Cordt Schnibben, David Schraven (Hg.): Corona. Geschichte eines angekündigten Sterbens
dtv 2020, 368 Seiten, 18,90 Euro
Die Pandemie aus der Sicht des Virus
10:47 Minuten
18 Journalisten widmen sich in Sachen Covid-19 den Fehlern der Vergangenheit, blicken aber auch darauf, wie der Umgang mit der Pandemie aussehen könnte. Das Buch "Corona – Geschichte eines angekündigten Sterbens" soll als Leitfaden dienen.
Für ihr Buch "Corona. Geschichte eines angekündigten Sterbens" haben sich 18 Journalisten in das Virus hineinversetzt, sagt der Mitherausgeber Cordt Schnibben. Leitmotiv für die Recherchen sei das Zitat des verstorbenen Nobelpreisträgers Joshua Lederberg gewesen: "Viren sind unsere einzigen Rivalen um die Herrschaft auf diesem Planeten."
Wenn man sich das vergegenwärtige, entwickle sich daraus eine besondere Dramaturgie, sagt der frühere Spiegel-Reporter. "Das heißt, wir haben die Welt betrachtet aus der Sicht des Virus und haben geguckt, wo macht der Mensch diesem Virus das zu einfach und wo handelt er richtig." Deshalb sei das Buch ein Leitfaden, wie man mit dem Coronavirus umgehen müsse und wie man sich in Zukunft darauf einstellen müsse, dass man von Pandemien heimgesucht werde.
Recherchierte Fehlersuche
"Die Leistung des Buches ist die Recherche", sagt Schnibben. Die Autoren und Autorinnen seien der Frage nachgegangen, was eigentlich schiefgelaufen und was daraus zu lernen sei. Eigentlich hätte schon ab 2002/2003 der Menschheit klar sein müssen, dass ein nächstes Virus zu erwarten sei. "Da haben sich einige Länder gut darauf eingestellt und die Bundesrepublik leider nicht sehr gut", urteilt der Journalist. Es habe zwar Pandemiepläne gegeben, aber man habe die Gesundheitsämter in den vergangenen Jahren dramatisch zusammengespart. Dabei seien sie die eigentlichen Zentralstellen, um Infektionsketten verfolgen zu können.
Außerdem habe es in der Bundesregierung zunächst eine fahrlässige Haltung gegenüber dem Virus gegeben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn habe zu Anfang gesagt, Corona sei nicht schlimmer als die Grippe. Auch die Bedeutung der Masken sei zunächst heruntergespielt worden. "Heute wissen wir, das wurde gemacht, weil man keine Masken hatte", so Schnibben. Es habe in Deutschland zu wenige Masken gegeben und deshalb habe man den Leuten erzählt, Masken brächten nichts. Das habe dazu geführt, dass viele Leute bis heute daran glaubten.
Nachdem es in Deutschland dann dennoch ganz gut gelaufen sei, habe man nicht darüber nachgedacht, welche Gefahren mit der Rückkehr aus dem Urlaub und mit der Wiedereröffnung der Schulen verbunden seien, kritisiert Schnibben. "Hier herrscht immer noch irgendwie die Haltung, irgendwie wird es schon werden."
Umgang mit dem "Corona-Prekariat"
Zu dem wachsenden Widerstand gegen die Maßnahmen der Bundesreghierung sagt der Journalist, es gebe inzwischen so etwas wie ein "Corona-Prekariat". Das seien Leute, die durch die Coronamaßnahmen existentiell bedroht seien. Er halte diese zwar für richtig, aber die Pandemie habe nicht nur eine medizinische Seite, sondern auch soziale Folgen.
Deshalb müsse man sich stärker mit den Ängsten und Nöten der Leute beschäftigen, die möglicherweise nicht medizinisch bedroht seien, aber sozial und wirtschaftlich. Wenn man das nicht tue, nehme man in Kauf, dass da eine "komische Menge" von Coronagegnern entstehe, die ganz unterschiedliche Motive hätten. In einer aktualisierten Fassung des Buches werde sich noch ein zusätzliches Kapitel diesem Thema stärker widmen und der Frage, wie wir mit der Pandemie leben, so Schnibben.
(gem)