Nachimpfen oder nicht
Entwarnung gibt es nicht - Corona wird uns noch eine ganze Weile begleiten, sagt der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit. Grund zur Panik sieht er aber nicht. © picture alliance / CHROMORANGE / Michael Bihlmayer
Sind wir gerüstet für den Corona-Herbst?
11:47 Minuten
Bringt der Herbst die nächste heftige Corona-Welle? Die werde es immer wieder geben - Grund zur Panik gebe es aber nicht, sagt der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit. Er vermisst jedoch belastbare wissenschaftliche Studien zum Infektionsgeschehen.
Bund und Länder blicken mit gemischten Gefühlen auf den kommenden Corona-Herbst und -Winter. Dass eine neue Welle kommen wird, steht für Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fest.
Fragen, die sich jetzt stellen: Mit welcher Heftigkeit kommt Corona und wie gut wird Deutschland dafür gerüstet sein? Was kann schon jetzt getan werden, um vorzubeugen? Braucht es eine neue Impfkampagne?
Die meisten Bürgerinnen und Bürger dagegen sind im Sommerurlaubsmodus und wollen sich mit solchen Fragen nur ungern beschäftigen. Ein Plan für den Herbst mit neuen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus – davon will kaum jemand etwas hören.
Entwarnung für gesunde Geimpfte
Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit, Wissenschaftler am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, hält übertriebenen Aktionismus tatsächlich für wenig sinnvoll. Massentests nach dem Gießkannenprinzip bringen seiner Meinung nach nichts, gezielte Tests dagegen schon.
Auch gibt er Entwarnung für all jene, die schon dreimal geimpft sind, keine Vorerkrankungen haben und nicht in Pflegeberufen arbeiten: Das Ablaufdatum des Impfnachweises im Covid-Pass oder in der Corona-Warnapp sei lediglich „ein technisches Ablaufdatum“.
Denn: Wer drei Impfungen erhalten hat verfügt über die nötige Grundimmunisierung. "Damit hat man einen lang anhaltenden Schutz vor schwerer Erkrankung.“ Der Virologe sieht in diesen Fällen daher keinen Grund zur Sorge oder zum erneuten Nachimpfen.
Begleitende Studien fehlen noch
Unzufrieden ist der Forscher dagegen damit, dass begleitende Studien, die die nötigen wissenschaftlichen Grundlagen für künftige Strategien im Kampf gegen das Virus liefern könnten, auf sich warten lassen.
Am 30. Juni soll der Corona-Situationsbericht der Bundesregierung vorgelegt werden. Bis zum Herbst sei dann zwar noch genug Zeit, um eine Strategie zu erarbeiten, sagt der Wissenschaftler - dies gelte aber nur, wenn bereits entsprechende Studien angeschoben worden seien oder schnellstmöglich angeschoben würden. Auf deren Grundlage wiederum gebe auch die Ständige Impfkommission ihre Empfehlungen.
Wie viele Menschen sind bereits immun?
Doch solche Studien bräuchten Zeit, betont Schmidt-Chanasit. Deshalb sei Eile geboten, sie zu initiieren.
„Unter anderem zum Beispiel eine sogenannte Seroprävalenzstudie, wo wir sehen, wie viele Menschen bereits eine Infektion durchgemacht haben oder sogar mehrmals genesen sind. Das sind wichtige Daten, auch in Bezug auf eine mögliche neue Impfkampagne. Denn falls 99 Prozent der Menschen immun sein sollten, weil sie geimpft sind oder bereits eine Infektion durchgemacht haben, fragt man sich natürlich, wer dann noch geimpft werden soll."
(mkn)