Wie kann eine gerechte Verteilung von Steuergeldern gelingen?
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Das Prestigeprojekt der SPD, die Grundrente, wackelt. Etliche CDU-Politiker finden: Wir können uns das wegen Corona nicht leisten. Dass das Projekt wieder infrage gestellt wird, schade dem Ansehen der Politik, sagt Politologe Thorsten Faas.
Es hat lange gedauert, bis sich CDU und SPD auf das genaue Konzept bei Grundrente geeinigt hatten. Nun wird der Kompromiss wieder von CDU-Seite infrage gestellt. Es mehren sich die Stimmen, die sagen: Wir können uns die Grundrente nicht leisten, wegen der Coronahilfen, die der Staat übernehmen muss.
Man merke, "dass die Coronakrise ein Katalysator ist", der die Parteien dazu bringe, Themen, die ihnen am Herzen liegen, noch einmal neu zu bewerten, sagt Politikwissenschaftler Thorsten Faas angesichts der Debatte. "Aber die Argumente, das sind oftmals die gleichen, die wir schon gehört haben."
Grundrente: ein wichtiges Symbol für die SPD
Das Prestigeprojekt der SPD wackelt also. Entsprechend empört gab sich Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bei der ersten Lesung des Gesetzes: Die Wirtschaftshilfen in der Coronakrise seien zwar richtig, um Arbeitsplätze zu sichern, entgegnete er. "Aber dieselben Interessenvertreter, die keine Grenze kennen, Milliarden vom Steuerzahler zu wollen, gönnen anderen die Grundrente nicht." Die Frage sei, welches "verheerende gesellschaftliche Signal" in dieser Situation davon ausgehe, die Grundrente infrage zu stellen.
Für die SPD ist die Verabschiedung des Gesetzes entscheidend. Schließlich sei die Grundrente das Symbol des neu entwickelten Sozialstaatskonzepts der Sozialdemokraten, sagt Faas.
Erneute Debatte schadet dem Ansehen der Politik
Um Anspruch auf die Grundrente zu haben, müssen Verbraucher 33 Jahre lang Beiträge in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt haben. Und: Es wird keine Einkommensprüfung vorgenommen. Ein wichtiger Punkt für die SPD, meint Faas. Denn mit der Einführung von Hartz IV wurden die Bedürftigen gezwungen, ihre Finanzen offen zu legen. Viele Wähler hätten sich deswegen von der SPD abgewandt. Bei der Grundrente möchte die Partei deswegen bewusst einen anderen Weg gehen – und den Erhalt der Rente nur von der Lebensleistung abhängig machen.
Dass nach dem langen Hin und Her, bis ein Kompromiss in Sachen Grundrente gefunden wurde, nun erneut debattiert wird – das sei für das Ansehen der Politik generell nicht günstig, betont Fass. Auch in der Coronakrise. "Natürlich kann man sagen: Das ist so ein tiefer Einschnitt. Man muss alles infrage stellen." Er würde sich diesbezüglich aber eher der Argumentation Hubertus Heils (SPD) anschließen und dem entgegnen: Es werde derzeit so viel an Coronahilfen ausgegeben. Warum sollen ausgerechnet die potenziellen Bezieher der Grundrente leer ausgehen?
Bisher keine gesellschaftliche Gerechtigkeitsdebatte
Dass das politische Tauziehen auch zu einer großen gesellschaftspolitischen Debatte über die Verteilung von Steuergeldern führt, glaubt Faas nicht – vorerst jedenfalls. Denn bisher seien noch nicht allzu viele von der Krise wirklich direkt hart betroffen. Das könne sich in Zukunft aber ändern. "Bisher hat es die Menschen finanziell – und insofern auch die Gerechtigkeitsfrage – noch nicht erreicht."
(lkn)