Corona weltweit: Libanon

Die Revolution fortführen − sobald die Infektionszahlen sinken

04:40 Minuten
Eine Gruppe von jungen Schülern schaut in die Kamera, einige tragen Atemschutzmasken. Ein Junge im Hintergrund zeigt das Victory-Zeichen.
Kinder in Beirut © gettyimages / Anadolu Afency / Hussam Chbaro
Von Anne Françoise Weber |
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Nur noch jeden zweiten Tag darf Taxifahrer Fadi Abi Azar im Libanon wegen der Corona-Auflagen arbeiten. Er freut sich über mehr Zeit mit der Familie und er ärgert sich über alle, die keine Masken tragen. Und er erzählt von Protesten, die wegen Corona eine Pause machen.
Guten Tag,
mein Name ist Fadi Abi Azar. Ich komme aus dem Libanon. Wie alle leiden wir hier unter Covid-19. Wir bleiben alle zuhause. Ich arbeite als Taxifahrer. Hier im Libanon dürfen jetzt die Taxis mit ungeraden Nummern montags, mittwochs und freitags fahren, die mit geraden Nummern dienstags, donnerstags und samstags.

Arbeit? - Nur noch jeden zweiten Tag.

Einer der Vorteile des Corona-Virus ist, dass wir nur jeden zweiten Tag arbeiten. Ich verbringe nicht mehr mein ganzes Leben bei der Arbeit. Wenn ich nicht arbeite, verbringe ich zuhause Zeit mit meiner Familie und gehe einkaufen. Ich bin der einzige, der rausgeht. Meine Frau und die Kinder bleiben daheim. Dieser Arbeitsrhythmus könnte auch nach Corona so bleiben, so organisiert man sich besser.

Die Maske muss zwei Tage halten

Wir haben hier ein echtes Problem: Viele Leute tun so, als ob es kein Corona gäbe. Sie tragen keine Masken. Ich kaufe jeden zweiten Tag eine Maske für 10.000 Lira, umgerechnet sechs Euro. Ich trage sie zwei Tage, denn jeden Tag kann ich das nicht ausgeben. Dazu kommen noch das Handgel und das Desinfektionsmittel, das ich immer im Auto habe. Jetzt muss ich hier anhalten und eine Maske kaufen, denn für die Arbeit morgen brauche ich eine neue.

Den Einkaufswagen desinfizieren

Hier wird meine Temperatur gemessen – alles ok, Gottseidank, jetzt komme ich in den Supermarkt rein. Ach, die Einkaufswagen werden nicht mehr desinfiziert? Na, wenigstens gibt es Desinfektionsmittel, dann muss man es eben selbst machen.
Mit meiner Tochter war ich täglich auf Demos. Viele Leute haben bei der Revolution seit dem Herbst mitgemacht; sie haben 'was kapiert, sie schweigen nicht länger. Die Politiker bestehlen uns. Früher war ein Dollar 1500 libanesische Lira wert, heute sind es 4500. Alles wird teurer. Wegen Corona demonstrieren zurzeit nur ganz wenige Leute, und sie werden von den Sicherheitskräften verfolgt. Aber sobald die Infektionszahlen sinken, werden die Menschen wieder auf die Straße gehen. Sie werden immer ärmer, sie haben Hunger, sie verhungern. So Gott will, werden wir diese Revolution fortführen und umsetzen, was wir wollen.

Den ganze Tag Ärger und Sorgen

Guten Morgen, heute bin ich dran mit arbeiten. Gestern gab es hohe Infektionszahlen. Man macht sich schon Sorgen. Hoffentlich geht alles gut. Ehrlich gesagt, würde ich wegen meiner kleinen Kinder lieber zuhause bleiben, aber die wirtschaftliche Situation lässt es nicht zu. Ich muss arbeiten und dieses Risiko eingehen.
Es ist nicht viel los, seit anderthalb Stunden warte ich auf einen Auftrag. Aber jetzt bin ich dran.
Ich warte auf die Kundin. Wenn sie keine Maske trägt, erlaube ich nicht, dass sie einsteigt. Doch, sie hat eine, alles in Ordnung.
Während der Fahrt habe ich die Klimaanlage angeschaltet. Auf halber Strecke hat die Kundin angefangen zu husten. Ich musste die Klimaanlage ausschalten und die Fenster öffnen. Ich hatte Angst vor Ansteckung, auch wenn sie eine Maske trug. So hat man den ganzen Tag Ärger und Sorgen wegen Corona.
Aufgezeichnet von Anne Françoise Weber
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