Corinna Harfouch will das Leben "etwas leichter nehmen"
Die Schauspielerin Corinna Harfouch findet, dass sich Frauen von ihrem 50. Geburtstag nicht beeindrucken lassen sollten. Der 50. sei bereits ein Geburtstag, an dem man schon so viel über sich als Frau wisse, dass einen dieses Datum eigentlich nicht erschüttern können sollte, sagte Harfouch, die gerade den Film "Giulias Verschwinden" gedreht hat, in dem sie eine Frau an diesem Tag spielt.
Stephan Karkowsky: Hartwig Tegeler über den Film "Giulias Verschwinden". In der vergangenen Woche - kurz vor dem Filmstart hatte mein Kollege Holger Hettinger Gelegenheit, mit dem Regisseur Christoph Schaub und seiner Hauptdarstellerin Corinna Harfouch zu sprechen. Er wollte zunächst von der Schauspielerin wissen,wie sie sich dieser Rolle der 50-Jährigen genähert hat, die an diesem magischen, diesem einschneidenden 50. Geburtstag eine schwere Entscheidung zu treffen hat.
Corinna Harfouch: Also, ich persönlich finde ja, dass dieser Geburtstag, also dieser 50. gerade, eigentlich bereits ein Geburtstag sein sollte, wo man schon sehr viel mehr über sich weiß als Frau, als dass man von einem solchen Datum sich erschüttern lässt tatsächlich, ja?. Aber da scheint es ja so gesellschaftlich eine andere Meinung dazu zu geben und die Meinung ist offensichtlich die, dass eine Frau mit 50 sich selbst aussortiert und irgendwie sich diesen komischen Regeln zu unterwerfen scheint, dass sie jetzt nicht mehr so viel wert ist, nicht mehr so viel Macht hat, weil sie nicht mehr schön ist oder nicht mehr so schön oder was auch immer schön ist, oder weil sie nicht mehr beachtet wird eben. Und diese Giulia, die empfindet diesen Schmerz und sie geht dem Schmerz entgegen, indem sie ihm sozusagen eigentlich nachgeht, dem Schmerz, nicht mehr gesehen und beachtet zu werden. Und indem sie diesem Schmerz nachgeht, hat sie ein ganz überraschendes Erlebnis, also, indem sie sich dem Ganzen stellt tatsächlich, hat sie ein Erlebnis. Sie begegnet einem Menschen, der ihr etwas Interessantes erzählt, was, was sie wirklich interessiert und über dieses Miteinander-Sein und sozusagen diese Erfahrung, dass man einfach es sein lassen kann, das, was man sich vorgenommen hat, so, das erfährt sie, dass man dann auf einmal wieder fühlt, dass man ganz lebendig ist und es vollkommen egal ist, ob man jetzt 50 ist oder nicht oder so. Das finde ich eigentlich sehr charmant und unheimlich schön an diesem Film.
Holger Hettinger: Ich fand das sehr berührend, wie schön das gemacht ist, das hat mich mit so einem ganz, ganz wohligen Gefühl erfüllt, klein, so gestenreich, so beziehungsreich und dachte, ach, das ist ja mal eine dankbare Rolle für die Harfouch.
Harfouch: Sie muss nicht so ackern, nicht dieser Traktor sein.
Hettinger: Vielleicht ist es ja auch, im Brecht’schen Sinne, das Einfache, das schwer zu machen ist. Wie war es für Sie?
Harfouch: Nein, das war so angenehm, ich meine, es kommt ja immer unheimlich darauf an, in was für eine Konstellation man geschmissen ist, geworfen, und da zu drehen, in Zürich – es ist so angenehm. Und mein Bedürfnis, leichter zu werden, ist ja auch schon vorhanden, muss ich wirklich sagen, und ich bin unheimlich dankbar für so ein Angebot von einer Rolle, in der ich also … Ich meine, eigentlich ist es ein tatsächliches Lebensgefühl, was ich momentan als Frau habe, nämlich, dass ich es etwas leichter nehmen möchte und dass ich es … und auch kann.
Hettinger: Echt? Glauben Sie, dass es so ganz anders ist? Weil, also, gerade, wenn ich das so sehe, diese Szene in der Bar oder in dem Brillengeschäft, ein Kollege von mir sagte: Das hat was zu bedeuten, dass die bei den Sonnenbrillen sind und nicht bei den Lesebrillen. (…) (Anm. d. Red.: Schwer verständlich im Hörprotokoll) zu sprechen kommen, wie präzise, wie fein das ist und eben nicht übertragen, also, ich glaube, Jürgen Gosch hätte da auch seine Freude dran gehabt.
Harfouch: Oh, das würde mich ja freuen, wenn das so wäre. Allerdings ist er unberechenbar gewesen in seinem Urteil, für mich zumindest.
Hettinger: Ich finde das sehr, sehr schön, wobei Christoph Schaub als Regisseur – ich muss ganz ehrlich sagen, ich hatte ein bisschen Schwierigkeiten, in den Film hineinzukommen, diese Krise nachvollziehen zu können. Das kann an Alter, Geschlecht liegen, aber auch vielleicht ein bisschen daran, dass so in Berlin der Wind ein bisschen anders ist: Also die Giulia, die eine Krise kriegt, als sie da in diesem Bus nicht wahrgenommen, nicht gesehen wird, sie will aussteigen, aber alle anderen Leute drängeln schon rein, also, sie ist quasi unsichtbar. Also, wenn das Auslöser wäre von Lebenskrisen – hier in Berlin hätte ich fünf Stück am Tag.
Christoph Schaub: Na ja, Sie sprechen den Unterschied zwischen der Schweiz und Deutschland an …
Hettinger: Ich fürchte, das tue ich, ohne.
Schaub: … zwischen einer Großstadt und einer kleinen Stadt. Aber ich glaube auch nicht, dass man das so wörtlich nehmen kann, aber ich glaube, dass das viel grundsätzlicher ist. Das ist ja dann nur der Auslöser. Und ich glaube, es ist interessanter zu sagen, daß das sehr wenig ist , also dass es eben durchaus ist, dass vielleicht das "Problem", jetzt in Anführungszeichen, eben relativ groß oder relativ präsent oder weit vorne, dann braucht es relativ wenig. Und es ist ein Bild und es ist eine Stimmung und nicht eine sozusagen urbane Aussage zu Zürich. Und diese Giulia lässt sich tragen, sie hat wie … also, dass sie sich eben frei macht von … so empfindsam ist oder so, sich in so eine Empfindsamkeit begibt und sich freigibt und sich dann auch durch das auch auf so bisschen seltsame Begegnungen einlassen kann wie in diesem Brillengeschäft, mit diesem Bruno Gans oder John, und dass das erst möglich macht, dann eigentlich einen anderen Zugang zu finden zu diesem doch Thema, was einen das ganze Leben durch beherrscht oder beschäftigt.
Hettinger: Ich kenne jetzt … Drehbücher von Martin Suter habe ich noch nie gelesen, ich kenne nur die Kolumnen und die Prosa von ihm, das ist sehr epigrammartig, sehr knapp, sehr lakonisch oft. Wie sind denn die Drehbücher?
Schaub: Sie sind ähnlich.
Harfouch: Epigrammartig. Sie sind knapp. Sie sind lakonisch.
Schaub: Das ist der gleiche Schriftsteller, der das schreibt, es ist eine andere Technik natürlich. Aber vielleicht, was das Spezielle ist an diesem Drehbuch und was mich auch fasziniert hat ist eigentlich, dass das Drehbuch sich sehr konzentriert oder ausschließlich eigentlich auf den Figuren ist, auf den Charakteren, die miteinander reden, die etwas zu verhandeln haben. Und das ist eigentlich sehr ungewöhnlich in der heutigen Zeit, weil das Drehbuch liefert keine Actionszenen oder nur einer ganz verklausulierten Art Sexszenen oder so Liebesszenen, sondern es ist wirklich auf die Basis, nämlich auf die Emotion, auf die Befindlichkeit der Figuren, der Schauspieler, und das hat mich fasziniert, zu machen, und war faszinierend, zu machen auch dann, mit diesen vielen guten Schauspielern, Schauspielerinnen. Und ich glaube, diese Dialoge sind in dieser Suter-Art, indem sie natürlich und dass sie knapp sind, dass sie bösartig sind, manchmal, dass sie witzig sind, dass sie hinterhältig sind, dass sie mit dem Florett kämpfen und nicht mit dem Degen und so, das ist das selbe und das war für mich die Attraktivität in diesem Drehbuch, das so zu machen.
Hettinger: Sexszenen, überlege ich gerade, Sie meinen den Wadenkrampf?
Schaub: Ja, ich meine verklausuliert oder falsch umgesetzt, sagen wir so.
Hettinger: Ihr Schweizer!
Schaub: Sie merken: die Traurigkeit der Schweiz und die Großstadt Berlin, so anders ist es nicht. Selbst hier.
Hettinger: Wadenkrampf hatte ich auch schon mal, also … Wenn man Ihnen da so zuschaut, Frau Harfouch, Ihnen und Bruno Gans, das wirkt auf so eine ganz wunderbar bezaubernde Weise vertraut. Ich habe mal nachgeschaut, außer im "Untergang" sind Sie nie zusammen in irgendeiner Weise zusammen auf der Leinwand gemeinsam aktiv geworden.
Harfouch: Nein, sind wir nicht, aber eben das war eben gerade sehr, sehr wichtig, dass wir uns noch mal begegnen nach dem "Untergang", in einer anderen Dekoration.
Schaub: In einem anderen Verhältnis.
Harfouch: Ja, fand ich gut.
Hettinger: Und etwas flauschigere Rollen vor allen Dingen, weil Frau Goebbels zu spielen, ist ja dann doch eine …
Harfouch: … ist eben eine andere Aufgabe, sagen wir mal so, ja. Aber ich bin dem Bruno Gans, also, da nicht so nah gekommen wie in dieser Rolle. Ich hätte auch nie erfahren, als Magda Goebbels, wie der Herr Hitler küsst, weil der küsste ja scheinbar nicht, also, in diesem Falle habe ich das erfahren und das war gar keine schlechte Erfahrung, im Gegenteil.
Hettinger: Ich habe gelesen, dass "Giulias Verschwinden" der erfolgreichste Film in der Schweiz ist?
Schaub: Das ist so, ja. Also, im letzten Jahr, nicht aller Zeiten.
Hettinger: Den Publikumspreis in Locarno bekommen und der wirkt so gar nicht – also, verzeihen Sie das jetzt einem Berlinbewohner –, wirkt gar nicht so schweizerisch für mich, sondern so, wie gesagt, eher allgemeingültig. Haben Sie eine Erklärung, warum das so ist? Was ist dieses Spezielle, was so die Schweizer so besonders triggert?
Harfouch: Ich glaube, das hat etwas mit mir zu tun, oder, Christoph?
Schaub: Ja, das ist Corinna. Alle lieben Corinna, alle lieben Corinna in der Schweiz, es ist so. Sie wird geliebt in der Schweiz, aber ich glaube, das ist interessant, dass Sie es sagen, es ist eben nicht ein typischer Schweizer Film, sondern ich glaube, die Schweizer lieben … sind ja schon ein bisschen nach innen gerichtet, das wissen wir alle und weiß man auch in Deutschland, aber sie sind auch fähig, nach außen zu gucken, eine allgemeine, universelle Geschichte zu schätzen und die auch universell erzählt ist, also, dass sie wirklich … auch eben nicht so wichtig ist, dass das jetzt in Zürich gedreht ist, dass man das auch in Frankfurt oder auch in Berlin oder irgendwo das drehen hätte können. Ist schwieriger, definitiv zu sagen, aber ich glaube, es ist natürlich die Geschichte, es sind die Schauspieler, es ist die Emotion, ist das Thema. Die Premiere war in Lucarno auf der Piazza Grande vor 8000 Menschen, und das war ganz toll, Corinna war auch dabei, und die Menschen haben den Film wirklich geliebt und das hat natürlich dann auch so einen Schub, ein Momentum gegeben für den Film und das hat sich in die Kinoauswertung getragen. Und die Leute fühlen sich zu Hause im Film, glaube ich, sie können was anfangen mit der gleichen Stimmung, glaube ich, und aus dem Film, wie die Giulia aus dem Film geht. Ich glaube, es ist ganz wichtig, sind in einem gewissen Sinn befreit von diesen schweren Gedanken über das Alter, dass alle irgendwann heimgesucht werden oder diese … auch der Bilder, die auf einen projiziert werden von außen, dass man sich da eben freimachen kann, wenn man den Fluss laufend entlanggeht oder sich im Fluss ziehen lässt und dann kommt man eben in diese Stimmung, glaube ich, aus dem Film eben, also, in der … ähnlich wie die Giulia als fiktive Figur, und das ist ein schönes Gefühl.
Corinna Harfouch: Also, ich persönlich finde ja, dass dieser Geburtstag, also dieser 50. gerade, eigentlich bereits ein Geburtstag sein sollte, wo man schon sehr viel mehr über sich weiß als Frau, als dass man von einem solchen Datum sich erschüttern lässt tatsächlich, ja?. Aber da scheint es ja so gesellschaftlich eine andere Meinung dazu zu geben und die Meinung ist offensichtlich die, dass eine Frau mit 50 sich selbst aussortiert und irgendwie sich diesen komischen Regeln zu unterwerfen scheint, dass sie jetzt nicht mehr so viel wert ist, nicht mehr so viel Macht hat, weil sie nicht mehr schön ist oder nicht mehr so schön oder was auch immer schön ist, oder weil sie nicht mehr beachtet wird eben. Und diese Giulia, die empfindet diesen Schmerz und sie geht dem Schmerz entgegen, indem sie ihm sozusagen eigentlich nachgeht, dem Schmerz, nicht mehr gesehen und beachtet zu werden. Und indem sie diesem Schmerz nachgeht, hat sie ein ganz überraschendes Erlebnis, also, indem sie sich dem Ganzen stellt tatsächlich, hat sie ein Erlebnis. Sie begegnet einem Menschen, der ihr etwas Interessantes erzählt, was, was sie wirklich interessiert und über dieses Miteinander-Sein und sozusagen diese Erfahrung, dass man einfach es sein lassen kann, das, was man sich vorgenommen hat, so, das erfährt sie, dass man dann auf einmal wieder fühlt, dass man ganz lebendig ist und es vollkommen egal ist, ob man jetzt 50 ist oder nicht oder so. Das finde ich eigentlich sehr charmant und unheimlich schön an diesem Film.
Holger Hettinger: Ich fand das sehr berührend, wie schön das gemacht ist, das hat mich mit so einem ganz, ganz wohligen Gefühl erfüllt, klein, so gestenreich, so beziehungsreich und dachte, ach, das ist ja mal eine dankbare Rolle für die Harfouch.
Harfouch: Sie muss nicht so ackern, nicht dieser Traktor sein.
Hettinger: Vielleicht ist es ja auch, im Brecht’schen Sinne, das Einfache, das schwer zu machen ist. Wie war es für Sie?
Harfouch: Nein, das war so angenehm, ich meine, es kommt ja immer unheimlich darauf an, in was für eine Konstellation man geschmissen ist, geworfen, und da zu drehen, in Zürich – es ist so angenehm. Und mein Bedürfnis, leichter zu werden, ist ja auch schon vorhanden, muss ich wirklich sagen, und ich bin unheimlich dankbar für so ein Angebot von einer Rolle, in der ich also … Ich meine, eigentlich ist es ein tatsächliches Lebensgefühl, was ich momentan als Frau habe, nämlich, dass ich es etwas leichter nehmen möchte und dass ich es … und auch kann.
Hettinger: Echt? Glauben Sie, dass es so ganz anders ist? Weil, also, gerade, wenn ich das so sehe, diese Szene in der Bar oder in dem Brillengeschäft, ein Kollege von mir sagte: Das hat was zu bedeuten, dass die bei den Sonnenbrillen sind und nicht bei den Lesebrillen. (…) (Anm. d. Red.: Schwer verständlich im Hörprotokoll) zu sprechen kommen, wie präzise, wie fein das ist und eben nicht übertragen, also, ich glaube, Jürgen Gosch hätte da auch seine Freude dran gehabt.
Harfouch: Oh, das würde mich ja freuen, wenn das so wäre. Allerdings ist er unberechenbar gewesen in seinem Urteil, für mich zumindest.
Hettinger: Ich finde das sehr, sehr schön, wobei Christoph Schaub als Regisseur – ich muss ganz ehrlich sagen, ich hatte ein bisschen Schwierigkeiten, in den Film hineinzukommen, diese Krise nachvollziehen zu können. Das kann an Alter, Geschlecht liegen, aber auch vielleicht ein bisschen daran, dass so in Berlin der Wind ein bisschen anders ist: Also die Giulia, die eine Krise kriegt, als sie da in diesem Bus nicht wahrgenommen, nicht gesehen wird, sie will aussteigen, aber alle anderen Leute drängeln schon rein, also, sie ist quasi unsichtbar. Also, wenn das Auslöser wäre von Lebenskrisen – hier in Berlin hätte ich fünf Stück am Tag.
Christoph Schaub: Na ja, Sie sprechen den Unterschied zwischen der Schweiz und Deutschland an …
Hettinger: Ich fürchte, das tue ich, ohne.
Schaub: … zwischen einer Großstadt und einer kleinen Stadt. Aber ich glaube auch nicht, dass man das so wörtlich nehmen kann, aber ich glaube, dass das viel grundsätzlicher ist. Das ist ja dann nur der Auslöser. Und ich glaube, es ist interessanter zu sagen, daß das sehr wenig ist , also dass es eben durchaus ist, dass vielleicht das "Problem", jetzt in Anführungszeichen, eben relativ groß oder relativ präsent oder weit vorne, dann braucht es relativ wenig. Und es ist ein Bild und es ist eine Stimmung und nicht eine sozusagen urbane Aussage zu Zürich. Und diese Giulia lässt sich tragen, sie hat wie … also, dass sie sich eben frei macht von … so empfindsam ist oder so, sich in so eine Empfindsamkeit begibt und sich freigibt und sich dann auch durch das auch auf so bisschen seltsame Begegnungen einlassen kann wie in diesem Brillengeschäft, mit diesem Bruno Gans oder John, und dass das erst möglich macht, dann eigentlich einen anderen Zugang zu finden zu diesem doch Thema, was einen das ganze Leben durch beherrscht oder beschäftigt.
Hettinger: Ich kenne jetzt … Drehbücher von Martin Suter habe ich noch nie gelesen, ich kenne nur die Kolumnen und die Prosa von ihm, das ist sehr epigrammartig, sehr knapp, sehr lakonisch oft. Wie sind denn die Drehbücher?
Schaub: Sie sind ähnlich.
Harfouch: Epigrammartig. Sie sind knapp. Sie sind lakonisch.
Schaub: Das ist der gleiche Schriftsteller, der das schreibt, es ist eine andere Technik natürlich. Aber vielleicht, was das Spezielle ist an diesem Drehbuch und was mich auch fasziniert hat ist eigentlich, dass das Drehbuch sich sehr konzentriert oder ausschließlich eigentlich auf den Figuren ist, auf den Charakteren, die miteinander reden, die etwas zu verhandeln haben. Und das ist eigentlich sehr ungewöhnlich in der heutigen Zeit, weil das Drehbuch liefert keine Actionszenen oder nur einer ganz verklausulierten Art Sexszenen oder so Liebesszenen, sondern es ist wirklich auf die Basis, nämlich auf die Emotion, auf die Befindlichkeit der Figuren, der Schauspieler, und das hat mich fasziniert, zu machen, und war faszinierend, zu machen auch dann, mit diesen vielen guten Schauspielern, Schauspielerinnen. Und ich glaube, diese Dialoge sind in dieser Suter-Art, indem sie natürlich und dass sie knapp sind, dass sie bösartig sind, manchmal, dass sie witzig sind, dass sie hinterhältig sind, dass sie mit dem Florett kämpfen und nicht mit dem Degen und so, das ist das selbe und das war für mich die Attraktivität in diesem Drehbuch, das so zu machen.
Hettinger: Sexszenen, überlege ich gerade, Sie meinen den Wadenkrampf?
Schaub: Ja, ich meine verklausuliert oder falsch umgesetzt, sagen wir so.
Hettinger: Ihr Schweizer!
Schaub: Sie merken: die Traurigkeit der Schweiz und die Großstadt Berlin, so anders ist es nicht. Selbst hier.
Hettinger: Wadenkrampf hatte ich auch schon mal, also … Wenn man Ihnen da so zuschaut, Frau Harfouch, Ihnen und Bruno Gans, das wirkt auf so eine ganz wunderbar bezaubernde Weise vertraut. Ich habe mal nachgeschaut, außer im "Untergang" sind Sie nie zusammen in irgendeiner Weise zusammen auf der Leinwand gemeinsam aktiv geworden.
Harfouch: Nein, sind wir nicht, aber eben das war eben gerade sehr, sehr wichtig, dass wir uns noch mal begegnen nach dem "Untergang", in einer anderen Dekoration.
Schaub: In einem anderen Verhältnis.
Harfouch: Ja, fand ich gut.
Hettinger: Und etwas flauschigere Rollen vor allen Dingen, weil Frau Goebbels zu spielen, ist ja dann doch eine …
Harfouch: … ist eben eine andere Aufgabe, sagen wir mal so, ja. Aber ich bin dem Bruno Gans, also, da nicht so nah gekommen wie in dieser Rolle. Ich hätte auch nie erfahren, als Magda Goebbels, wie der Herr Hitler küsst, weil der küsste ja scheinbar nicht, also, in diesem Falle habe ich das erfahren und das war gar keine schlechte Erfahrung, im Gegenteil.
Hettinger: Ich habe gelesen, dass "Giulias Verschwinden" der erfolgreichste Film in der Schweiz ist?
Schaub: Das ist so, ja. Also, im letzten Jahr, nicht aller Zeiten.
Hettinger: Den Publikumspreis in Locarno bekommen und der wirkt so gar nicht – also, verzeihen Sie das jetzt einem Berlinbewohner –, wirkt gar nicht so schweizerisch für mich, sondern so, wie gesagt, eher allgemeingültig. Haben Sie eine Erklärung, warum das so ist? Was ist dieses Spezielle, was so die Schweizer so besonders triggert?
Harfouch: Ich glaube, das hat etwas mit mir zu tun, oder, Christoph?
Schaub: Ja, das ist Corinna. Alle lieben Corinna, alle lieben Corinna in der Schweiz, es ist so. Sie wird geliebt in der Schweiz, aber ich glaube, das ist interessant, dass Sie es sagen, es ist eben nicht ein typischer Schweizer Film, sondern ich glaube, die Schweizer lieben … sind ja schon ein bisschen nach innen gerichtet, das wissen wir alle und weiß man auch in Deutschland, aber sie sind auch fähig, nach außen zu gucken, eine allgemeine, universelle Geschichte zu schätzen und die auch universell erzählt ist, also, dass sie wirklich … auch eben nicht so wichtig ist, dass das jetzt in Zürich gedreht ist, dass man das auch in Frankfurt oder auch in Berlin oder irgendwo das drehen hätte können. Ist schwieriger, definitiv zu sagen, aber ich glaube, es ist natürlich die Geschichte, es sind die Schauspieler, es ist die Emotion, ist das Thema. Die Premiere war in Lucarno auf der Piazza Grande vor 8000 Menschen, und das war ganz toll, Corinna war auch dabei, und die Menschen haben den Film wirklich geliebt und das hat natürlich dann auch so einen Schub, ein Momentum gegeben für den Film und das hat sich in die Kinoauswertung getragen. Und die Leute fühlen sich zu Hause im Film, glaube ich, sie können was anfangen mit der gleichen Stimmung, glaube ich, und aus dem Film, wie die Giulia aus dem Film geht. Ich glaube, es ist ganz wichtig, sind in einem gewissen Sinn befreit von diesen schweren Gedanken über das Alter, dass alle irgendwann heimgesucht werden oder diese … auch der Bilder, die auf einen projiziert werden von außen, dass man sich da eben freimachen kann, wenn man den Fluss laufend entlanggeht oder sich im Fluss ziehen lässt und dann kommt man eben in diese Stimmung, glaube ich, aus dem Film eben, also, in der … ähnlich wie die Giulia als fiktive Figur, und das ist ein schönes Gefühl.