Corona in Tansania und Südafrika

Afrika hat von anderen Epidemien gelernt

05:21 Minuten
In einem Rugby Stadion stehen in ordentlichen Reihen weiße Zelte für circa 400 Personen.
Temporäre Notunterkünfte in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria, um Obdachlose vor Corona zu schützen. © Getty Images / Gallo Images / Alet Pretorius
Interview: Philipp Lemmerich · 15.04.2020
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Afrika ist nicht gleich Afrika, auch nicht in der Coronakrise. In Südafrika mit rund 2500 Infizierten gab es den Lockdown, in Tansania mit gerade mal 50 bestätigten Fällen hingegen kann man sich frei bewegen. Ein WhatsApp-Gespräch über die Situation vor Ort.
Goodluck Paul: Ich heiße Goodluck Paul und bin freier Journalist aus Daressalam
Karen Mwendera: Mein Name ist Karen Mwendera. Ich bin Journalistin und Dozentin aus Johannesburg.

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Goodluck Paul: Es ist traurig zu hören, wie die Situation in den USA, in Italien, in einigen europäischen Ländern ist. Das macht mir Angst davor, dass es auch hier schlimmer wird. Ich hoffe, soweit kommt es nicht.
Karen Mwendera: Jeder ist zu Hause eingesperrt. Ich arbeite auch von zu Hause aus. Ich lebe zusammen mit meiner Schwester in Illovo, einem Vorort von Johannesburg. Wir haben einen Blick über die Skyline der ganzen Stadt. Aber ja, es ist eine schnuckelige Einzimmerwohnung für uns beide.

Öffentliche Krankenhäuser in Südafrika unter Druck

Philipp Lemmerich: Welchen Eindruck habt ihr vom Gesundheitssystem in euren Ländern. Ist es vorbereitet auf größere Zahlen von Infizierten?
Karen Mwendera: In Südafrika funktioniert alles bislang recht gut. Ich habe noch nichts gehört davon, dass die Gesundheitsversorgung fehlt. Probleme gibt es in Gegenden, in denen sich die Leute das nicht leisten können. Die öffentlichen Krankenhäuser sind sehr viel stärker unter Druck als die privaten.
Goodluck Paul: Das Gesundheitssystem in Tansania ist nicht besonders vielversprechend, gerade wenn man es mit anderen Ländern wie USA oder Italien vergleicht, die jetzt schon unter der Pandemie leiden. In manchen Regionen gibt es gar keine Krankenhäuser. Wenn sich die Situation verschlechtert, wird das unangenehm.

Tourismus in Tansania sehr stark betroffen

Philipp Lemmerich: Beide Länder sind ja auch Tourismus-Hotspots für Europäer. In Südafrika ist quasi die gesamte Wirtschaft zum Erliegen gekommen. Wie stark macht sich der Wegfall des Tourismus in Tansania bemerkbar?
Goodluck Paul: Normalerweise kommen Millionen Touristen hierher und besuchen den Kilimandscharo, den Ngorongoro-Krater, Sansibar. Jetzt geht nichts mehr. Dabei ist Tourismus einer der wichtigsten Sektoren der tansanischen Wirtschaft. Lokaler Tourimus kann das nicht auffangen. Die Tansanier können sich ja frei bewegen, aber sie ersetzen die ausländischen Touristen natürlich nicht. Deswegen ist der Tourismus sehr stark betroffen.

Zunehmende Spaltung der Gesellschaft

Philipp Lemmerich: Wie ist die Lage im informellen Sektor – bei Straßenverkäufern, Dienstleistern und so weiter?
Karen Mwendera: Menschen mit höherem Einkommen konnten sich im ganzen Land sehr gut auf den Lockdown vorbereiten. Schon da hat man die Spaltung der Gesellschaft gesehen. Die Ungleichheit ist einfach sehr groß hier in Südafrika. Manche Familien in Townships leben zu fünft in einer Hütte, zusammen in einem kleinen Raum, wo man nicht einmal Luft zum Atmen hat. Die andere Sache ist, dass informelle Betriebe von Ausländern nicht mehr arbeiten dürfen, nur Südafrikaner haben die Erlaubnis. Also auch hier ist die Gesellschaft gespalten. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl hat uns die Situation nicht gebracht.
Goodluck Paul: Der informelle Sektor steht gut da bislang. Wenn ein Lockdown kommt, ändert sich das natürlich. Viele Leute hier in Tansania leben von der Hand in den Mund. Wenn sie nicht arbeiten können, haben sie Schwierigkeiten zu überleben. Aber wir bekommen auch internationale Auswirkungen zu spüren: Hier wird viel importiert, und bei Importen gibt es starke Preisschwankungen.

Optimistisch in die Zukunft

Philipp Lemmerich: Es gibt sehr unterschiedliche Vorhersagen von Experten darüber, wie die Pandemie in Afrika weitergehen könnte. Welchen Eindruck habt ihr?
Karen Mwendera: Ich glaube, wir sind ganz gut ausgestattet und haben von anderen Krankheiten gelernt, Ebola, Malaria und so weiter. Viele Mitarbeiter im Gesundheitssystem wissen, was zu tun ist, um den Menschen in der Coronakrise zu helfen.
Goodluck Paul: Ich bleibe auch optimistisch, dass die Situation nicht schlechter wird. Bisher ist das Virus nicht so weit verbreitet wie andernorts. Und es ist spät hierher gekommen. Das gibt uns die Zeit, Vorkehrungen zu treffen.

Hören Sie hier die gesamte "Weltzeit"-Sendung:
Die einen prognostizieren gerade eine humanitäre Krise riesigen Ausmaßes, sollte sich das Coronavirus auf dem afrikanischen Kontinent ausbreiten. Die anderen glauben, dass Afrika wegen seiner Erfahrung mit der Ebola-Bekämpfung den westlichen Ländern voraus ist. Philipp Lemmerich hat sich von afrikanischen Freunden die Lage in Tansania und Südafrika schildern lassen.
In Tansania gibt es bisher erst 50 Infizierte, aber der Tourismus bleibt aus. Der Nationalpark Serengeti gibt vielen Arbeit, die jetzt Hunger leiden. Die Wilderei könnte bald zunehmen – aus der Not heraus, meint Afrika-Korrespondentin Bettina Rühl. Wer in besseren Zeiten als Tourist nach Tansania reist, besucht meist auch die Insel Sansibar mit ihren Traumstränden. Dort entsteht gerade eine Multikulti-Retortenstadt mit ambitionierten Zukunftsplänen. Eberhard Schade hat sie sich angesehen.
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