Die hohe Kunst der asymmetrischen Bewegungen
"Ja, es ist Sport", sagt Ingo Froböse über das Profi-Gaming und plädiert für dessen kulturelle Anerkennung. Die psychische und mentale Beanspruchung der Spieler sei mit anderen Sportarten sehr gut vergleichbar, so der der Sportwissenschaftler.
Am Wochenende findet in Köln die Weltmeisterschaft im Counter-Strike statt. Die Sicht der Sportwissenschaft auf das Profi-Gaming schilderte Ingo Froböse im Deutschlandradio Kultur. Er ist Universitätsprofessor für Prävention und Rehabilitation im Sport am Zentrum für Gesundheit der Deutschen Sporthochschule Köln.
"Mittlerweile sagen wir: Ja, es ist sportlich. Es ist sogar Sport - wenn man es mit einigen anderen, traditionellen Sportarten vergleicht: wie zum Beispiel Schießen, wie zum Beispiel Schach oder auch wie Skat."
"Mittlerweile sagen wir: Ja, es ist sportlich. Es ist sogar Sport - wenn man es mit einigen anderen, traditionellen Sportarten vergleicht: wie zum Beispiel Schießen, wie zum Beispiel Schach oder auch wie Skat."
Froböse verwies auf ausführliche Studien zu den Bewegungsaktivitäten von Computerspielern:
"Wir haben registriert, dass 300 Bewegungen pro Minute mit dem rechten und dem linken Arm asymmetrisch durchgeführt werden. Und das ist hohe Kunst. Das ist wirklich hohe Kunst, weil das feinmotorisch höchst anspruchsvoll ist. Weil das sehr filigran und vor allem punktgenau, zielgenau, reaktionsschnell ausgeführt werden muss. Also motorisch ist das eine tolle Fähigkeit, die da entwickelt wird."
"Wir haben registriert, dass 300 Bewegungen pro Minute mit dem rechten und dem linken Arm asymmetrisch durchgeführt werden. Und das ist hohe Kunst. Das ist wirklich hohe Kunst, weil das feinmotorisch höchst anspruchsvoll ist. Weil das sehr filigran und vor allem punktgenau, zielgenau, reaktionsschnell ausgeführt werden muss. Also motorisch ist das eine tolle Fähigkeit, die da entwickelt wird."
Das Interview im Wortlaut:
Christine Watty: Wir haben ja gerade berichtet, am Wochenende findet die Counter-Strike-WM in Köln statt, und inzwischen – neben den immer mal wieder aufkeimenden Killerspieldebatten – haben es Computerspiele ja längst aus diesem Pizzaschachtel- und Koffeindrink-Klischee rausgeschafft. Sie werden wie Bücher oder Musik vorgestellt, bewertet und ausgezeichnet, auch bei uns hier im Deutschlandradio Kultur.
Nach dieser Kulturgutehrung quasi geht's jetzt aber auch um den sportlichen Aspekt: Denn ist E-Sport so was wie richtiger Sport, wie traditioneller Sport? Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln, die selbst ein eigenes E-Sport-Team gegründet hat, ist dazu unser Gesprächspartner. Schönen guten Morgen!
Ingo Froböse: Guten Morgen!
Watty: In Köln werden an diesem Wochenende 20.000 Menschen erwartet zur Counter-Strike-WM. Es gibt inzwischen für die Wettkämpfe im E-Sport auch hohe Preisgelder. Ist das eine Erleichterung für alle gestressten Eltern von dauergamenden Kindern, die machen in Wirklichkeit Sport, oder wann genau wird aus Freizeitspaß E-Sport?
Froböse: Ja, das ist wirklich ja so, wie Sie richtigerweise sagen. Wir haben ja noch ein sehr unsicheres Verhältnis, weil wir eben noch nicht so richtig Kompetenz haben, was ist da eigentlich. Und die Sportdiskussion interessiert natürlich die Spieler reichlich wenig.
Aber auf der anderen Seite, wir von der Sportwissenschaft, wir beschäftigen uns natürlich mit diesem Thema, mit dieser Kultur – so kann man es richtigerweise sagen – natürlich schon einige Zeit. Und mittlerweile sagen wir, ja, es ist sportlich, es ist sogar Sport, wenn man es mit einigen anderen tradierten Sportarten, traditionellen Sportarten vergleicht wie zum Beispiel Schießen, wie zum Beispiel Schach oder auch wie Skat.
Punkt- und zielgenaue Feinmotorik
Watty: Was sind denn genau die sportlichen Aspekte? Also man kann es so vergleichen, wie Sie sagen, mit anderen Sportarten, die inzwischen als Sportarten anerkannt sind, aber wo genau kommt denn ein Gamer ins Schwitzen oder bewegt Muskeln?
Froböse: Also Schwitzen ist ja nicht unbedingt ein Merkmal dafür, um als Sport anerkannt zu werden. Aber da ist auch nicht die große Motorik, also die große Bewegungsaktivität. Das wird zwar von den organisierten Sportarten immer noch mal angeführt, ja, die bewegen sich ja kaum – ja, das stimmt teilweise.
Wir haben also ermittelt – wir machen ja seit einigen Jahren sehr intensive Studien dazu –, und wir haben registriert, dass 300 Bewegungen pro Minute mit dem rechten und dem linken Arm asymmetrisch durchgeführt werden, und das ist hohe Kunst. Das ist wirklich hohe Kunst, weil es feinmotorisch höchst anspruchsvoll ist, weil es sehr filigran durchgeführt werden muss und vor allen Dingen punktgenau, zielgenau, reaktionsschnell ausgeführt werden muss, also motorisch schon eine tolle Fähigkeit, die da entwickelt wird.
Technik ist natürlich gefragt und auch Taktik. Man spielt miteinander, man muss kommunizieren, man muss sich austauschen, und auch das ist das, was wir vom normalen Spiel, selbst bei einem Fußballspiel, als taktische Komponente immer so hoch loben.
Die körperlichen Reaktionen ähneln denen eines Ausdauerlaufs
Dann haben wir Stressreaktionen, körperliche Reaktionen, die wir ermittelt haben, und das ähnelt fast einem Ausdauerlauf. Wir haben Herzfrequenzen von 120, 130 Schlägen pro Minute ermittelt, wir haben Stresswerte – Cortisolwerte haben wir dafür genommen, das ist ein Stresshormon – ermittelt, und auch das zeigt uns eine hohe, ja psychische, mentale Beanspruchung, die auch so mit anderen Sportarten sehr gut vergleichbar ist.
Watty: Okay, also tatsächlich, das sind sportliche Aspekte, die der E-Sport logischerweise in sich trägt, die Sie da aufzählen können, warum ist denn aber diese Anerkennung, die damit ja nach Ihrer Schilderung direkt vor der Tür stehen müsste, eigentlich so wichtig? Geht es um Fördergelder?
Ringen um Anerkennung im Systemsport
Froböse: Also es geht natürlich erst mal darum, dass wir in dem gesamten Systemsport irgendwo doch Anerkennung finden. Es geht um Anerkennung, zunächst erst mal – und das hat nichts mit Geldern zu tun. Die Branche ist so gut ausgestattet, wirtschaftlich und finanziell, da würden andere Verbände sich ihre Finger nach lecken, so gut letztlich. Es geht nicht um Geld, es geht wirklich um Anerkennung, um gesellschaftliche Reputation und letztendlich auch um kulturelle Anerkennung – das ist das eine.
Zum Zweiten erleichtert man relativ viel, zum Beispiel das Reisen bei Spitzensportlern, auch das Verbleiben an Trainingsorten, die möglicherweise nicht in meinem eigenen Land sind, auch das wird sehr stark dadurch erleichtert, wenn man die Anerkennung eben als Sport erfahren hat. Das heißt also, man erleichtert gerade auch den Austausch, die Kommunikation, die Interaktion und die Trainingssituation den Mannschaften, indem sie sich von Ort zu Ort einfach bewegen können, ohne dass sie zum Beispiel Visa beantragen müssen. Spitzensportler haben es da in der Regel einfacher, die E-Sportler noch nicht.
Deutschland hat beim E-Sport "viel aufzuholen"
Watty: Wie steht denn eigentlich Deutschland gerade so da bei diesen Sportarten? Ich meine, an diesem EM-Finale-Wochenende in Sachen Fußball, wo es ein paar hängende Köpfe gibt, kann man sich dann vielleicht einfach jetzt umorientieren in Richtung E-Sport?
Froböse: Ja, leider auch noch nicht so richtig, das heißt, die Deutschen sind auch da nicht gerade federführend, in Europa selbst noch nicht einmal, wobei man wirklich sagen muss, es gibt ja auch viele internationale Mannschaften. Und es gibt ein deutsches Team, wobei in dem deutschen Team fünf Brasilianer unterwegs sind, so kann man auch nicht unbedingt da die Fahne für schwingen, aber es gibt unter dem deutschen Deckmantel eben ein Team.
Das ist auch typisch für diese Branche, das heißt, man verbindet letztendlich die besten Spieler untereinander, und die sind möglicherweise an einem anderen Wohnort, in einer anderen Nation geboren. Und deswegen können wir gerade auch, was die deutsche Präsenz betrifft bei dieser WM, sagen: Wir sind nicht so richtig dabei, weil wir uns eben vor der Qualifikation eben noch nicht so weit nach oben bewegt haben.
Also wir haben noch viel aufzuholen, die Asiaten sind viel besser, Skandinavier sind viel besser, die haben andere Systeme, andere Anerkennungen schon. Wenn wir aber da hinkommen irgendwann mal, dass wir das erreicht haben, ich glaube, dann haben wir auch eine gute Zukunft.
"In drei bis fünf Jahren kommt ein Bewusstseinswandel"
Watty: Beim Fußball würde jetzt zum Abschluss die Tippfrage kommen: Wer wird die Counter-Strike-WM gewinnen? Das ist vielleicht nicht die spannendste Frage, aber vielleicht können wir die ersetzen durch die Frage, wie lange dauert es denn Ihrer Meinung nach, bis E-Sportler anerkannte Sportler sind?
Froböse: Also ich würde sagen, das Schöne ist, dass man in der Diskussion mittlerweile schon ist, das ist man vor einiger Zeit noch nicht gewesen. Ich würde sagen maximal drei bis fünf Jahre.
Watty: So schnell?
Froböse: Ja.
Watty: Okay, wir nehmen Sie beim Wort, und dann telefonieren wir wieder miteinander.
Froböse: Und ich helfe auch gern dabei.
Watty: Danke schön an Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln über E-Sport. An diesem Wochenende findet die Counter-Strike-WM in Köln statt.
Froböse: Danke, tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.