Cory Doctorow: "Wie man einen Toaster überlistet"
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Langowski
Heyne-Verlag, München 2019
176 Seiten, 12 Euro
Küchengeräte außer Kontrolle
05:02 Minuten
Cory Doctorow beschäftigt sich als Autor, politischer Aktivist und Blogger mit den Auswirkungen des Digitalen auf den Alltag. In einem neuen dystopischen Roman treibt er den digitalen Wahnsinn auf die Spitze.
Während wir noch über das Phänomen der "smarten" Kühlschränke staunen, ist die Küche der Zukunft, die Cory Doctorow entwirft, schon vollständig vernetzt. Die Geräte in seinem dystopischen Roman können nicht nur online aktuelle Rezepte herunterladen, sondern sind mit einem digitalen Kopierschutz versehen – so wie wir es aktuell nur von Onlinevideodiensten, E-Readern und Computersoftware kennen.
Die Folge: Der Toaster nimmt nur bestimmtes Brot, die Waschmaschine nur bestimmtes Waschmittel und die Kaffeemaschine nur bestimmte Kaffeekapseln.
Doctorow denkt die aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen und politischen Entscheidungen, die gerade rund um das Urheberrecht geführt werden, konsequent weiter. In seinem Szenario machen Firmen das Urheberrecht zu einem Instrument, um ihre Profite weiter zu maximieren.
Dieses gesellschaftliche Phänomen wird für Protagonistin Salima zu einem ganz konkreten Problem, denn die Firma, die den Toaster betreibt, der zwangsweise in ihrer Sozialwohnung verbaut wurde, ist pleite und damit offline.
Aus der Erfahrung mit dem Geschirrspüler lernen
Wie Salima nun den Titel gebenden Toaster überlistet, wird gleich im ersten Kapitel erzählt: Sie lädt eine entsprechende Software herunter, installiert sie auf dem Toaster und das Gerät funktioniert wieder – in ihrem Sinne. Daraus entwickelt sich eine unterhaltsame Geschichte, in der Salima und ihr soziales Umfeld versuchen, immer mehr Geräte wieder unter ihre Kontrolle zu bringen.
Sie erobern sich damit die Freiheit zurück, Dinge zu tun, die uns heute selbstverständlich erscheinen. Zum Beispiel akzeptiert dann die Spülmaschine auch Teller und Tassen vom Flohmarkt, statt des nur offiziell freigegebenen Geschirrs vom Hersteller.
"Die Erfahrungen mit dem Geschirrspüler und dem Toaster veränderten sie, auch wenn sie nicht gleich sagen konnte, in welcher Hinsicht. Als sie am nächsten Tag die Wohnung verließ, betrachtete sie nachdenklich die Reihe der Aufzüge. […] Sie dachte darüber nach, dass die Mieter der Sozialwohnungen auf ihren Stockwerken dreimal so lange auf den Aufzug warten mussten."
Doctorow versteht es, sowohl die technischen Details als auch die politischen Ideen, die hinter dieser Zukunftsvision stecken, verständlich zu vermitteln. Wie funktioniert digitaler Kopierschutz für Toastbrote? Welche ökonomische Konsequenzen hätte das? Und wie sähe eine Welt aus, in der Wahlfreiheit für die Konsumenten zum Luxusgut würde?
Keine Kurzgeschichte mehr, aber noch kein Roman
Doctorow beantwortet nicht nur diese Fragen mit leichter Hand. Wie nebenbei flicht er noch einen zweiten, politisch ambitionierten Erzählstrang ein: Salima und ihre Freunde sind aus Libyen in die USA geflüchtet. In Rückblenden wird erzählt, wie Geflüchtete systematisch schikaniert werden und im Land ihrer Träume schließlich in einer gesellschaftlichen Position landen, aus der sie kaum entkommen können.
All das geschieht in einem leichten, erzählerischen Tonfall, der nicht belehrt. Allerdings ist die Geschichte dann sehr schnell zu Ende. Das ist mit 176 Seiten keine Kurzgeschichte mehr, aber eben auch kein ausgewachsener Roman. Die Beschreibung der Figuren und Situationen lässt manche Details vermissen, die Charaktere bleiben blass und scheinen eher Vehikel für die Geschichte und ihre politische Botschaft zu sein.
"Wie man einen Toaster überlistet" wirkt wie der Anfang einer sehr viel größeren Geschichte, die nicht zu Ende erzählt wird. Der Roman ist durchaus unterhaltsam und lehrreich, kann aber nicht nachhaltig beeindrucken.