Keine Hintertüren und solide gebaut
04:46 Minuten
Die Corona-Warn-App geht in Betrieb. Die Bundesregierung hält sie für ein wichtiges Mittel im Kampf gegen die Pandemie. Bei der Entwicklung der App wurde Wert auf möglichst viel Transparenz gelegt. Ein Besuch bei den Machern.
Irgendwo unter grünen Baumwipfeln im Norden des Schwarzwaldes liegt das Refugium des Mathematikers und Software-Entwicklers Martin Fassunge. Hier hat der Computerexperte in den letzten Tagen in seinem Caravan unter Hochdruck an seinem derzeit wichtigsten Projekt getüftelt: der Corona-Warn-App.
"Von dort aus arbeite ich, genau. Ich habe eine wunderbare Antenne in den Caravan gelegt, so dass das LTE ordentlich verstärkt wird. Von morgens halb acht bis abends um elf. Funktioniert alles bestens."
Tägliche Absprachen mit der Bundesregierung, die Überwachung der Security-Abnahmen, zahlreiche Testläufe bis zur Veröffentlichung heute. Über sechs Wochen intensive Arbeit hat der Projektleiter des Software-Giganten SAP nun hinter sich gebracht. Und es geht weiter für Martin Fassunge: Denn jetzt muss die Praxis zeigen, ob alles zusammenpasst. Zwar sei das Tool keine Wunderwaffe, aber doch ein ganz elementarer Baustein im Kampf gegen das Virus, erklärt Martin Fassunge:
Effizienter als das Gesundheitsamt
"Das ist ein Element, um eine Pandemie vernünftig in den Griff zu kriegen und ins normale Leben zurückzukommen. Es ist mit Sicherheit so, dass Mundschutz sehr wichtig ist. Aber wir gehen davon aus, sollte es zu einer zweiten Welle kommen, dann ist das Verfolgen von Infektionsketten wichtig! Und auf diese Art und Weise können Sie das ja viel effizienter machen, als ein Mitarbeiter im Gesundheitsamt das machen kann. Wenn Sie heute einkaufen gehen, wie wollen Sie herausfinden, mit wem Sie in der Schlange standen?"
Sind Warn-App und Kurzstreckenfunk "Bluetooth" auf dem Smartphone scharfgestellt, lassen sich Kontakte mit Infizierten etwa in der Straßenbahn, bei Demonstrationen oder nach einem Parkbesuch später nachvollziehen.
Stehen Menschen über einen längeren Zeitraum nebeneinander, vernetzen sich deren Handys - tauschen lange, im Minutentakt neu erstellte Zahlenreihen aus. Ort und Person bleiben bei dem Prozess verschleiert, die Speicherung der Daten erfolgt dezentral.
Für den Heidelberger Studenten Robert Jakobs ein probates Mittel, um Missbrauch zu verhindern. Der angehende ITler hat bei der Entwicklung der App mitgetüftelt, so wie über 60.000 andere Computer-Spezialisten in Deutschland. Möglich war das, nachdem Berlin die entscheidenden Programmierdaten auf der Entwicklerplattform "Git-Hub" hatte veröffentlichen lassen. Ein sinnvoller Schritt, urteilt Robert Jakobs:
"Gerade für so eine App, die eine so große Reichweite hat. In diesem Fall ist sie ja an ganz Deutschland adressiert, und dann ist es natürlich umso besser, wenn der ganze Quellcode einsehbar ist. Das verhindert, dass Falschinformationen herauskommen, das ermöglicht, dass andere daran mitarbeiten können, und natürlich auch diskutieren können, Fragen stellen können, Verbesserungen einbringen können."
Hitzige Debatten über den Datenschutz
Der 22-Jährige hat die Foren auf der Entwickler-Plattform genauestens verfolgt. Vor allem Fragen rund um den Datenschutz hätten hitzige Debatten in der Entwickler-Community ausgelöst, berichtet Jakobs. Dennoch glaubt der Student fest an den Erfolg der App:
"Ich denke, es wird ein großer Erfolg. Gerade aus unserer Sicht! Wir haben die Expertise, um auch in den Quellcode hereinzuschauen, und dann ist man natürlich umso interessierter, wie sieht das hinten aus, wie funktioniert das? Werden datenschutzrechtliche Probleme aufkommen? Und in diesem Fall können wir ganz klar sagen: Da wird es keine Probleme geben! Es baut alles auf Industriestandards auf, wir können beruhigt sein, wir können die App auch selber installieren, weil wir eben wissen, wie sie funktioniert."
Keine Hintertüren, solide gebaut! Zu diesem Ergebnis kommen auch unabhängige Fachleute aus der IT-Branche. So hält der TÜV die Anwendung für stabil und sicher, und auch Datenschutzexperten wie Stefan Brink aus Baden-Württemberg geben grünes Licht:
"Wir sind als Datenschützer eigentlich sehr zufrieden mit dem, was die App jetzt bietet. Sie ist datenschutzfreundlich eingestellt, wer sie nutzt, muss keine Angst davor haben, das Dritte sich diese Daten besorgen und gegen die Nutzer verwenden. Es ist immer die Frage, ob man persönliche Daten preisgeben möchte, aber in dem Kontext mit der Corona-App kann man das, glaube ich, ganz gut empfehlen."
Nur ein Gesetz fehlt
Einziger Kritikpunkt: Der Landesdatenschutzbeauftragte empfiehlt ein Begleitgesetz, so wie es auch Linke und Grüne im Bundestag gefordert haben. Um die Freiwilligkeit juristisch abzusichern. Und die Bürger? Auf der Straße ist man sind geteilter Meinung:
"Das würde ich runterladen, ja! Wenn es anderen helfen kann, auch mir helfen kann, warum nicht?"
"Ich wohne in Bayern, dementsprechend ist das Thema bei uns auch brisanter. Also ich würde es tatsächlich schon machen."
"Das muss jeder für sich selber entscheiden. Ich werde sie mir nicht runterladen, ich werde sie nicht benutzen. Ich habe einfach die Angst – diese Vernetzerei mit noch einer App - wo man genau weiß, wer mit wem - gefällt mir nicht!"
"Ich wohne in Bayern, dementsprechend ist das Thema bei uns auch brisanter. Also ich würde es tatsächlich schon machen."
"Das muss jeder für sich selber entscheiden. Ich werde sie mir nicht runterladen, ich werde sie nicht benutzen. Ich habe einfach die Angst – diese Vernetzerei mit noch einer App - wo man genau weiß, wer mit wem - gefällt mir nicht!"