Cosa Nostra

Erinnerungen eines Mafiabosses

Großoperation der italienischen Polizei gegen die Cosa Nostra in Palermo / Sizilien; Aufnahme vom Dezember 2008
Großoperation der italienischen Polizei gegen die Cosa Nostra in Palermo / Sizilien; Aufnahme vom Dezember 2008 © picture-alliance / dpa
Von Patricia Arnold |
Unter dem Titel "Rache an Cosa Nostra" schildert der ehemalige italienische Mafiaboss Giuseppe Grasonelli sein Leben. Das Buch liest sich wie ein Thriller, will aber vor allem über das organisierte Verbrechen aufklären.
"Malerba" - Unkraut war sein Spitzname als Kind. Der Vater schlug ihn oft, denn Giuseppe und seine Freunde begannen schon früh als kleine Gauner. Das Leben in seinem armseligen sizilianischen Heimatdorf war öde und langweilig.
"Wir klauten alles was nicht niet- und nagelfest war. Nicht weil wir es haben wollten, einfach so. Eines Tages beobachteten wir, wie ein Eiswagen vor dem Lebensmittelgeschäft stehen blieb. Der Fahrer stieg aus. (...) Ein Blick genügte, wir sprangen in den Wagen und brausten mitsamt der Ladung davon.
(...) Heiliger Strohsack, was wurde ich an diesem Tag von meinem Vater grün und blau geschlagen! Es waren aber nicht die Prügel, die wehtaten. Unsere Eltern mussten bei der Bank Schulden machen, um den Schaden auszugleichen.
(...) Ich wäre vor Scham am liebsten in den Boden versunken."
Irgendwann entdeckten die herumlungernden Heranwachsenden in einer Höhle Waffen und viel Geld. Der Schatz gehörte einem Mafia-Clan. Die jungen Sizilianer scherten sich nicht darum und teilten die Beute unter sich auf. Endlich konnten sie Geld nach Lust und Laune ausgeben.
Vom jungen Sizilianer zum flotten Falschspieler
Nach einem Überfall auf ein Juweliergeschäft floh Giuseppe Grassonelli vor der Polizei nach Deutschland. Er war damals 17 Jahre alt. In Hamburg entdeckte er sein großes Talent als Falschspieler. Er zockte in den Nachtbars von Sankt Paul und knöpfte seinen Kunden in den 1980-Jahren manchmal in einer Nacht innerhalb weniger Stunden mehrere Hunderttausend Mark ab.
"Ich wusste, dass ich nicht mehr als ein Schmarotzer war, ein erbarmungsloser Blutsauger, doch ich dachte mir: Was soll's? Wenn dieser Trottel nicht von mir ausgenommen worden wäre, hätte es ein anderer getan. Außerdem war Glücksspiel mein Job, ich lebte davon. 'Finde Dich damit ab', war mein Mantra, um mein Gewissen zu beruhigen.
(...) Ich kaufte mir einen Porsche 911 Targa, die Cabrio-Version von 1983. (...) Und ich nahm meine alten Gewohnheiten wieder auf: Sex, Glückspiel, Sauna, Massagen, Sonnenbank.
Aber dann kam der Sommer und ich musste nach Sizilien. Meine Familie verlangte nach mir, wollte mich endlich in die Arme schließen."
Vom Falschspieler zum Killer
In dem Jahr - im Sommer 1986 - lieferten sich Mafia-Clans auf Sizilien einen mörderischen Machtkampf. Um den Krieg der Cosa Nostra kümmerte sich Grassonelli nicht. Mit seinem vielen Geld aus dem Glücksspiel verbrachten er und Jugendfreunde unbeschwerte Tage – bis in einer Bar engste Familienmitglieder erschossen wurden. Das Massaker machte aus dem Falschspieler einen Killer.
"Überall lagen leblose Körper in seltsamen Posen am Boden. Es sah aus wie auf einem Schlachtfeld. (...) Dann fiel mein Blick auf eine zerbrochene Brille. Es war die Brille meines Großvaters. Mein über alles geliebter Großvater lag mit weit aufgerissenen Augen auf dem Straßenpflaster.
(...) Ich blickte auf und erkannte an einer Straßenecke auch meinen Onkel. (...) Der Weg zu ihm war mit weiteren Leichen gesäumt. (...) Wenige Meter entfernt erblickte ich dann noch meinen Cousin. Er war regelrecht von Kugeln durchsiebt, und ich konnte ihn nur an der Uhr, die ich ihm geschenkt hatte, identifizieren."
Jetzt erst verstand der junge Mann, dass auch seine Familie zur Cosa Nostra gehörte. Giuseppe schwor, die Toten zu rächen. Er jagte die Mörder und wurde dabei selbst zu einem Gejagten. Ständig war er auf der Flucht und lebte unter dem Namen Antonio Brasso. Auch in seiner spannenden Autobiografie in Romanform nennt er sich so.
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"Rache an Cosa Nostra"© Verlag Bastei Lübbe
Vom Rächer an Mafia zum Studenten in Haft
Vier Jahre dauerte das blutige Gemetzel. 1992 wurde er schließlich verhaftet. Bis dahin hatte er kaum lesen und schreiben gekonnt. Im Gefängnis aber studierte er nun Literatur und Philosophie. Das Studium veränderte ihn. Er fing an, über Hass und Gewalt nachzudenken und den Ursachen dafür nachzugehen.
"Meine Rachegelüste, die Wut auf diejenigen, die mir das Liebste auf Erden genommen hatten, sorgten dafür, dass ich mich 'im Recht' fühlte, egal aus welchen Motiven die Mörder meiner Familie gehandelt hatten. Der Schmerz macht Körper und Geist krank."
Heute würde er sich nicht mehr von Rachegelüsten leiten lassen. Er würde Gesetze achten. Mit seinem Buch versucht er nun zur Aufklärung über das organisierte Verbrechen in Italien beizutragen. Das ist seine ganz persönliche Rache an Cosa Nostra.
Der Bericht gerät zu einem spannenden Thriller, auch wenn es mitunter schwer fällt zu glauben, was er alles innerhalb weniger Jahre erlebt, gesehen und erfahren hat. Der ehemalige Mafioso schildert aber so intensiv, dass beim Lesen schon im Kopf der Film zum Buch entsteht.

Giuseppe Grasonelli, Carmelo Sardo: Rache an Cosa Nostra - Erinnerungen an mein Leben als Mafiaboss
Aus dem Italienischen von Ingrid Ickler
Verlag Bastei Lübbe, Köln 2015
400 Seiten, 19,99 Euro, auch als ebook

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