Coronalockerungen im Vereinssport

Der lange Weg zurück

04:20 Minuten
Lachende Mädchen in Trainingsanzügen.
So soll´s bald wieder aussehen: vergnügte Sportlerinnen beim Training. © EyeEm/Maskot Images
Von Jutta Heeß |
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In den vergangenen Wochen lag das öffentliche Leben brach – auch in Sportvereinen. Das traf besonders Jugendliche und Kinder. Denn für sie sind Vereine mehr als Bewegungsangebote - und in Zeiten des Homeschoolings als Ausgleich wichtiger denn je.
Samstagvormittag im Berliner Volkspark Hasenheide. Claudia Becker, Trainerin bei der Berliner Turnerschaft, macht mit drei Mädchen aus ihrer Leichtathletik-Gruppe einige Fitnessübungen – auf Abstand. Seit dem 16. März ruht der Sportbetrieb der Vereine, auch die Berliner Turnerschaft musste ihre Trainingsangebote einstellen. Was bedeutet das für junge Sportlerinnen und Sportler?
"Katastrophe! Wir haben versucht, über die Homepage ein paar Informationen zu streuen, Aufgaben zu geben. Aber gerade Schul-AG, Kinder und Jüngere erreichen wir zurzeit überhaupt nicht, und ich kann im Moment gar nicht so genau abschätzen, was das genau bedeutet."
Wenn das Training ausfällt, fehlt vielen Kindern und Jugendlichen die regelmäßige Bewegung. Darunter leidet auch die 19-jährige Lara. Sie ist Sportakrobatin und trainiert normalerweise drei bis vier Mal in der Woche:
"Abends denk ich mir so, okay, tanze jetzt einfach noch mal eine Dreiviertelstunde, weil, da ist einfach so viel Energie hinter, wo ich jetzt sagen muss: Okay, das muss jetzt irgendwie raus. Es kollidiert natürlich auch immer mit den Arbeitsaufträgen, die man von der Schule aus bekommt. Man sitzt den ganzen Tag nur vor dem Computer, man kriegt diese Energie nicht raus. Man denkt sich, jetzt muss ich hier erst mal drei Stunden Online-Unterricht machen. Ich würde ganz gerne rausgehen und Sport machen."

Sportvereine sind für viele ein Zuhause

Doch Sportvereine bieten jungen Menschen mehr als nur körperliche Ertüchtigung. Trainer und Trainerinnen sind häufig Vertrauenspersonen. Ina Tetzner ist hauptamtliche Trainerin bei der Berliner Turnerschaft und betreut Kinder- und Jugendsportgruppen:
"Gerade bei der Jugend war das halt zu merken, wenn man doch noch irgendwo versteckte Freundin ist oder auch Berater oder einfach nur Zuhörer. Also, plötzlich bekommt man auch Anrufe, wo man sagt: Okay, können wir mal einfach nur quatschen, da können wir uns mal kurz im Park treffen. Ich krieg hier den Wohnungs-Kollaps."

Große Unsicherheiten für die Clubs

In der vergangenen Woche haben die meisten Bundesländer im Zuge ihrer Corona-Lockerungen wieder Vereinssport im Freien erlaubt. Was erfreulich klingt, bringt für die Clubs große Unsicherheiten. Denn es gibt strikte Vorgaben. Der Deutsche Olympische Sportbund hat einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, der zu berücksichtigen ist. Unter anderem ist auch beim Training Körperkontakt untersagt, Umkleiden müssen geschlossen bleiben und Trainingsgruppen sollen drastisch verkleinert werden. Claudia Becker:
"Die aktuelle Handlungsanweisung ist zu fünft, gesetzlich dürfen wir zu acht. Und dass ein Trainer maximal 25 Personen betreut, also nicht zur gleichen Zeit, sondern dass sie am besten nacheinander kommen, sich nicht sehen, so Eingänge und Ausgänge trennen. Auf Hygienemaßnahmen achten, Mundmaske darf man, muss man nicht, ist aber die Empfehlung. Aber ich fürchte mich vor der Aufgabe aktuell. Ich habe auch Angst vor der Verantwortung. Ich habe Angst davor, dass, wie wir jetzt in den Nachrichten gesehen haben, wir die Fleischerei sind irgendwie, die es getroffen hat. Vielleicht kann das genauso Freitagnachmittags mein Lauftreff sein?! Und wie viel Verantwortung habe ich, wenn ich jetzt meine Trainings organisiere?!"

Das Organisieren der Maßnahmen ist eine Herausforderung

Gerade im Kinder- und Jugendsport stellen die Regeln die überwiegend ehrenamtlichen Trainer*innen vor große Herausforderungen. Wer soll die kleineren, aber deutlich mehr Sport-Gruppen betreuen? Wie sollen zum Beispiel beim Fußball gewissenhaft Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden? Wie realistisch ist es, Kindersport ohne Umkleiden, also auch ohne Toiletten, anzubieten? Und wo sollen die Sportstunden stattfinden, jetzt, da alle wieder heiß auf Bewegung sind? Ina Tetzner:
"Das macht mir Sorge ab nächster Woche. Dieser Run! Alle sind plötzlich im Park unterwegs. Und alle wollen auf die Sportplätze, weil es ja hieß, man darf jetzt wieder auf den Sportplatz. Aber ich denke, das wird so nicht funktionieren. Es muss eine ganz klare, kontrollierte Geschichte sein. Das ist für uns viel Arbeit."
Die Berliner Turnerschaft wird nach und nach wieder Training in kleinen Gruppen anbieten. Es sind immerhin die ersten Schritte auf dem langen Weg zurück in die sportliche Normalität.
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