Wie die Katastrophe das Land verändert
22:05 Minuten
Corona hat die Briten härter als alle anderen in Europa getroffen. Die strikten Ausgangsbeschränkungen bleiben weitgehend erhalten und auch der Streit darüber, was schiefgelaufen ist. Die Krise könnte aber auch ein paar positive Folgen haben.
James Cavanagh ist Hausarzt in Hammersmith, einem Stadtteil im Londoner Westen. Gleichzeitig arbeitet er auch in den örtlichen Krankenhäusern und betreut dort seine Patienten. Auch oft an Wochenenden oder am vergangenen Freitag, als wegen 75 Jahre Kriegsende Feiertag in Großbritannien war. Ein wenig vergleicht Cavanagh die letzten Wochen tatsächlich mit einer Ausnahmesituation wie dem Krieg.
"Ich habe in Kriegsgebieten und Ländern der Dritten Welt gearbeitet", erzählt er. "Ich hatte dort mit einem Team zu tun, das Risiken kannte. Sie hatten Angst, aber sie hatten sich daran gewöhnt. Plötzlich und praktisch über Nacht waren bei uns hier in London die Ärzte und Krankenschwestern mit einem Ausmaß an Risiko konfrontiert, mit dem sie nicht gerechnet hatten. Die Mitarbeiter bekamen es mit der Angst zu tun."
Besonders gefährdet: Ärzte und Pfleger
Etwa 50 Mediziner und Pfleger im NHS, dem nationalen Gesundheitssystem, sind der Pandemie offiziell zum Opfer gefallen. Die Dunkelziffer soll aber noch viel höher sein. James Cavanagh hat beobachtet, wie Teile des Personals aus Angst, sich anzustecken, nicht zur Arbeit erschienen sind.
Er erzählt: "Einige der Vorgesetzten gingen nach Hause und kamen nicht mehr zurück. Das musste man erst einmal verkraften. Auch einfache Ärzte blieben dann weg. Ich kann das im gewissen Umfang verstehen. Aber es ist, wie wenn man sich als Soldat verpflichtet. Du kannst nicht deine Uniform abgeben, wenn der Krieg beginnt. Du musst weitermachen."
Er habe schon im Januar einen Anruf aus dem Gesundheitsministerium erhalten, mit einer Warnung vor dem Virus. Wir unterhalten uns darüber, ob der Lockdown dann nicht viel zu spät kam. Premierminister Boris Johnson wirkte am Anfang bei seinen Auftritten nicht unbedingt so, als habe er die große Gefahr realisiert. "Ich schüttele weiter Hände. Gestern Abend war ich in einem Krankenhaus mit Patienten, die den Coronavirus hatten, und ich habe jedem die Hand gegeben. Das werde ich weiter so machen. Mein Rat lautet: Wascht eure Hände, das ist das Entscheidende."
Was lief schief?
Das war zugegeben schon am 3. März. Aber der Eindruck setzte sich fort, Großbritannien folge nur zögerlich dem Beispiel anderer europäischer Staaten.Hausarzt James Cavanagh will darüber dennoch nicht den Stab brechen und sagt: "Ich kann verstehen, dass sie da gezögert haben. Wir wissen jetzt, dass das Virus wahrscheinlich schon vor Weihnachten in Europa ankam. Ja, objektiv betrachtet, war die Reaktion zu langsam. Aber es war eine außerordentlich schwierige Entscheidung."
In der britischen Öffentlichkeit glauben zwar viele, dass der Lockdown zu spät kam. Aber hinterher wisse man es immer besser – das ist ein Satz, der häufig fällt. Schwerer ins Gewicht fällt offenbar das Debakel mit den Tests und der Schutzkleidung. Als es z.B. endlich genügend Tests gab, um eine Coronaerkrankung festzustellen, fehlten auf einmal die Labors, um die Tests auszuwerten.
Fehlende Testmöglichkeiten
Christoph Kollmeier arbeitet als Hausarzt in South Petherton in Somerset. Der gebürtige Kölner hat sich weit ab von London auf dem Land im englischen Südwesten niedergelassen. Der ganz große Sturm wie in London ging an Somerset vorbei, obwohl auch hier bisher immerhin 120 Tote zu beklagen sind, berichtet Kollmeier. Per Video schildert er dann, dass gerade am Anfang die fehlenden Testmöglichkeiten ihm als Arzt das Leben schwer gemacht hätten:
"Wir haben London gesehen und auch das Ausland natürlich. Wir hatten uns darauf vorbereitet, wie wir das angehen. Das Schwierigste war zu dem Zeitpunkt noch, das Testen zu arrangieren. Wir hatten ein paar von den Abstrichen in der Praxis, da konnten wir gottseidank einen Test machen. Der erste war in einem Altersheim. Der fiel dann positiv aus. Das war dann schon die große Sorge."
Kollmeier ist mit seinen Arbeitsbedingungen, die er hier auf dem Land im NHS vorgefunden hat, durchaus zufrieden. In der Coronakrise habe nie die Gefahr bestanden, dass es für Patienten in Somerset nicht ausreichend Betten oder Intensivplätze gibt. "Der NHS ist schon um einiges billiger als das deutsche Gesundheitssystem", sagt er jedoch. "Das muss man schon sagen. Die Ausgaben für das Gesundheitssystem sind wesentlich geringer hier in Großbritannien als in Deutschland. Da kriegt man nicht den gleichen Service wie in Deutschland. Da gibt es schon große Unterschiede."
Die höchste Todesrate in Europa
Wir reden darüber, dass es in Großbritannien jetzt die meisten Coronatoten in ganz Europa gibt. Christoph Kollmeier ist etwas unschlüssig. Ganz so vorschnell und bevor nicht alles aufgearbeitet ist, will er dafür der Politik aber nicht die Schuld geben.
"Viele meiner Kollegen fragen sich auch, warum haben wir eine so hohe Todesrate im Vergleich zu anderen Ländern?", erzählt er. "Man muss ganz ehrlich sagen, man weiß es nicht, und ob sich das nicht auch noch ändert. Wir sind ja noch nicht ganz durch. Wir müssen davon ausgehen, dass das Coronavirus noch etwas länger bei uns bleibt."
Kollmeier hofft, dass bei einer zweiten und dritten Welle Großbritannien vielleicht glimpflicher davonkommt als andere Länder. Aber man kann umgekehrt auch nicht ausschließen, dass nicht alles noch schlimmer kommt. Gerade weil Großbritannien mit dem Testen nicht nachkam, kann es etliche Todesfälle gegeben haben, die man nicht auf das Virus zurückführt und die nicht in der Statistik auftauchen.
Kollmeier hofft, dass bei einer zweiten und dritten Welle Großbritannien vielleicht glimpflicher davonkommt als andere Länder. Aber man kann umgekehrt auch nicht ausschließen, dass nicht alles noch schlimmer kommt. Gerade weil Großbritannien mit dem Testen nicht nachkam, kann es etliche Todesfälle gegeben haben, die man nicht auf das Virus zurückführt und die nicht in der Statistik auftauchen.
Ärmere Gegenden am schlimmsten betroffen
James Cavanagh, der Hausarzt in Hammersmith in London, hat eine andere Erklärung für die hohe Sterberate. Ihm fiel früh auf, dass überproportional viele der Patienten, die starben, Angehörige von Minderheiten sind: Inder, Pakistani, Einwanderer aus Bangladesch oder der Karibik. Ihr Anteil macht 16 Prozent der Bevölkerung aus, zeitweise aber stellten sie 39 Prozent der Opfer. Und diese Bevölkerungsgruppen kommen häufig aus dicht besiedelten, ärmeren Stadtteilen.
"In diesen benachteiligten Gegenden ist das Niveau der medizinischen Versorgung nicht auf dem höchsten Stand", sagt James Cavanagh. "Die Menschen, die dort leben, leiden eher unter den komplizierteren und schwereren Folgen einer Covid-Infektion. In den Sozialwohnungen geht es beengter zu. Mehrere Generationen einer Familie leben unter einem Dach.
All das gibt es häufiger in den Bevölkerungsgruppen, die zu den unteren Einkommensgruppen gehören. Wir sehen das an der Todesrate. Sie können es fast graphisch entlang der Höhe des Einkommens darstellen. Zwei Meilen nördlich von meiner Praxis gibt es einige der am meisten benachteiligten Stadtteile Europas. Niemand will da arbeiten."
Cavanagh meint North Kensington, wo sich 2017 eine schreckliche Brandkatastrophe in einem Hochhaus ereignete mit über 70 Toten. Cavanagh fürchtet noch eines: Viele Patienten, die z.B. herzkrank sind, gehen nicht mehr ins Krankenhaus. Sie haben Angst, sich dort anzustecken oder glauben, dass jetzt Covid-Kranke Vorrang haben. Herz- und Krebskranke könnten so vorzeitig sterben.
Cavanagh meint North Kensington, wo sich 2017 eine schreckliche Brandkatastrophe in einem Hochhaus ereignete mit über 70 Toten. Cavanagh fürchtet noch eines: Viele Patienten, die z.B. herzkrank sind, gehen nicht mehr ins Krankenhaus. Sie haben Angst, sich dort anzustecken oder glauben, dass jetzt Covid-Kranke Vorrang haben. Herz- und Krebskranke könnten so vorzeitig sterben.
Bewusste Lügen der Regierung?
"Order, order! Welcome to this afternoon‘s virtual session of the Foreign Affairs Committee."
Ortswechsel: Eine Sitzung des Auswärtigen Ausschusses im Unterhaus in Westminster. Die Mitglieder des Ausschusses und die Vertreter der Regierung sind online zugeschaltet. Eigentlich geht es darum, ob das Außenministerium genügend tut, um britische Staatsangehörige aus dem Ausland nach Hause zu fliegen, die dort wegen der Pandemie feststecken.
Aber dann geht es um die heimische Gesundheitspolitik. Die britische Regierung hat es aufgrund einer Kommunikationspanne versäumt, über ein EU-Programm dringend benötigte Beatmungsgeräte zu bestellen. Das war bis dahin die Darstellung der Regierung: Eine Email sei nicht angekommen. Dieser Grund wird jetzt von Simon McDonald, dem ranghöchsten Staatssekretär im Foreign Office, als glattweg falsch bezeichnet.
Er sagt: "Das war eine politische Entscheidung. Unsere diplomatische Vertretung in Brüssel hatte die Minister darüber informiert, was im Angebot war. Alles was ich sagen kann: Es ist eine Tatsache, dass wir nicht an dem Programm teilgenommen haben."
Nur Stunden später widerruft der Staatssekretär schriftlich seine Aussage. Nicht am EU-Beschaffungsprogramm für medizinische Geräte teilzunehmen, sei doch kein Vorsatz gewesen. Wurde McDonald zu dem Rückzieher gezwungen? Der Verdacht bleibt, dass die Regierung aus ideologischen Gründen das Hilfsangebot der EU abgelehnt hat.
Hardliner fordern trotz Corona schnellen Brexit
Professor Anand Menon ist Europaexperte und lehrt am King`s College in London. Die Episode werfe ein Schlaglicht darauf, dass die Regierung auf einen harten Brexit-Kurs umgeschaltet habe. Boris Johnson nehme Rücksicht auf die Ultras in seiner Fraktion.
"Es gibt eine interessante Koalition von Hinterbänklern in der konservativen Fraktion, die zufällig aus den härtesten der harten Brexiteers besteht", erklärt er. "Sie sind es, die jetzt ein sehr schnelles Ende des Lockdowns fordern. Die Regierung weigert sich, die Übergangsperiode im Verhältnis zur EU zu verlängern. Das ist offenbar die Kompensation dafür, dass Boris Johnson den Lockdown doch länger aufrechterhalten will."
Der Brexit, der jahrelang alles im Vereinigten Königreich dominierte, ist aus der öffentlichen Debatte fast völlig verschwunden. Die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hat jetzt andere Sorgen. Aber hinter den Kulissen bildet sich eine "pressure group", die Johnson unter Druck zu setzen versucht – beim Lockdown wie beim Brexit. In Brüssel glaube man, dass London sich von einem Kompromiss im Moment eher entfernt.
"Ich kann nicht genug betonen, wie irritiert die EU über die Art und Weise ist, wie Großbritannien die Verhandlungen führt", sagt Menon. "Es gibt Leute in Brüssel, die sagen, Großbritannien führt die Gespräche nicht mehr guten Glaubens. Sie nehmen ihre Verpflichtungen nicht ernst."
Gemeinsames Trommeln für die Helfer
Auf eines können sich praktisch alle Britinnen und Briten im Moment verständigen: Auf den NHS, das nationale Gesundheitswesen. Er ist Leuchtturm und Fixstern in einem. Jeden Donnerstagabend um Punkt 20 Uhr treten Millionen Briten vor ihre Haustür, teilweise bewaffnet mit Kochtöpfen und Löffeln, um Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften im NHS zu applaudieren.
Der NHS wird von allen Seiten gefeiert, die Fernsehsender schalten live durch alle Regionen. Man will zusammenkommen, nachdem der Brexit die britische Gesellschaft so tief gespalten hat. Ein 100 Jahre alter Kriegsveteran, Captain Tom Moore, hat eine Spendenaktion für den NHS gestartet, einen rührend anmutenden Sponsorenlauf mit dem Rollator in seinem Garten. Über 30 Millionen Pfund kamen schon zusammen. All diese Aktionen seien wichtig für die kollektive Psyche des Landes, aber unpolitisch, meint Hausarzt James Cavanagh.
"Captain Tom ist eine Chiffre für den Wunsch der Menschen, etwas zu tun", sagt er. "Aber es hat nichts mit Politik zu tun. Es steht symbolisch für das Verlangen der Gesellschaft, etwas zu geben. Aber es ist nicht politisch."
Wirre Aussagen zu Lockerungen
Pressekonferenz im Amtssitz des Premierministers. Boris Johnson verkündet seinen Fünf-Stufen-Plan, wie er das Land aus dem Lockdown herausführen will. Es herrscht Konfusion: Darf man denn jetzt im Park z.B. mit seinen Eltern spazieren gehen?
Wenn man jemand sehen will, dann geht das nur eins zu eins. Man darf nur eine Person treffen, also in diesem Fall Vater oder Mutter. Keine Spur ist mehr bei Boris Johnson übriggeblieben, dass er die Pandemie nicht ernst genug nimmt. Er enttäuscht damit manche Hoffnungen auf weitergehende Lockerungen. "Stay alert", seid wachsam, heißt es jetzt etwas vage statt "stay at home", bleibt zuhause. Die Geduld der Briten beginnt so ganz langsam nachzulassen, bemerkt der Arzt Christoph Kollmeier in Somerset.
"Wir haben ein bisschen mehr Glück auf dem Land", sagt Kollmeier. "Wir sind natürlich ein bisschen auseinander. Leider, sag ich. Im Moment wird das etwas durchlässiger. Die Leute fahren auch schon mal herum und gehen schon mal weiter raus, wo das nicht das Wichtigste oder Essentielle ist. Aber nach so und so viel Wochen des Lockdowns ist das, glaube ich, zu erwarten, dass Leute etwas müde werden."
Großbritannien bleibt also bis auf weiteres mehr oder weniger noch im Lockdown. Ein Lockdown, der zig Milliarden kostet und dessen Härte und Dauer jetzt größer und länger ausfallen, als es vielleicht notwendig gewesen wäre.
Verärgerte Schotten: Lieber zu Hause bleiben!
Mit seinen widersprüchlichen Aussagen zu Lockerungen sowie dem neuen Slogan "Stay alert" hat Boris Johnson aber nicht nur für Verwirrung, sondern auch für Ärger in den übrigen Landesteilen gesorgt: Nicola Sturgeon war "not amused" – Schottlands First Minister war alles andere als glücklich über das Vorpreschen Londons, von dem sie aus der Sonntagszeitung erfuhr.
"Ich habe die britische Regierung gebeten, ihre ´Bleib wachsam` Werbekampagne nicht in Schottland durchzuführen, weil unsere Botschaft in Schottland lautet nicht: Bleib zu Hause, wenn Du kannst, sondern ´Bleib zu Hause`!", sagte sie in einem Interview.
Gesundheitspolitik ist in Großbritannien eine Angelegenheit der jeweiligen Nationen. Bislang haben England, Nordirland, Wales und Schottland bei der Corona Bekämpfung auch weitgehend an einem Strang gezogen. So billigte Schottland auch im Rahmen seiner Zuständigkeit die Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes zu Beginn der Pandemie. Auch die mittlerweile umstrittene Regelung ab 23. März mit der Verhängung von Kontaktsperren quasi keine Tests mehr durchzuführen hatte Schottland mitgetragen.
Sonderweg wegen höherer Infektionsraten
Seit letztem Sonntag schlägt Schottland einen etwas anderen Weg ein. Selbst die sehr vorsichtigen Lockerungsmaßnahmen Londons gehen ihr noch zu weit.
Begründet hat Nicola Sturgeon die Haltung ihrer Regierung mit höheren Infektionsraten als im Süden. Das Coronavirus hat Schottland später erreicht.
Deshalb bleiben die harten Ausgangsbeschränkungen in Kraft. Wege zum Supermarkt, in die Apotheke und – das ist jetzt neu – auch sportliche Aktivität mehrmals am Tag sind erlaubt, aber anders als in England darf ab Mitte der Woche in Schottland kein Golf oder Tennis zu zweit gespielt werden.
Die Arbeiter etwa der Baubranche werden auch nicht aufgefordert, möglichst doch an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. Und Sonnenbaden dürfen die Schotten im Gegensatz zu den Menschen in England und Wales auch nicht – sollte es das Wetter überhaupt zulassen.
Corona wütet besonders in Alters- und Pflegeheimen
Pro Tag sterben im Schnitt in Schottland noch immer mehr als 40 Menschen an Covid 19. Knapp 2000 positiv auf Corona getestete Personen sind verstorben. Mangels ausreichender Tests geht man jedoch von einer weit höheren Zahl an Opfern aus. Nach offiziellen Angaben gibt es rund 14.000 Infizierte, inoffiziell geht man ebenfalls von weit mehr Personen mit dem Coronavirus aus. Besonders und stärker betroffen als in England sind Alters- und Pflegeheime. Mehr Tests und so gut wie keine Lockerung der Kontaktsperre.
Damit geht Schottland nun einen vorsichtigeren Weg, glaubt der BBC-Journalist Andreas Wolff: "Bisher waren die Unterschiede sehr marginal und beschränkten sich beispielsweise auf Aspekte der Wirtschaftsförderung. Da gab es beispielsweise eine kleine Differenz in der Bemessungsgrundlage bei der Entschädigung für die Anbieter von Ferienwohnungen."
Wirtschaftsförderung und Gesundheitspolitik gehören zu den Kompetenzen der schottischen Regierung. In vielen anderen Bereichen sind der Regionalregierung de facto jedoch die Hände gebunden. So fallen natürlich Einreisebestimmungen und die großen Hilfsgelder für Unternehmen auch und vor allem für die in Schottland so wichtigen Öl- und Gasindustrie vornehmlich in die Kompetenz der britischen Regierung.
Politik der Profilierung?
"Ich habe nicht die Vollmacht die Grenzen zu schließen, aber das sind Fragen, die wir weiterhin mit der britischen Regierung besprechen wollen. Wenn die britische Regierung allerdings vorschnell den Ausstieg aus dem Lockdown beschließen sollte, dann würde ich dafür sorgen, dass Schottland das Nötige tut, um seine Bevölkerung zu schützen." Das hatte die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon vor neun Tagen in einem BBC-Interview gesagt und jetzt ihre Ankündigung wahr gemacht, jedoch gleichzeitig betont:
"Ich bin weiterhin zur engst möglichen Kooperation und Abstimmung bereit. Die Politik rückt für mich in den Hintergrund, wenn es um den Kampf gegen dieses Virus geht."
Wirklich? Als Krisenmanagerin kann sich Sturgeon profilieren, auch und gerade wenn sie andere Akzente als Boris Johnson in London setzt.
Bryan Keeley lebt mit einem transplantierten Herzen und gehört somit zur Gruppe der Hochrisikopersonen. Er lobt die Schottlands Regierungschefin: "Nicola Sturgeon hat schon am 23. April ein Dokument zur Lockdown-Exitstrategie veröffentlicht. Das war lang bevor, die Westminster Regierung etwas gemacht hat. Sie hat auch empfohlen in Geschäften oder wo man andere Leute trifft eine Maske zu tragen, um sich und andere zu schützen. Das ist kein Gesetz, aber mehr als in England empfohlen wird."
Nicola Sturgeon und die SNP sprechen zwar nicht mehr davon, noch in diesem Jahr ein zweites Unabhängigkeitsreferendum abzuhalten. Ad acta gelegt ist sind die Überlegungen jedoch nicht – schließlich wird im nächsten Jahr ein neues Regionalparlament gewählt. BBC-Reporter Andreas Wolff schätzt schon mal die Chancen ab: "Einer Umfrage zufolge würden zum jetzigen Zeitpunkt 54 Prozent der Schottischen Nationalpartei ihre Stimme geben. Ihr bisher bestes Ergebnis lag bei 45 Prozent in 2011. Viele sähen darin ein Mandat für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum, aber das ist nur eine Umfrage und bis zur Wahl kann sich das Bild auch noch mehrfach ändern."