Eine einzige Atemschutzmaske für den Hausarzt
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Über die Vorsorgepolitik der Bundesregierung zum Corona-Virus ist der Berliner Hausarzt Peter Volkmann erschüttert. Er rechnet mittelfristig mit einer deutlichen Erhöhung der Fallzahlen - und einer Abschaffung der Quarantäne für Betroffene.
Die Praxis von Dr. Peter Volkmann liegt in Berlin-Wilmersdorf. Eine bürgerliche Gegend, eine kleine Seitenstraße, sanierte Altbauten. Volkmann ist Allgemeinmediziner - oder anders ausgedrückt: ein typischer Hausarzt.
Es ist zwölf Uhr mittags, die Sprechstunde in der Praxis ist vorbei, die Patienten soweit versorgt. In Berlin ist die Zahl derer, die sich bislang mit dem neuen Corona-Virus infiziert haben, überschaubar. Ein paar Dutzend sind es offiziell - in der knapp-vier-Millionen-Metropole.
"Im Augenblick ist sie in Berlin noch sehr selten", sagt er mit Blick auf die Infektion mit dem Virus - aber: "Sie wird natürlich kommen - ich schätze mal in drei bis vier Wochen. Was wir jetzt erleben, ist die Angst vor Corona, die teilweise bis zur Hysterie geht." Das sei Dauerthema in seiner Praxis. "Viele Patienten fragen nach, manche flachsen, andere sind panisch. Das spielt schon eine große Rolle."
Peter Volkmann ist weit über 70, doch trotz Rentenalters arbeitet er weiter als Hausarzt. Er wirkt jünger, ein Stethoskop liegt locker um seinen Hals, er trägt ein weißes Poloshirt. Wie vorbereitet ist ein Hausarzt in Corona-Zeiten?
Volkmann lächelt ein wenig, dreht sich kurz um und greift im Regal nach einer Plastiktüte. Darin eine FFP2-Maske. "Das ist meine Maske. Die hat ein Ventil, und hier oben gibt es einen Bügel, damit man es an der Nase abschließen kann." Die Maske bilde wohl gegen Viren einen gewissen Schutz. "Aber die ist nach ein paar Stunden auch nicht mehr wirksam. Die kann ich nur im absoluten Notfall anwenden, denn ich habe keine andere." Dieser Notfall sei allerdings noch nicht eingetreten.
Ein Verdachtsfall muss nicht lange warten
Volkmann hat sich die Maske im Internet besorgt, jeder Mitarbeiter in der Gemeinschaftspraxis hat eine - allerdings nur jeweils eine. Atemschutzmasken sind in Deutschland rar, das ist bekannt. Doch dass selbst Ärzte keine haben, überrascht immer wieder.
Noch hat Volkmann sie nicht gebraucht. Er wirkt dennoch gelassen, verweist auf die relativ wenigen bekannten Fallzahlen in Berlin. "Verdachtsfall ist ja, wenn jemand Infektionen im Atembereich hat. Und Kontakt hatte - entweder zu infizierten Personen oder Menschen, die aus entsprechenden Gebieten kommen: Norditalien und China im Augenblick." Zwei oder drei Verdachtsfälle seien in seiner Praxis gewesen. "Die haben wir getestet, die waren alle negativ."
In der Hauptstadt lehnen es viele Arztpraxen inzwischen ab, den Corona-Test selbst durchzuführen. Sie halten den direkten Arztbesuch von möglicherweise Infizierten für problematisch. Ansteckungsgefahr. In der Praxis von Peter Volkmann gilt das bislang nicht.
"Hier ist unser normales Wartezimmer und wenn jetzt jemand ein Verdachtsfall ist, dann kommt er hierhin. Dann haben wir hier den kleinen Wartebereich." Aber ein Verdachtsfall müsse nicht lange warten. "Sondern wir versuchen, ihn schnell zu behandeln. Um ihn möglichst schnell wieder aus der Praxis raus zu kriegen, damit er nicht andere Menschen anstecken kann."
Medikamente für ein halbes Jahr
Derzeit ist es noch so, dass normale Krankheiten auch weiterhin den Praxisalltag bestimmen. Etwa die jahreszeit-übliche Erkältung. Doch der Corona-Beratungsbedarf steigt täglich. Adelheit Volkmann sitzt am Empfangstresen - sozusagen die gute Seele der Praxis. Sie kennt die Patienten seit Jahren, seit Jahrzehnten. Inzwischen ist ein Großteil ihrer Arbeit Beratung - direkt oder am Telefon.
Die meisten wollen wissen, wie sich schützen können. Adelheit Volkmann kann die Empfehlungen der Gesundheitsbehörden inzwischen auswendig: Am besten Abstand halten - "ein bis zwei Meter". Außerdem, dass man sich nicht offensichtlich erkälteten Personen nähert. "Und dass, wenn man selbst auch leichte Erkältungserscheinungen hat, auf keinen Fall seine Mitmenschen anniest. Und wenn man sich in der U-Bahn befindet, sollte man sich möglichst entfernt einen Platz suchen. Dort wo nicht so viele Leute nebenan sitzen."
Peter Volkmann spricht von einer gegenwärtigen Corona-Angstphase. Obwohl die meisten seiner Patienten besonnen bleiben, kennt er auch andere, die sich sorgen.
Der erfahrene Hausarzt hat dafür Verständnis. "Eine Patientin beispielsweise hat sich für ein halbes Jahr ihre Medikamente aufschreiben lassen." Das dürfe er eigentlich nicht, aber in diesem Fall habe er es einfach gemacht, sagt Volkmann. "Und sie hat mir dann berichtet, dass sie ein Zimmer voll mit Konserven, Waren, Tüchern, Toilettenpapier gestellt hat. Damit sie die Möglichkeit hat, mehrere Monate nicht die Wohnung zu verlassen." Er versuche, sie zu beruhigen, soweit das möglich ist.
Weniger Verständnis hat Volkmann allerdings für die offizielle Corona-Vorsorgepolitik in Deutschland. Dass er nur eine einzige Atemschutzmaske hat, ist für ihn ein Skandal. Wochenlang habe es geheißen, Deutschland sei gut vorbereitet.
Deutliche Steigerung der Fallzahlen
Er sieht vor allem den Gesundheitsminister Jens Spahn in der Verantwortung. "Er hätte das Problem spätestens Ende Januar aufgreifen, entsprechende Einsatzpläne veranlassen müssen. Er hätte die Schutzkleidung besorgen und bunkern müssen." Das sei alles nicht geschehen. "Soweit ich weiß, ist sogar noch im Januar Schutzkleidung nach China exportiert worden."
Noch sei die Lage nicht wirklich schlimm, sagt Volkmann. Doch er rechnet mit vielen Fällen, keine Panikmache, aber eine - aus seiner Sicht - realistische Einschätzung. In drei, vier Wochen werden sich die Fallzahlen deutlich erhöht haben. In Berlin, und in der ganzen Republik.
"Diese ganzen Quarantäne-Maßnahmen, die uns jetzt empfohlen werden, werden zusammenbrechen." Dann werde es nicht mehr möglich sein, die Menschen zu isolieren und in Quarantäne zu stecken, sagt Volkmann. "Und dann werden wir diese Patienten wie normale Grippekranke behandeln."
Ein nicht wirklich beruhigender Ausblick eines altgedienten, erfahrenen Hausarztes.