Solidarität ist gut, globale Gerechtigkeit wäre besser
06:32 Minuten
Mehrere Länder wollen Indien bei seinem dramatischen Kampf gegen Corona helfen. Ellen Ehmke von der Bosch-Stiftung begrüßt die Solidarität, fordert aber zugleich, armen Menschen überall auf der Welt eine gute Gesundheitsversorgung zu bieten.
Jeden Tag Höchststände an Neuinfektionen, dazu völlig überforderte Krankenhäuser: Indien erlebt eine zweite Corona-Welle, die es allein kaum bewältigen kann. Mehrere Länder, darunter Pakistan, China, die USA und Deutschland, haben Hilfsbereitschaft signalisiert. Ellen Ehmke, Expertin für Ungleichheit und globale Fragen bei der Bosch-Stiftung, findet das richtig: "Diese Solidarität brauchen die Inderinnen und Inder. Zugleich ist es aber auch ein bisschen so, als würde man versuchen, ein in Flammen stehendes Haus mit einem Eimer zu löschen."
Vernachlässigtes Gesundheitssystem
Das indische Gesundheitssystem sei "überhaupt nicht in der Lage", mit den hohen Fallzahlen umzugehen, so Ehmke. Der Grund: "Es wurde über Jahrzehnte viel zu wenig investiert in Krankenhäuser, in öffentliche Gesundheit. Deswegen fehlt es jetzt an Betten, an Pflegern, an Schutzausrüstung. Davon betroffen sind in Indien wie auch global insbesondere ärmere Menschen, weil der Zugang zu den bestehenden Gesundheitsleistungen so ungleich verteilt ist."
Die Lage in Indien ist nach Darstellung Ehmkes auch deswegen so problematisch, weil das Land als "Apotheke" für ärmere Staaten gilt und für diese eigentlich Impfstoff produzieren soll. Notwendig sei eine Politik, die "den Zugang zu guter Gesundheitsversorgung und das Recht auf soziale Sicherheit in allen Ländern und für alle Menschen garantiert und die jetzt möglichst schnell allen Menschen Zugang zu Impfstoffen ermöglicht", betont die Expertin. Die Forderung, Impfstoffpatente freizugeben, sei "absolut berechtigt", meint Ehmke.
(bth)