Cornelia Koppetsch: "Die Gesellschaft des Zorns. Rechtspopulismus im globalen Zeitalter"
Transcript Verlag, Bielefeld 2019
288 S., 19,99 Euro
Die Querfront der Verlierer
07:14 Minuten
Die Soziologin Cornelia Koppetsch unternimmt den Versuch, die rechte Wende in unserer Gesellschaft zu verstehen. Sehr gelungen findet Jens Balzer die Großraum-Analysen mit kleinen Alltagsbeobachtungen. Nur an einem fehlt es der "Gesellschaft des Zorns".
Wie erklärt sich der erstaunliche Aufstieg der rechtspopulistischen Bewegungen und der dazugehörigen Parteien in den vergangenen Jahren? Handelt es sich um einen Protest von Modernisierungsverlierern? Oder um eine kulturelle Bewegung von Menschen, die sich in unserer globalisierten, unübersichtlich gewordenen Gegenwart wieder nach stabilen Verhältnissen und Identitäten sehnen? Beide Antworten sind richtig, jede für sich greift jedoch zu kurz. Man kann dieses Phänomen nicht anders als dialektisch begreifen, so die These, mit der die Soziologin Cornelia Koppetsch in ihrem Buch "Die Gesellschaft des Zorns" den "Rechtspopulismus im globalen Zeitalter" – so der Untertitel – analysiert und beschreibt.
Wer sich zu den Rechtspopulisten hingezogen fühlt, sieht sich, so Koppetsch, als Verlierer. Dabei spielt es aber zunächst keine Rolle, ob dieser Verlust in kultureller oder in ökonomischer Hinsicht empfunden wird: So treffe man unter den Wählern der AfD ebenso auf abgehängte Industriearbeiter, deren Fähigkeiten in der digitalisierten Wissensgesellschaft nichts mehr zählen, wie auf gut situierte Vertreter des alten Bildungsbürgerturms, die ihre schwindende kulturelle Deutungshoheit beklagen. Oder auf ehemalige Bürger der DDR, die ihre Biografien als "entwertet" betrauern. Aus dieser Gemengelage sei eine "Querfront der Verlierer" entstanden – in sich heterogen, aber geeint durch das Ressentiment gegen die globalisierte Welt.
Wer sich zu den Rechtspopulisten hingezogen fühlt, sieht sich, so Koppetsch, als Verlierer. Dabei spielt es aber zunächst keine Rolle, ob dieser Verlust in kultureller oder in ökonomischer Hinsicht empfunden wird: So treffe man unter den Wählern der AfD ebenso auf abgehängte Industriearbeiter, deren Fähigkeiten in der digitalisierten Wissensgesellschaft nichts mehr zählen, wie auf gut situierte Vertreter des alten Bildungsbürgerturms, die ihre schwindende kulturelle Deutungshoheit beklagen. Oder auf ehemalige Bürger der DDR, die ihre Biografien als "entwertet" betrauern. Aus dieser Gemengelage sei eine "Querfront der Verlierer" entstanden – in sich heterogen, aber geeint durch das Ressentiment gegen die globalisierte Welt.
Der Rechtspopulismus ist für Koppetsch also kein flüchtiges Phänomen, sondern Ausdruck eines Epochenbruchs. Dreißig Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Beginn einer immer dichter werdenden transnationalen Vernetzung zeige sich hier eine Gegenbewegung zur modernen Welt, in der sich neben reaktionären Ressentiments auch ganz legitime Bedürfnisse nach Sicherheit, Verlässlichkeit und Anerkennung des Eigenen finden.
Die Hipster-Kieze zu verspotten ist einfach
Das beliebteste Feindbild der Rechtspopulisten sind die "kosmopolitischen Eliten", die von der Globalisierung sowohl in ökonomischer wie in kultureller Hinsicht profitieren. Diese gefallen sich im Lob der kulturellen Offenheit – dabei schließen sie sich, so Koppetsch, in ihren gentrifizierten, urbanen Enklaven (zum Beispiel in Berlin-Prenzlauer Berg) mindestens ebenso effektiv gegen alles Andere ab wie die rechten"Neogemeinschaften", die ihre eigene Exklusion programmatisch betreiben.
Von den zahlreichen gegenwärtigen Versuchen, die gesamtgesellschaftliche Wende nach rechts zu verstehen, greift dieser fraglos am tiefsten. Auch verbindet Cornelia Koppetsch in durchgehend inspirierender Weise soziologische Großraum-Analysen mit kleinen Alltagsbeobachtungen. Dass sie die "kosmopolitische Elite" ebenso scharf in den Blick und die Kritik nimmt wie die Rechtspopulisten, ist löblich. Dabei neigt sie allerdings zu einer karikierenden Überzeichnung, die die Dialektik ihrer Analyse beschädigt.
Kosmopolitische Kultur findet sich ja nicht nur in den leicht zu verspottenden Parallelgesellschaften der Hipster-Kieze, sondern in sämtlichen gesellschaftlichen Segmenten. Auch dort, wo sie ostentativ abgelehnt wird – und sei es nur, weil es ohne die globale Vernetzung durch das Internet auch jene sozialen Netzwerke nicht gäbe, in denen sich der diffuse Antimodernismus der Nullerjahre erst zur rechtspopulistischen Politik der Gegenwart formieren konnte.
Kritik an der Globalisierung – trotz eigener Vorteile
Gerade auch das Ressentiment gegen die Globalisierung braucht zu seinem politischen Ausdruck die Mittel jener kulturellen und politischen Öffnung, die es rückgängig zu machen verspricht: Das Wesen des Rechtspopulismus ist von einer Schizophrenie geprägt, die eine echte Einlösung seiner Ziele von vornherein unmöglich macht.
Diese Art der rechten Lebenslügen lässt Koppetsch – anders als jene des linksliberalen Milieus – sonderbar unterbelichtet. Aber nur wenn man auch hier genauer hinsieht, kann man etwa verstehen, warum die Rechtspopulisten trotz aller Betonung des Werts von Kultur so kulturlos und unschöpferisch wirken. Sie müssen im Negativen gefangen bleiben, aus ihrem Ressentiment gegen die globale Gegenwart kann gar nichts Eigenes wachsen, weil es kein Außerhalb der Globalisierung mehr gibt. Das macht sie in ihrer politischen Aggressivität und Zersetzungslust aber nur umso unersättlicher.