Sie in Ihrer Einleitung schon gesagt haben, haben wir in Südafrika seit 15 Jahren eine Demokratie, seit 15 Jahren regiert in unserem Land die Befreiungsbewegung. Und wie viele andere auch, so sind wir mittlerweile der Meinung, dass wir jetzt nicht mehr weiter so tun könnten, als gäbe es in allen Fragen eine Übereinstimmung, als wären wir alle ein Herz und eine Seele.

Zum Beispiel bei Fragen wie: Was bedeutet eine verfassungsmäßige Demokratie, was bedeutet Rechtsstaat? Was heißt es, wenn man sagt, wir sind alle gleich vor dem Gesetz? Ist die Wirtschaft wirklich in guter Verfassung? Welche öffentlichen Dienste können wir erwarten? Diese und viele andere Fragen sind sozusagen unter den Teppich gekehrt worden. Jetzt sind wir, die wir uns vom ANC absetzen, der Meinung, dass es wirklich bessere Arten gibt, diese Fragen zu beantworten als bisher vom ANC gegeben.

Timm: Viele COPE-Mitglieder waren aber einmal im ANC, und auf der Agenda beider Parteien stehen exakt die gleichen Ziele: weniger Armut, weniger Kriminalität, bessere Bildung und der Kampf gegen Aids. Was will COPE denn anders machen?

Dexter: Nun, die Tatsache, dass einige der COPE-Mitglieder früher auch für den ANC Mitglieder der Regierung waren, hindert sie natürlich keineswegs daran, zu erkennen, was früher falsch gelaufen ist. Das war auch einer der Hauptgründe, weshalb wir diesen Congress of People, die Kongresspartei, neu gegründet haben.

Im Kampf gegen Armut, im Kampf gegen HIV/Aids waren wir beispielsweise der Meinung, dass alles zu stark bürokratisiert war und dass es nicht wirklich zielführend war. Einer der Gründe, der auch in unserer Plattform von unserer Kongresspartei niedergelegt ist, dass wir sagen, die Beamtenschaft, alle öffentlichen Angestellten müssen stärker professionalisiert sein.

Es darf nicht sein, dass man aufgrund politischer Zugehörigkeit irgendwelche öffentlichen Stellen bekommt. Hier ist wirklich Fachkenntnis gefordert, um Armut zu bekämpfen, um HIV/Aids zu bekämpfen. Fachkenntnisse und professionelle Ausbildung sind wichtiger als politische Zugehörigkeit, und das haben wir eben gelernt aus den Fehlern der Vergangenheit. Wir sagen, in der Zukunft können wir es besser machen.

Timm: Nun ist der ANC nicht nur eine Partei, sondern auch ein Mythos. Welche Erfolge gestehen Sie denn zu, das die Konkurrenz in den letzten 15 Jahren gehabt hat für Südafrika?

Dexter: Ja, sicher. Ein Teil unserer Analyse besagt eben, dass der ANC nicht imstande gewesen ist, mit seinem eigenen Erfolg zurechtzukommen. Er war nicht imstande, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Der ANC, richtig, ist eine erfolgreiche Befreiungsbewegung, er hat Demokratie, er hat Freiheit gebracht, er hat den Schwarzen Chancen eingeräumt, er hat die Rassenschranken überwinden helfen. Aber warum kann er das nicht richtig umsetzen und zu einem Ziel führen, wie wir uns das wünschen? Ich glaube, ein Teil der Antwort liegt darin, dass viele Funktionäre des ANC selbst hin- und hergerissen sind, auf welcher Seite sie stehen, ob sie Politiker sind oder ob sie doch lieber in der Wirtschaft tätig werden sollen.

Sie können deshalb auch bestimmte Prinzipien wie die positive Diskriminierung, "Affirmative Action", nicht richtig umsetzen. Sie sind nicht imstande, das Prinzip der Zuteilung von Arbeitsstellen unabhängig von der Rasse wirklich umzusetzen. Sie haben eigentlich viele dieser Grundsätze, für die sie sich eingesetzt haben, nicht richtig umzusetzen vermocht. Und da setzen wir an mit unseren Antworten. Wir fragen, was ist wirklich positive Diskriminierung, wie kann jemand eine Stelle bekommen, nicht aufgrund einer Verbandelung mit irgendeinem Regierungsmitglied, sondern aufgrund seiner Fähigkeiten? Das ist es doch, was zählen müsste. Und in diesem Sinne setzen wir uns für eine Erneuerung, für eine Wiedereinsetzung dieser Grundsätze ein, von denen ja eigentlich auch der ANC bestimmt war.

Timm: Nun gehören natürlich zu einer guten Demokratie vielfältige Wahlmöglichkeiten, aber Südafrika ist eine sehr junge und eine sehr ungeübte Demokratie. Derzeit hat der ANC eine Zweidrittelmehrheit, das ist erdrückend. Kann das Land die Herausforderung einer starken Opposition oder gar einen Machtwechsel überhaupt schon bestehen?

Dexter: Und Sie haben es ja an Ihrer Frage bereits angedeutet: In der Demokratie geht es um die Auswahlmöglichkeit, um die Freiheit der Wahl, das ist das Entscheidende. Es kann doch nicht sein, dass wir uns eine Verfassung gegeben haben, die dieses Wahlrecht ausdrücklich bekräftigt, und dann ziehen wir uns zurück und sagen, wir sind noch nicht so weit. Nein, nein, es geht in der Demokratie nicht um das Alter der Demokratie, sondern um die Qualität der Demokratie. Und das ist auch eines der Hauptprobleme, das wir aufgreifen. Wir sind der Meinung, dass bisher keine der Oppositionsparteien eine wirklich gangbare Alternative zum regierenden ANC angeboten hat. Wir, der Congress of People, sind die Ersten, die das tun können, und deswegen werden wir auch an diesen Wahlen teilnehmen. Es geht nicht darum, ob der südafrikanische Staat mit dieser Wahlmöglichkeit zurechtkommt, sondern wie.

Timm: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Philipp Dexter, dem Sprecher von COPE, einer jungen südafrikanischen Partei, der Beobachter die Chance auf rund 15 Prozent Wählerstimmen einräumen und die so die Zweidrittelmehrheit des ANC in Südafrika brechen könnte. Sie müssen aber die große, schwarze, arme Mehrheit zumindest in Teilen von sich überzeugen, die derzeit einen sehr populären Präsidenten Zuma hat, dessen Wahlkampfhymne – ich hab’s nachgeschaut – heißt: Bring mir mein Maschinengewehr. Da sind sprachlich schon Welten dazwischen. Wie wollen Sie das schaffen?

Dexter: Nun, wir sind da sicherlich unterschiedlicher Meinung, wenn es darum geht, anzunehmen, dass etwa die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung verliebt sei in diese kämpferischen Gesänge eines Zuma. Genau diese Weltsicht ist doch vollständig außer Fühlung geraten mit dem, was die Menschen wirklich wollen. Es stimmt schon, die Mehrheit der Bevölkerung in Südafrika ist schwarz. Sie sind arm. Und genau deswegen wollen sie vor allem eines, nämlich wirtschaftliche Entwicklung.

Sie wollen Chancen, weiterzukommen, sie wollen das nicht mit dem Maschinengewehr erreichen. Das ist eine absolut abwegige Vorstellung. Die Mehrheit der Südafrikaner sind wirklich friedliebende Menschen. Es kommt ihnen gar nicht in den Sinn, Teilhabe mithilfe des Maschinengewehrs erreichen zu wollen. Sie haben jetzt durch die Erfolge der letzten Jahre Teilhabe, das Wahlrecht bekommen. Sie wollen jetzt auch Butter bei die Fische, sie wollen diese Teilhabe einlösen. Und sie haben jetzt in uns endlich eine politische Partei gefunden, die auch diese Ansprüche verteidigt.

Timm: Mr. Dexter, jenseits des Parteienproporzes, wie schätzen Sie Ihr Land, wie schätzen Sie Südafrika ein? Die Apartheid ist gut 15 Jahre überwunden. Ist es ein gemeinsames Land inzwischen, mit einer großen schwarzen Mehrheit und einer kleinen weißen Minderheit, das man gemeinsam gestalten kann, oder ist die politische Einheit der Schwarzen noch nötig, auch für die Identität des Landes?

Dexter: Nun, in der Vergangenheit gab es tatsächlich diese Rassentrennung. Seit wir aber diese Rassentrennung, die Apartheid überwunden haben, stützt sich die Identität der vielen Südafrikaner, egal ob sie jetzt schwarz, farbig, weiß oder Inder sind, wie man das früher sagte, auf etwas anderes. Gerade die Jungen, die ja einen wesentlichen Bestandteil unserer Bevölkerung ausmachen, wünschen sich ja nichts sehnlicher, als diese Rassenetikettierung der Vergangenheit zu überwinden. Sie wollen sich nicht mehr definieren darüber, welcher Rasse sie angehören. Sie wollen einer einheitlichen Nation angehören. Das ist das Grundbestreben, und dieses Bestreben fängt COPE auf.

Wir in COPE sagen ganz klar, wir sind nicht daran interessiert, welcher Rasse du angehörst, alle können bei uns mitmachen. Und ich bin sicher, das spiegelt die Mehrheitsmeinung wider. Natürlich, es gibt immer noch einige, die sind in den Vorurteilen der Vergangenheit gefangen, sie spüren noch die entwürdigende Behandlung der Diskriminierung an ihrem eigenen Leibe. Die Frage ist aber, wie geht man mit dieser Diskriminierungserfahrung um? Soll man die jetzt noch zusätzlich verstärken, indem man immer wieder darauf abhebt, oder soll man die Menschen davon befreien? Wir treten ganz klar dafür ein, als COPE, dass wir die Menschen von dieser Identitätsfestlegung durch die Rasse befreien.

Timm: Eine Begegnung mit Philipp Dexter. Er ist Sprecher von COPE, dem Congress of People, der jungen südafrikanischen Partei, die bei den Wahlen im April dem ANC, dem Afrikanischen Nationalkongress, ordentlich Konkurrenz machen will. Thank you, Mr. Dexter!

Dexter: Thank you very much!