Afroamerikanerinnen in einer weißen Bastion
Afroamerikanerinnen, die sich an Countrymusik herantrauten, hatten es immer schwer. Dabei gibt es herausragende Beispiele aus der Musikgeschichte. Selbst Tina Turner hat einst ein Country-Album aufgenommen.
Countrymusik gilt als die Musikbastion des weißen Amerika, aber sie wurde nicht von fiedelnden Rednecks am Lagerfeuer erfunden! Sie mischte sich vielmehr langsam aus Hillbilly und Blues. Doch bereits in den 1920er Jahren, als sich die ersten Schallplattenkonzerne den Markt aufteilten und Musik in strenge Genres zerschnitten, da hatte die Verwertungsmaschine beschlossen, daß Countrymusik die reine, saubere, unschuldige Musik der armen Weißen aus dem Süden sei. Und für die Schwarzen gab es ja die - tatsächlich so genannte! – "Race Music".
Dabei war es ja nicht wirklich so, dass der schwarze Lagerarbeiter traurig die Harmonika aus der Hand legte und die Putzfrau sich die Ohren zuhielt, wenn der weiße Lieferant kam und aus seinem Autoradio schunkelte und schwärmte Countrymusik. Sie liebten sie ja alle - diese Tiefe und die harmonische Schönheit von Countrymusik und diese wunderbar erzählten Geschichten über das Leben und die Liebe und wie die beiden meistens nicht zusammenkommen: diese ans Herz und den Verstand rührenden Balladen für die Seele – Soul!- über Verlierer, Trinker und Habenichtse.
Tina Turner als Vorreiterin
Und um über das Elend der geprügelten Frau zu singen, hatte Tina Turner selbst genügend Erfahrungen bei ihrem Mann gemacht, als sie 1974 ihr erstes Soloalbum mit Countrysongs rausbrachte – von Kris Kristofferson, Bob Dylan oder Dolly Parton. "Tina Turns The Country On!"
Sie haben alle mal Country aufgenommen, die Soulsänger: Al Green, James Brown, Sam Cooke, Ray Charles – aber eben auch Aretha Franklin, Candy Staton, Etta James, Betty LaVette: Sogar die Pointer Sisters, eigentlich Funk-Soul&Disco-Schwestern, nahmen spaßeshalber mal eine Countrynummer auf – "Fairy Tale" – und kriegten dafür gleich einen Grammy als beste Country-Gesangstruppe.
Die Pointerschwestern entwickelten dann doch ihren anderen Stil weiter, aber dieser Grammy blieb der einzige Country-Grammy für schwarze Sängerinnen. Denn wenn afroamerikanische Musiker mit Countrymusik Erfolg hatten, dann waren es allenfalls Männer - bis auf ganz wenige Ausnahmen.
Linda Martells kurze Karriere
Linda Martell war die erste Afroamerikanerin, die in der Grand Ole Opry in Nashville singen durfte, 1969, als ihr "Color Him Father"in den Top 25 war. Aber nach ein paar weiteren mittelmäßigen Singleerfolgen verließ die fünf Jahre später schon wieder komplett die Musikindustrie und wandte sich lieber ihrer Familie zu.
1975 schauten also die Pointer Sister kurz rein, und dann dauerte es bis 2007, bis eine schwarze Countrysängerin wieder echte Aufmerksamkeit kriegte: Rissi Palmeraus St. Louis, die ein lukratives Angebot der Mariah-Carey- und Janet-Jackson-Produzenten für ein R’n’B-Album ab lehnte, weil sie lieber Country singen wollte. Ihr selbstgeschriebenes Debüt "Country Girl" wurde bei Starbucks verkauft und landete sofort auf Platz 5 der amerikanischen Download-Charts und auf Platz 54 der Countrycharts. Doch kurz danach war sie aus dem Radio auch schon wieder verschwunden.
"Ich erkenne im Country einfach viel mehr von meinem eigenen Leben als im R&B", hatte Rissi Palmer gesagt. Genau wie die tolle Liz Toussaintaus Chicago, vor fünf Jahren der aktuellste Country-Aufreger, die damals noch schwärmte:
"Country erlaubt mir, ich selbst zu sein. Das Countrypublikum ist offen. Die erwarten nichts von dir außer, daß du – wirklich du bist."
Ein Genre in Schwierigkeiten
Und wenn man dann mal googelt, was aus Liz Toussaint geworden ist – oder aus der vielversprechenden schwarzen Countrysängerin Lori Lynnette Black, dann findet man auf einer Art Schwarzem Brett für Musiker zum Beispiel den Eintrag:
"SUCHE: Band um mich anzuschließen. Ich bin Countrykünstlerin mit neuem Album und furchtbarem Management. Die Musiker, die auf meiner CD mitgespielt haben, wollen keine Konzerte geben."
"Countrymusik, wie sie heute dasteht, ist kaputt", schrieb neulich ein wütender Fachjournalist des englischen "Guardian":
"Die Konzerne ignorieren die Intelligenz des Hörers. Für sie ist Country ein Medium, mit dem sich der Landbevölkerung Autos, Bohrmachinen und billiges Bier verkaufen lassen."
Aber vielleicht ändert sich das ja tatsächlich mit Mickey Guyton. Immerhin steht diesmal eine große Plattenfirma dahinter - und wahrscheinlich auch deren Bilanzanteilung: Denn die demografischen Daten sprechen für eine Ausweitung der bislang strikt weißen Countrymusik – über die Rassen und Geschlechtergrenzen hinweg.