Germanwatch: Demokratie stärken, nicht aushöhlen!
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Kurzfristig entlastet die Coronakrise zwar die Umwelt, hat aber keinen langfristigen Effekt für den Klimaschutz, warnt Christoph Bals von Germanwatch. Er fürchtet sogar, dass notwendige Maßnahmen ausgehebelt werden könnten.
Angesichts der Coronakrise tritt derzeit die Debatte über den Klimawandel in den Hintergrund. Einige Umweltbelastungen nehmen sogar sichtbar ab. "Für die Luftverschmutzung zum Beispiel ist es tatsächlich ein starker und messbarer Effekt, der positive Konsequenzen hat", sagt Christoph Bals, Geschäftsführer der Umweltschutzorganisation "Germanwatch". Aber für das Klima sei das nur eine kurze Delle in der Kurve. Wenn keine strukturellen Maßnahmen angegangen würden, wäre man "in ein, zwei Jahren" wieder bei der alten Kurve. Das habe man auch bei der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 bereits erlebt. Damit sei für das Klima so gut wie nichts gewonnen.
Autoritäre Staaten schaden dem Klima
Es handele sich im Moment um eine absolute Ausnahmesituation, so Bals: "Wir wollen den Klimaschutz nicht erreichen, indem wir die Demokratie aushöhlen, sondern ganz im Gegenteil in dem wir die Demokratie stärken." Der jährliche Klimaschutz-Index von Germanwatch zeige, dass die größten Umweltverschmutzer autoritäre Staaten seien. Die demokratischen Staaten, die "der autoritären Versuchung in den vergangenen Jahren nachgegangen" seien - wie die USA, Polen oder Brasilien - seien ebenfalls deutlich nach unten gegangen.
Es gebe keinerlei Anzeichen dafür, dass der Klimaschutz durch autoritäre Regime oder autoritäres Vorgehen schneller durchgesetzt werden könne. Die Menschen müssten mitmachen, so Bals. Es gehe beim Klimaschutz um eine dauerhafte Umstellung und nicht etwa um einige Wochen oder Jahre. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen setzen und dann die Menschen mitnehmen.
Vergiftete Argumente
"Wenn sie eine Ausgangssperre für die nächsten Jahrzehnte anordnen wollten, wäre das mit Sicherheit nicht mit dem Grundgesetz vereinbar", antwortet Bals auf Überlegungen, dass die jetzige Coronakrise möglicherweise auch ein Beispiel für ein schnelleres Handeln des Staates in der Klimapolitik sein könnte. Der Klimaschützer warnte davor, die Debatte mit solchen Argumenten zu "vergiften". Das könne dazu führen, weder etwas für den Klimaschutz zu erreichen noch eine demokratische Gesellschaft zu erhalten. Stattdessen müsse es darum gehen, in den nächsten Jahrzehnten die Treibhausemissionen auf Null zurückzubringen.
Frühes Handeln ist wichtig
Sorge bereitet Bals, dass es in Deutschland, in Europa, aber auch weltweit Akteure gebe, die mit der fossilen Wirtschaft eng verbunden seien und die Coronakrise dazu nutzen wollten, um den Klimaschutz auszuhebeln. "Das wäre in der Tat absolut schrecklich für die Zukunft des Klimaschutzes", so Bals. "Wir müssen diese starke Kurve nach oben umdrehen in eine Kurve nach unten, und zwar deutlich nach unten. Ansonsten haben wir keine Chance, die Klimaziele, die zur Abwendung und Eindämmung der Klimakrise notwendig sind, auch so umzusetzen oder zu erreichen."
Wer jetzt denke, man könne den Klimaschutz zurückstellen, der übersehe, was derzeit in der Coronakrise deutlich zu erkennen sei. Es müsse, wenn es um exponentielle Kurven gehe, sehr früh gehandelt werden, sonst gerate die ganze Entwicklung außer Kontrolle. Er sei deshalb froh, dass UN-Generalsekretär António Guterres deutlich gemacht habe, dass bei der Bekämpfung der Krise jetzt natürlich die Gesundheit und soziale Fragen im Vordergrund stünden. Aber es müssten auch die richtigen Impulse gesetzt werden, um Zukunftsstrukturen zu stärken und nicht zu schwächen.
(gem)