Coworking Spaces in Brandenburg

Inspiriert durch die Idylle

Raum im Betahaus im Berliner Bezirk Kreuzberg. Dort werden auf rund 1000 Quadratmeter Platz für Innovation, Kreativität und professionelles Arbeiten angeboten.
Coworking Spaces gibt es nicht nur in den Großstädten, auch in Brandenburg trifft sich die Kreativszene. © picture alliance / dpa / Laura Mar Rosello
Von Jürgen Stratmann |
Weit ab von den Hotspots der digitalen Avantgarde treffen sich im brandenburgischen Klein Glien Menschen, um in der ländlichen Idylle zu arbeiten. Ein alter Gutshof bietet neben viel Ruhe auch die Möglichkeit, sich zu vernetzen und kreativ auszuleben.
Man kommt ganz gut hin, ins brandenburgische Dörfchen Klein Glien: per Regionalzug eine Stunde vom Berliner Hauptbahnhof zum Kurort Bad Belzig, dann fünf Kilometer durch die hügeligen Felder und Wälder des Hohen Flämings mit dem Rad - mir präsentiert sich das alte Gut Glien als romantisches Postkarten-Idyll - und tatsächlich: es ist ruhig da draußen - sehr ruhig. Das sei aber nicht immer so:
"Im Sommer ist normalerweise – hier bei dem Springbrunnen und der Hollywoodschaukel, im Sommer stehen da lange Tische draußen."
Erklärt mit Janosch Dietrich, Ex-Berliner und einer der Coconat-Gründer.
"Wir essen ja immer alle zusammen – das ist das Konzept – die Leute sollen sich kennenlernen – man muss dann auch um Eins essen – weil: sonst kriegt man nichts, hier gibt’s ja sonst nichts - also: man sitzt im Sommer am Springbrunnen und isst."
Denn die Gemeinschaft ist beim "Concentrated Co-working in Nature" - ein Angebot an alle, die ortsungebunden - sprich: am Laptop - arbeiten können und das gern auch mal in ländlicher Umgebung tun wollen – die Gemeinschaft ist dabei ein wichtiger Aspekt – denn:
"Ja, man braucht die Konzentration, aber man muss mal kurz aus seiner Arbeit rauskommen, in der Gruppe kurz reflektieren, was man gerade tut – und: man trifft hier auch nur auf Leute, die arbeiten."

Wellness im Schweinestall

Wobei das Konzept "Networking" bei "Coconat" alle Geschäftsbereiche durchzieht: Man hat sich von Anfang an bemüht, sich wirtschaftlich und gesellschaftlich auch in der Region zu vernetzen – mit Blick auf den ehemaligen Schweinestall erklärt Janosch Dietrich bspw.:
"Hier ist unser Wellnessbereich – hier ha´m wir die Sauna, Yoga, hier kommt noch ein Wellness-Massage-Salon – das sind zwei Frauen aus dem Nachbarort, denen stellen wir die Räume zur Verfügung, die renovieren die, die können das kostenlos nutzen, die bieten dann Gesundheitsmassagen an – und wir haben noch´n zusätzliches Angebot für unsere Kunden! Das ist so das Ziel, dass sich eigene Unternehmungen und Projekte im Dunstkreis von Coconat aufbauen."
Und - Stichwort "Community": der Innenhof des Guts ist seit eh und je:
"Der zentrale Dorfplatz - das Aller-Allererste war: dass wir aufs Dorffest gegangen sind – dann haben wir geguckt: wer wohnt hier? Wie sind die Leute drauf?– und das war super, haben wir schön gefeiert – das nächste war, dass wir´n Design-Thinking-Workshop gemacht haben, mit 60 Leuten – wo´s darum ging, Visionen zu entwickeln, zu diesem Ort hier, wir haben Teams gebildet – es waren etwa 40 Leute aus der Region und 20 aus Berlin – und dann kam ganz stark dabei raus, dass die sich ne Kneipe, ne Bar wünschen ..."
Die alte Dorfkneipe, behaglich und rustikal, gleich rechts neben der Eingangshalle des imposanten Landsitzes, ist an den Wochenenden jetzt wieder für alle zugänglich, wenn auch mit neuen Kneipennamen:
"Das ist der Pub – oder die Stube! – Alles hat hier einen deutschen und einen englischen Namen - weil: die meisten Gäste haben ausländische Wurzeln."

Internationale Atmosphäre in Klein Glien

Was für Einheimische sowohl Herausforderung – als auch Anreiz sein kann:
"Ick muss wieder mein Englisch auffrischen und denn – allet klar …"
Sagt die Klein-Glienerin Kathrin - und Wolfgang aus dem Nachbarort ist begeistert:
"… das internationale Gäste kommen, dass das auch so´n bisschen die Welt hierher holt – ich hör von Freunden, dass die gerne mal hierherkommen."
Die beiden sind sich einig, die Klein-Gliener:
"Die freuen sich, dass hier Bewegung ist und allet!"
Kathrin putzt, Wolfgang kocht, beide verstehen sich aber als Team-Mitglieder, nicht nur als Angestellte, denn:
"Das ist nicht wie im klassischen Hotel aber wir haben kein Service-Personal! – Ach: Willste´n Café? – Du kannst dir einfach ´ne Tasse nehmen, der Kaffee steht die ganze Zeit hier, wir haben hier vier Biere, der Fläming hat gute Biere – die meisten Leute haben noch nie gezapft, und hier dürfen sie selber zapfen, das finden alle super. Dann hat man hier ´ne Liste, wo man einfach einträgt. Das ist so´n bisschen das Konzept: das man sich fühlt wie bei´nem Freund in´ner WG, dass es keine Schranken gibt!"

Arbeit und Urlaub

Schranken soll es keine geben – aber Türen, die man schließen kann, gibt es schon, denn hier wird auch ernsthaft: gearbeitet! – Workation ist ein Kofferwort aus Work und Vacation. "'ne Mischung aus Arbeit & Urlaub!"
Wer es gemütlich möchte, verzieht sich mit seinem Laptop in ...
"… das Kaminzimmer – wie man sieht, wird hier jetzt auch gerade ge-coworkt, letztendlich ist es eher ´n Freizeitraum - es gibt Gesellschaftsspiele, Bücher."
Wo man arbeiten will, kann man sich aussuchen, schnelles Internet gibt es auf dem ganzen Gelände. Ein glücklicher Zufall! Denn eine Kabeltrasse führt unmittelbar am Grundstück vorbei.
Diese Verbindung von Urlaub-im-Grünen und digitaler Infrastruktur zieht die unterschiedlichsten Gäste an und beim Berlin-typisch vegan-vegetarischen Mittagessen im Pub bzw. in der Stube treffe ich ein junges Team: von der Deutschen Post!
"Wir sind halt´ne Truppe für digitale Touchpoints und orientieren uns eher an der Arbeitsweise von Start-Ups, und ich glaube, da kann man das eine oder andere nur von lernen …"
Von Start-ups lernen heißt in dem Fall: Arbeit als Lifestyle, ortsungebunden, kreativ, kontaktfreudig.
"Wir finden das sehr cool!"
Heißt aber auch: es geht immer ums Projekt! – Entspannungstechniken wie:
"Spazierengehen im Team im Wald, es gibt alte Burgen hier im Umland, man kann mit dem Wildverein Fährtenlesen oder sowas machen – man kommt der Natur ´n gamzes Stück näher!"
All das soll die Arbeitsleistung optimieren:
"Korrekt! Das gibt wieder Inspiration und Motivation fürs Team!"
Aber:
"Kritisch zu sehen ist natürlich: Wenn alles Arbeit wird! Es ist nicht das, was wir wollen, dass die Leute bei uns ihren Urlaub verbringen, um zu arbeiten. Sondern wir möchten, dass Menschen, die arbeiten, das an einem schönen Ort tun, um glücklicher zu sein bei der Arbeit."
Ich habe dann auch irgendwann mein Laptop im Kaminzimmer aufgeklappt: Man hat seine Ruhe, blickt durch hohe Fenster auf eine reizvolle Gegend und kommt zwischendurch mit anderen Co-Workern ins Gespräch, Schöner kann Arbeit im Urlaub kaum sein.
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