Ein Präsident und sein Coronawitz
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Weißrusslands Präsident Lukaschenko spielt in der Coronakrise den starken Mann: Quarantäne mussten sich die Bürger selbst auferlegen. Doch dieses Gebaren lässt vor der Wahl die Zustimmung sinken. Es zeichnet sich ab: Das Volk will den Wandel.
Weißrusslands Präsident schlug als Mittel gegen eine Corona-Erkrankung Wodka-Trinken, Sauna und Traktorfahren vor. Diesen angeblichen Witz nahmen ihm seine Landsleute übel. Bei der bevorstehenden Präsidentschaftswahl am 9. August haben deswegen Gegenkandidaten, die die Pandemie ernster nehmen als der Präsident, erstmals großen Zulauf.
"Ich bin Elena, ich wohne in Minsk und arbeite schon eine ganze Weile als Journalistin, aber meinen Nachnamen möchte ich lieber nicht nennen. Die Sirenen hört man zurzeit immerzu auf den Straßen. Das ist neu. Die Notambulanzen sind anscheinend pausenlos im Einsatz.
In Weißrussland wurde seit dem Ende der Sowjetunion kein Krankenhaus geschlossen, kein Arzt entlassen, somit haben wir eine große Zahl von Krankenhausbetten und Ärzten, die allerdings schlecht bezahlt werden. Angeblich gibt es auch relativ viele Beatmungsgeräte, mehr als in Russland oder in der Ukraine. Aber seit April kommen Meldungen, dass nur wenige Patienten, die beatmet wurden, überlebt haben.
Dass die Lage nicht eskaliert ist, ist den Bürgern zu verdanken. Die haben sich im März in die sogenannte Selbstisolation begeben. Der Staat hat kein Geld, um eine Quarantäne zu finanzieren. Die Bürger werden im Staatsfernsehen einseitig informiert. Gezeigt wird, welche wirtschaftlichen Probleme im Ausland wegen der Quarantäne entstehen."
Lukaschenkos Macht schwindet
Am 9. August sollen in Weißrussland Präsidentschaftswahlen stattfinden, bei denen sich der über 25 Jahre herrschende Alexander Lukaschenko eine weitere Amtszeit sichern möchte. Seine Macht erodiert, denn dass der 65-Jährige Covid-19 nicht ernst nahm, keine Schutzmaßnahmen verfügte und die Wirtschaft im Regen stehen ließ, bot seinen Kritikern Angriffsflächen.
"Einen solchen Wahlkampf wie diesen gab es noch nie in Weißrussland", sagt Elena. "Auf den Straßen sind Tische aufgestellt, an denen die Freiwilligen sitzen, die bei der Unterschriftensammlung helfen. Zum ersten Mal gehen Massen von Menschen dorthin. Es gibt riesige Schlangen. Nicht nur in Minsk, auch in den Bezirksstädten und kleineren Orten. Die Regierenden nennen das 'nicht genehmigte Aktionen'. Zum ersten Mal stellen sich die Leute auf der Straße in langen Schlangen an, damit sich Gegenkandidaten registrieren können. Ich glaube, wie sehr viele bei uns, dass die Art, wie die Regierung mit der Coronakrise umgegangen ist, zu dieser Unzufriedenheit geführt hat."
Unüberwindbare Hürde für Gegenkandidaten
Sergej Tichanowski, der einen sehr populären Videokanal betreibt, wurde verhaftet. Bei Viktor Babariko, einem anderen aussichtsreichen Gegenkandidaten, fand eine von Lukaschenko angeordnete Razzia statt. Denn Babariko ist ein angesehener Bank-Chef, den der Autokrat mit Geldwäsche- und Korruption-Vorwürfen auszuschalten versucht.
"Sehr viele Leute wurden festgenommen", sagt Elena. "Lukaschenko hat schon einige Male seinen Herausforderern gedroht. Er nennt die Unterschriftensammlungen, die jeder Kandidat braucht, 'Demonstrationen'. Das übersteigt den gesunden Menschenverstand. Auf der einen Seite braucht jemand 100.000 Unterschriften, um kandidieren zu können. Und das bei neun Millionen Einwohnern. Das dürfe eine kaum überwindbare Hürde sein. Wenn man vergleicht: In Russland sind es genauso viele, bei 140 Millionen Russen. Das ist eine Falle, die für die Regierung selbst zum Verhängnis werden könnte. Aus allem, was Lukaschenko sagt, wird klar, dass jeder, der gegen ihn antritt, als Gegner betrachtet wird, als Agent, vor allem als ausländischer Agent bezeichnet wird. Er kann sich einfach nicht an den Gedanken gewöhnen, dass jemand mit ihm ernsthaft um den Präsidentenposten konkurriert. Er lässt nur schwache Gegner zu oder – wie sie auch oft genannt werden – Klone."