Corona und die Spätfolgen - Genesen, aber nicht gesund
Darüber diskutiert Katrin Heise heute von 9:05 bis 11 Uhr mit der Covid-Patientin Birgit Birner und der Ärztin Jördis Frommhold. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de. Besuchen Sie uns auch auf Facebook, Instagram und Twitter!
Genesen, aber nicht gesund
81:40 Minuten
Statistisch gelten sie als genesen. Doch viele Corona-Patientinnen und -Patienten klagen noch Monate nach der akuten Phase über Erschöpfung, Atem- und Bewegungsprobleme. Was können Betroffene tun? Was wissen wir mittlerweile über die Krankheit?
Ende Januar 2020 tauchte in Bayern der erste Corona-Patient in Deutschland auf. Ein Jahr später verzeichnet das Robert Koch-Institut hierzulande über 2,1 Millionen Infizierte; mehr als 50.000 Menschen sind an oder mit dem Virus verstorben. Als genesen gelten rund 1,8 Millionen Menschen. Das heißt aber nicht, dass sie die Krankheit überstanden haben und gesund sind. Auch Monate nach der akuten Phase klagen Betroffene über stark einschränkende Spätfolgen. Es gibt mittlerweile das Krankheitsbild der Long-Covid-Erkrankung.
Mehr Verständnis für Langzeit-Erkrankte notwendig
"Ich bin nicht mehr die, die ich vorher war", sagt Birgit Birner. Die 46-Jährige hat im April 2020 zunächst einen vergleichsweise leichten Covid-Verlauf, wird zu Hause von ihrem Hausarzt versorgt. Nach der akuten Infektion wähnt sie sich wieder arbeitsfähig. Ein Trugschluss. Es zeigen sich schnell Grenzen. "Ich hatte zwar kein Fieber mehr, aber ich war total kaputt."
Der Reizhusten bleibt. Als ihr nach Wochen die Haare ausfallen und sie Hautprobleme bekommt, führt sie das zunächst nicht auf Covid zurück. Auch die Erschöpfung hält an. Sie wird erneut krankgeschrieben, geht in Reha. Bis heute sind ihre Lungenwerte genauso schlecht wie in der Akutphase.
Dass sie damit nicht allein ist, erfährt Birgit Birner in einer Online-Selbsthilfegruppe für Long-Covid-Patientinnen und -Patienten. Ihr Wunsch: Mehr Verständnis und mehr Unterstützung, auch seitens der Politik. "Man muss die Langzeit-Erkrankten unterstützen. Wir brauchen mehr Akzeptanz dieser Langzeitfolgen."
Starke psychische Belastung
"Ich nenne meine Patienten kranke Genesene", sagt Jördis Frommhold, Chefärztin der Abteilung für Atemwegserkrankungen und Allergien an der Median Klinik Heiligendamm. In ihrer Reha-Klinik werden unter anderem Long-Covid-Patientinnen und -Patienten behandelt. "Alle Patienten, die ich hier hatte, die sind nicht genesen, die sind weiter krank. Sie sind vielleicht virusfrei und nicht mehr infektiös, aber sie sind in keinerlei Weise gesund."
Die Bandbreite der Symptome sei groß: "Viele berichten über Konzentrationsstörungen, Wortfindungsstörungen. Sie sind sehr vergesslich. Das kann manchmal in Richtung demenzielle Vergesslichkeit gehen. Dann aber auch Gang-Unsicherheiten, Probleme in der Feinmotorik."
Eine konkrete Risikogruppe für etwaige Spätfolgen könne man nicht ausmachen, so die Ärztin. Es könne den fitten Sportler genauso treffen wie die 80-Jährige. "Und vor allem: Der Schweregrad der akuten Erkrankung lässt überhaupt nicht auf die weitere Rekonvaleszenz-Zeit schließen." Besonders Jüngere seien durch die Langzeitfolgen psychisch belastet: "Sie kommen aus einem gesunden Leben, waren nie krank und fallen dann in ein tiefes Loch. Da entstehen Zukunftsängste, Depressionen." Zu der Behandlung gehören daher in ihrer Klinik nicht nur eine spezielle Atem-, sondern auch eine Gesprächstherapie.
(sus)