Mehr als 60 Bücher hat Cornelia Funke inzwischen geschrieben, die über 20 Millionen Mal verkauft wurden. Seit 15 Jahren lebt sie in Kalifornien, davor wohnte sie in Nordrhein-Westfalen und Hamburg. "Tintenherz", ihr wahrscheinlich bekanntestes Buch, war nicht ihr erstes Buch, aber das erste, das Cornelia Funke über ihre Besessenheit mit Büchern geschrieben hat. Es ist ein Buch über die Kraft der Worte, über den Zauber des Lesens.
Studium und erste Berufstätigkeit
Nach dem Studium der Diplompädagogik in Hamburg hat
Cornelia Funke zunächst als Erzieherin auf einem Bauspielplatz gearbeitet. Da ist sie grade Anfang 20.
"Da ist meine Lebensgeschichte ein gutes Beispiel, da machst du dann so einen Schlenker, der eigentlich keinen Sinn macht, weil du hasst Pädagogik. Aber das führt dich zu Erfahrungen, die ich mit Kindern gemacht habe, die wesentlich weniger behütet als ich aufwuchsen. Das machte mir so die Augen auf, dass ich deswegen dann auch so ein Buch wie ‘Herr der Diebe’ schreiben konnte."
Leseausschnitt "Herr der Diebe":
"Eine Wasserratte huschte erschrocken davon, als die Kinder sich den engen Gang hinuntertasteten. Der Weg führte zu einem Kanal, wie so viele Gassen und Gänge der Stadt, aber Wespe, Prosper und Bo folgten ihm nur bis zu einer Metalltür, die auf der rechten Seite in der fensterlosen Mauer war. Mit ungelenken Buchstaben hatte jemand vietato ingresso darauf gepinselt, Betreten verboten. Früher war dies einer der Notausgänge des Kinos gewesen, jetzt verbarg sich hinter der Tür ein Versteck, von dem nur sechs Kinder etwas wussten."
Der Weg zum Schreiben
Nach der Universität hat Cornelia Funkevor allem Kinderbücher illustriert. Die ersten Jahre hat sie oft 14 Stunden am Tag gezeichnet. Irgendwann wollte sie dann nicht mehr zeichnerisch dazupacken, was in der Geschichte nicht stand – zum Beispiel die Haarfarbe einer Figur. Und fing selbst an, zu schreiben. Mit den "Wilden Hühnern" gelang ihr dann der erste größere Erfolg.
Trailer zum Film "Die Wilden Hühner":
"Weil meine damalige Lektorin bei mir im Garten saß und sagte: 'Kannst du nicht mal endlich was ohne Zwerge und Feen schreiben?' Vieles aus meiner Bauspielzeit ist in die Wilden Hühner geflossen, viele Figuren sind inspiriert von Kindern, die ich auf dem Bauspielplatz getroffen hatte. Und das machte dann auch wieder Spaß, weil ich Dinge verarbeitete, von denen ich wirklich wusste, wovon ich rede."
Leseausschnitt "Wilde Hühner":
"Es war ein wunderbarer Tag. Warm und weich wie Hühnerfedern. Aber leider ein Montag. Und die riesige Uhr über dem Schuleingang zeigte schon Viertel nach acht, als Sprotte auf den Schulhof gerast kam. "Mist!"", sagte sie, bugsierte ihr Rad in den verrosteten Fahrradständer und zerrte die Schultasche vom Gepäckträger. Dann stürmte sie die Treppe rauf und rannte durch die menschenleere Pausenhalle. Auf der Treppe raste sie fast in Herrn Mausmann, den Hausmeister, hinein. "Hoppla!", sagte er und verschluckte sich an seinem Käsebrot. "'tschuldigung!", murmelte Sprotte - und stürmte weiter. Noch zwei Flure entlang, dann stand sie japsend vor ihrer Klassentür."
Für die Autorin ist das Wichtigste an diesen Abenteuern der Mädchen zunächst, dass sie durch den Erfolg endlich genug Geld verdient, um sich Zeit zu nehmen, ein dickes Buch zu schreiben. Ihr Verleger ermutigt sie. Cornelia Funke ist jetzt nicht mehr Erzieherin oder Diplompädagogin. 1996 ist sie Schriftstellerin.
"Der Drachenreiter, da war die erste Entscheidung: Ok, dickes Buch schreiben. Das kam auf ganz verrückte Weise zu Stande, weil mir plötzlich ein Fernsehproduzent "Die große Drachensuche" abkaufen wollte, mein erstes Buch. Aber er sagte: Na, ist aber noch nicht lang genug, das musst du ein bisschen länger schreiben. Ich habe gesagt: Das geht nicht, man kann kein Buch länger schreiben. Ich muss das neu schreiben." Und das war die Geburt von "Drachenreiter"."
Ihr Mann, gelernter Buchdrucker, hat Cornelia Funke immer ermutigt. Er studierte zu der Zeit gerade Architektur. Finanziell kommen sie mit den Honoraren für ihre "Wilden Hühner" und seinen Studentenjobs ganz gut klar.
"Dann sah ich plötzlich die Figuren wie Puppen aus den Zelten kommen, wie von der Puppenkiste. Ich sah die nicht wie wirkliche lebendige Figuren und habe gedacht, das geht nicht. Dann haben wir den angerufen und gesagt, wir machen das nicht, wir zahlen ihm alles zurück. Das war viel für uns damals. Das war das erste Mal, dass ich im Grunde so eine Lektion im Leben lernte: Wenn du das machst, wenn du dir treu bleibst und das Risiko eingehst, dann wird es schon eine Belohnung geben."
Leseausschnitt "Drachenreiter":
"Unter den Tannen war es dunkel, so dunkel, dass man den Spalt kaum sah, der in der Bergflanke klaffte. Wie ein Schlund schluckte er den Nebel. "Sie wissen nichts", schimpfte die Ratte. "Das ist das Problem. Sie wissen gar nichts von der Welt. Nichts, überhaupt nichts." Vorsichtig sah sie sich noch einmal um, dann verschwand sie in der Spalte. Eine große Höhle verbarg sich dahinter. Die Ratte huschte hinein, aber sie kam nicht weit. Jemand packte ihren Schwanz und hob sie in die Luft."
Der "Drachenreiter" wird ein Erfolg. Aber danach kommt mit dem Buch "Der Herr der Diebe" ein Härtetest.
"Ich hab 100 Seiten weggeworfen, ich hab ganz neu angefangen, es war mörderisch. Gelöscht, weg, ausgedruckt, immer ausgedruckt. Ich hatte Ordner mit 14 Fassungen. Das war so ein großer Schritt literarisch, der "Herr der Diebe". Das ist für mich immer noch eines der besten Kinderbücher, die ich je geschrieben habe."
Nach "Herr der Diebe" kam "Tintenherz" und "Tintentod". Cornelia Funke war überzeugt: Das werden nur wenige Buchbesessene wie sie lesen. Aber "Tintenherz" wird zehn Millionen Mal verkauft. Das "Time Magazine" erklärt Cornelia Funke zu einer der einhundert einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt.
Umzug in die USA und Schicksalsschlag
Es ist März 2005. Cornelia Funke und ihre Familie sind auf dem Weg nach Kalifornien, zu den Surfern, zur Sonne, zur endlosen Weite des Pazifiks. Doch dann kommt ein schwerer Schlag. Cornelia Funkes Mann Rolf bekommt eine Krebsdiagnose. Die beiden hatten sich im Studentenwohnheim in Hamburg kennen gelernt, als Cornelia 20 war und Rolf 30. Zusammen waren sie seither durch dick und dünn gegangen, durch magere und fette Jahre und hatten inzwischen zwei Kinder. Anna, 1989 geboren, 15 Jahre alt, und den fünf Jahre jüngeren Ben. Sie waren unzertrennlich. Er stirbt an seiner Krankheit.
Trailer von Inkheart auf YouTube:
Lese-Ausschnitt "Tintentod":
"Es war Resa, die nachts zu Roxane gegangen war, wenn sie sie fern von den anderen unter den Bäumen hatte weinen hören, die sie umarmt und getröstet hatte, auch wenn sie wusste, dass es für den Schmerz der anderen Frau keinen Trost gab. Sie erzählte Roxane nicht von dem Tag, an dem Mortola auf Mo geschossen und sie mit der Furcht allein gelassen hatte, ihn für immer verloren zu haben. Denn sie hatte ihn nicht verloren, auch wenn sie es für ein paar endlose Augenblicke geglaubt hatte. Sie hatte sich nur ausgemalt, wie es sich anfühlen würde, ihn niemals wiederzusehen, nie wieder zu berühren, nie wieder seine Stimme zu hören, viele Tage, viele Nächte lang, während sie in einer dunklen Höhle gesessen und ihm die fieberheiße Stirn gekühlt hatte. Aber die Angst vor dem Schmerz war etwas ganz anderes als der Schmerz selbst. Mo lebte. Er sprach mit ihr, schlief neben ihr, schlang seine Arme um sie. Staubfinger jedoch würde Roxane nie wie der umarmen."
Verfilmungen in Hollywood
Mit ihrem Umzug in die USA ist Cornelia Funke auch ganz nah an Hollywood. Sie hat zu der Zeit schon Erfahrung mit Verfilmungen ihrer Bücher. "Herr der Diebe", zum Beispiel. Der Film kam als europäische Koproduktion in die Kinos.
"Es war eine ziemliche Desaster-Erfahrung, weil als ich dann zum Set kam, hörte, die haben die Schauspieler gerade nicht bezahlt. Die sind jetzt eigentlich bankrott. Dann war trotzdem wieder Geld da. Warner Deutschland hatte mich sehr in die Irre geführt, indem sie so ein bisschen behauptet haben, sie sind mit dabei, bis ich dann in meiner Naivität verstand, dass das aber nur um den Vertrieb ging und nicht um die Produktion. Das war beim Dreh trotzdem eine verzaubernde Erfahrungen teilweise, weil die Kinder so toll waren."
Cornelia Funke ist mit manchen Verfilmungen unzufrieden. Aber mit dem Geld konnte sie ihre Stiftung
"Saum des Himmels" aufbauen. Damit unterstützt sie kleine Organisationen und Initiativen in den Ländern, in denen ihre Bücher erscheinen. Und sie hat angefangen, aus diesen Ländern Künstlerinnen einzuladen, einige Wochen bei ihr kreativ zu sein.
Durch die Besucherinnen, die seit gut einem Jahr zu ihr kommen, hat sich das Leben der Schriftstellerin verändert. Sie hat aus ihrer Schreibscheune eine Künstlerwerkstatt gemacht und aus einem Gästezimmer ein Stop-Motion-Studio. Ihre Garage, die sie für sich in ein Studio zum Malen auf großen Formaten in Öl und Acryl verwandelt hat, teilt sie sich nun mit bildenden Künstlerinnen auf Besuch.
Cornelia Funke schreibt gerade an einem vierten Buch der Tintenwelt. Nach Tintenherz, Tintenblut und Tintentod gibt es nun
"Die Farbe der Rache" - Cornelia Funke wird uns immer wieder mitnehmen auf neue Abenteuerreisen.