Corona-Chaos und fehlender Impfstoff

"Föderalismus wird als billige Entschuldigung genommen"

09:22 Minuten
Wie geht es mit den Corona-Schnelltests voran? Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sollen dazu eine Taskforce leiten.
Wie geht es mit den Corona-Schnelltests voran? Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sollen dazu eine Task Force leiten. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Kira Hofmann
Werner Jann im Gespräch mit Julius Stucke |
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Möglichst viele und möglichst genaue Vorschriften verlangsamen Prozesse, sagt der Politik- und Verwaltungswissenschaftler Werner Jann. Rechtssicherheit und Schnelligkeit müssten in der Pandemie abgewogen werden.
Deutschland impft langsamer als andere Länder. Corona-Schnelltests sind derzeit auch noch nicht leicht zu bekommen. Die flächendeckende Verteilung von Tests an Schulen und Kitas sei eigentlich kein Problem, meinte dazu am Freitag Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Bei der Pressekonferenz des Robert-Koch-Instituts ging er in die Vollen:
"Wir sind doch Logistikweltmeister! Mir hat gestern Abend ein Hersteller gesagt: Sagen Sie uns, wann wir wo was hin liefern sollen – wir liefern’s." Für Kitas und Schulen seien jedoch die Bundesländer zuständig, so Spahn. "Und insofern müssen wir jetzt miteinander vereinbaren, und das werden wir in der Task Force besprechen, wie das organisiert wird."

Erst mal mit den Ländern sprechen

Marc Brost, Wirtschaftsredakteur der ZEIT, betonte in unserem Programm hingegen, dass es in einer Krisenlage wie der Pandemie durchaus möglich wäre, bundeseinheitlich zu handeln. Der Bund könne Kompetenzen an sich nehmen und so eine einheitliche Impfstrategie voranbringen. Oder einheitliche Öffnungsregelungen für Geschäfte.


In der deutschen Corona-Politik, so Brost, habe es jedoch – bereits im vergangenen Jahr – Versäumnisse gegeben:
"Wir haben uns zu sehr auf den eigenen Lorbeeren ausgeruht und haben damals nicht die Dinge angepackt, die in vielen wissenschaftlichen Papieren relativ unstrittig als wichtige Maßnahmen schon im Frühjahr 2020 benannt worden waren: Und das war der Aufbau von Impfzentren und die schnelle Beschaffung von Impfstoffen."

Einzelfallgerechtigkeit kostet Zeit

Insgesamt bräuchte es in der Pandemie mehr Flexibilität, um schneller zu impfen und mehr zu testen, erklärte wiederum der Politik- und Verwaltungswissenschaftler Werner Jann. "In Deutschland können wir schlecht mir Unsicherheit umgehen", sagte er in unserem Programm. Die Deutschen versuchten, ihre Unsicherheit "wegzuorganisieren".
Möglichst viele und möglichst genaue Rechtsordnungen und -gesetze stünden aber nun Mal im Widerspruch zu der gewünschten Schnelligkeit, so Jann: "Ich finde, wir haben eine schizophrene Diskussion in Deutschland: Es sollte doch jedem Mal auffallen, dass absolute Rechtssicherheit und Schnelligkeit gegeneinander abzuwägen sind."

Den Verwaltungen mehr zutrauen

Jann empfiehlt, den Verwaltungen mehr Vertrauen entgegenzubringen. Doch die Verwaltungen würden an die kurze Leine genommen und dürften zum Beispiel nicht selber entscheiden, wen sie impfen, wenn sie noch Impfstoff haben.
"Der Föderalismus wird als billige Entschuldigung genommen, weil es nicht so schnell geht, wie man es sich wünscht", sagte Jann. Denn eigentlich sei es sinnvoll, dass nicht alle Aktivitäten im Zusammenhang mit der Pandemie von Berlin aus kontrolliert würden.
(huc)
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