USA
Nicht alle Country Musiker sind konservativ: Die Band Brothers Osborne ist beim Wahlkampf von US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris in North Carolina aufgetreten. © IMAGO / ZUMA Press Wire / Josh Brown
Country Musik spaltet ein Land
Country Musik ist ein Symbol dafür, wie zerrissen die US-Gesellschaft ist. Künstlerinnen wie Beyoncé erobern ein Genre, das einst von patriotischen und männlichen Musikern dominiert wurde. Ist das ein Zeichen eines Kulturkampfs?
Ein melodisches Zusammenspiel aus Gitarre, Mundharmonika oder Geige ist charakteristisch für Country Musik. Unter den Musikern dieses Genres finden sich oft Männer, die ihren Schmerz über die Trennung von ihrer Frau, über Arbeitslosigkeit oder Alkoholprobleme verarbeiten. Darunter vermischen nicht wenige von ihnen eine Portion Stolz für ihre Heimat.
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Der Musikstil, der Tradition in den ländlichen Regionen der USA hat, ist gegenwärtig ein Symbol dafür, wie gespalten die US-amerikanische Gesellschaft ist. Dieser Ansicht ist der Journalist und Autor Thomas Kraft. Er hat in seinem Buch „Americana“ untersucht, wie sich das Genre in den vergangenen Jahren verändert hat.
Politische Rechte fördert Country Musik
Country steht wie kaum ein anderes für die konservativen USA und für Patriotismus. Dass das in großen Teilen nach wie vor so ist, zeigen jüngste Erfolge von Country Musikern wie Oliver Anthony. Sein Lied „Richman North of Richmond“, das im vergangenen Jahr erschienen war, stieg zu einem Riesenerfolg auf, zugleich polarisierte es.
In seinem Text beschreibt Anthony wie reiche Männer die „einfachen Leute vergessen“. Er spielt vermutlich auf Politiker aus der Hauptstadt Washington an. Was zunächst nach einer linken Einstellung klingt, wurde besonders in konservativen und erzkonservativen Kreisen bejubelt.
Der Musiker, der zuvor weitgehend unbekannt war, erreichte in der ersten Woche nach Erscheinen seiner Single 17 Millionen Streams. Anthony, der aus Virginia kommt, erklärte in den Medien, was ihn in seiner Musik antreibe.
Seiner Meinung nach werde das Land keine weitere Generation überleben, wenn es kulturell so weitergehe wie bisher. „Wir müssen zu den Wurzeln dessen zurück, was unser Land groß gemacht hat“, sagte Anthony dem Fernsehsender "Fox News". Kritiker haben das Lied als perfekten Wahlkampfsong für den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump beschrieben, der erneut für das Amt kandidiert.
Das Lied kam besonders bei konservativen Arbeitern in den USA gut an. Denn es schaffte, den wirtschaftlichen Frust vieler Menschen widerzuspiegeln. Anthonys Konzerte wurden mit patriotischen Sprechchören gefeiert, während Republikaner versuchten, den Erfolg des Musikers für sich zu nutzen.
Beobachtern zufolge versuche die politische Rechte, Musik und Filme mit konservativen Inhalten zu fördern und für ihre Interessen zu nutzen. Autor Thomas Kraft betont indes, dass Musik und Filme in den USA gegenwärtig von beiden politischen Lagern instrumentalisiert werden.
Ehemaliger Country-Star Taylor Swift wird politisch
Ein Beispiel dafür ist US-Sängerin Taylor Swift. Sie gilt heute als eine der erfolgreichsten Popmusikerinnen der Geschichte, ihre Karriere hat sie einst in der Country-Szene gestartet.
Wie es von vielen Country Musikern erwartet wird, bekannte sie sich lange nicht öffentlich zu ihrer politischen Einstellung. Die Künstlerin, die aus dem konservativen Bundesstaat Tennessee stammt, erreicht heute Millionenfans und zählt mittlerweile zu den mächtigsten Akteuren der Musikbranche.
Kürzlich gab die Künstlerin bekannt, sie werde Kamala Harris, die Kandidatin der Demokratischen Partei, bei den Präsidentschaftswahlen im November unterstützen. Swift rief ihre Fans zum Wählen auf.
Fachleute wie Thomas Kraft gehen davon aus, dass die Musikerin, die zuvor als Unterstützerin von Republikanern vermutet wurde, mit ihrem Einfluss der Wiederwahl von Donald Trump etwas entgegensetzen will. „Trump hat sie motiviert, politisch zu werden“, so Kraft.
Rassismus prägt auch die Country-Szene
Autor Thomas Kraft geht davon aus, dass latenter Rassismus die gesamte US-amerikanische Gesellschaft durchzieht. Country sei eine Musikgattung, die diesen Rassismus zumindest in Teilen auch widerspiegele.
Er führt als Beispiel dafür den Song des Musikers James Aldean „Try that in a small city“ an, der 2023 für Aufsehen sorgte. Das Musikvideo, das auf Youtube millionenfach gestreamt wurde, spielt vor einem historischen Gebäude in Tennessee, das eine dunkle Bedeutung hat.
„In diesem Gebäude wurde circa 100 Jahre zuvor von einem wütenden Mob ein junger Schwarzer gelyncht, der beschuldigt wurde, ein junges weißes Mädchen unsittlich berührt zu haben. Ein Vorwurf, der letztlich völlig haltlos war“, sagt Kraft.
Es könne kein Zufall sein, dass Aldean diesen Ort für sein Musikvideo gewählt habe, auch wenn der Musiker das bestreitet. Das Lied handelt von dem Gegensatz zwischen dem vermeintlich idyllischen und gemeinschaftlichen Landleben und dem Leben in der Großstadt. Das Lied vermittelt das Bild der gefährlichen und außer Kontrolle geratenen Großstadt – ein tief in der US-Kultur verwurzeltes Bild.
Dem Historiker Charles Hughes zufolge, der am Rhodes Colleges in Memphis lehrt, verbirgt sich hinter diesem unscheinbaren Bild eine rassistische Tradition, die bis zum Bürgerkrieg zurückreicht: „Die starken Veränderungen durch Industrialisierung und Urbanisierung nach dem Bürgerkrieg machten vielen Menschen Angst. Genauso wie die schwarzen Menschen, die jetzt frei waren, in die Städte zogen und sie zu angeblich unwirtlichen, gefährlichen Orten machten“, sagt Hughes. Es gibt im Country unzählige Anti-Stadt-Songs mit einer ähnlichen Nostalgie.
Schwerer Zugang zu Country für Künstler wie Beyoncé
Zu beobachten ist zudem, dass sich immer wieder Künstler jenseits des Klischees des weißen männlichen Cowboys des Musikstils annehmen und dabei auf Widerstand stoßen. Der Rapper Lil Nas X etwa nahm 2018 mit dem Country Musiker Billy Ray Cyrus einen Song auf. Doch weil er nicht als „country“ genug für die Szene gelte, nahm Billboard sein Lied „Old Town Road“ aus den Country Charts heraus.
Ähnlich erging es Popikone Beyoncé, die in diesem Jahr mit ihrem Country-Album „Cowboy Carter“ für Aufsehen gesorgt hat. Viele eingefleischte Country-Fans sehen ihr Album als Provokation und sind der Ansicht, sie sei in eine Sphäre eingedrungen, in der sich nichts zu suchen habe.
Für die Country Awards 2024 erhielt Beyoncé keine einzige Nominierung, obwohl ihre Single „Texas Hold’Em“ an der Spitze der US-Countrycharts landete. Kritikern zufolge sind Fälle wie die um Beyoncé oder Lil Nas X Anzeichen dafür, dass die Country-Industrie rassistisch geprägt ist.
Dolly Parton: Eines der vielen Gesichter des Country
Doch obwohl Country-Musik von männlichen Künstlern dominiert wird, hat es schon immer Ausnahmen gegeben. Als Ikone der Szene gilt die Sängerin Dolly Parton, die als Kind armer Farmer aus den Smokey Mountains zu einer der erfolgreichsten Künstlerinnen der USA aufgestiegen ist.
Parton hat sich als Frau in einem stark konservativ geprägten Geschäft durchgesetzt. Außerdem beführwortet sie die Ehe für alle, obwohl sie selbst mit ihrer über 55 Jahre währenden Ehe ein konservatives Lebensmodell führt. Künstlerinnen wie Parton sind ein Zeichen dafür, dass Country Musik nicht spaltend sein muss. Experten sagen über sie, sie habe die Fähigkeit, als Künstlerin verschiedene politische Lager zu vereinen.
Dass Country Musik viele vereinende Elemente hat - statt nur zu spalten - zeigen auch die Ursprünge des Genres. Hier vereinen sich Gitarrenklänge, irische Geigen oder Banjo – ein Zupfinstrument, das von Sklaven aus Westafrika stammt und mittlerweile charakteristisch für den Country Sound ist.
tan