Cragg versus Messerschmidt
Die Ausstellung in der Orangerie im Wiener Belvedere konfrontiert die Werke eines exzentrischen Barockplastikers und eines Bildhauers von heute miteinander. Es ist eine Gegenüberstellung, die überzeugt.
Auf den ersten Blick könnte der Kontrast größer nicht sein: Da ist auf der einen Seite der österreichische Barockbildhauer Franz Xaver Messerschmidt, dessen groteske Porträtbüsten einen solitären Platz einnehmen in der Kunstgeschichte, da ist auf der anderen Seite der 1949 geborene Brite Tony Cragg, dessen weich fließende Skulpturen wirken, als wären sie intensiv von Wind und Wellen poliert und bearbeitet worden. In der Orangerie der "Österreichischen Galerie" stehen die Plastiken der beiden so unterschiedlichen Künstler eng nebeneinander - ein faszinierender Dialog über die Jahrhunderte hinweg, wie der englische Kurator Jon Wood meint:
"”Als ich das erste Mal davon hörte, daß wir diese beiden Künstler zusammenbringen könnten, war ich extrem aufgeregt. Franz Xaver Messerschmidt und Tony Cragg – das ist eine intelligente Kombination, finde ich. Beide sind einander ebenbürtig, keiner der beiden Künstler braucht den anderen. Zwischen Franz Xaver Messerschmidt und Tony Cragg liegen mehr als 200 Jahre, man kann sehen, was die beiden unterscheidet, aber auch, wo sie ähnliche bildhauerische Ansätze verfolgen.""
Franz Xaver Messerschmidt ist eine der rätselhaften Gestalten der Kunstgeschichte. Von 1770 an begann der langjährige Hofbildhauer Maria Theresias - unter dem Einfluss einer psychischen Erkrankung, wie man vermutet - sogenannte "Charakterköpfe" zu modellieren: handwerklich perfekt gearbeitet Porträtbüsten, in Blei gegossen oder in Alabaster geschnitten, die grimassierende Männerköpfe vorstellen: feixende, Fratzen schneidende Doofköpfe, so wirken sie zumindest auf den ersten Blick. In der Interpretation moderner Kunsthistoriker drücken die Grimassen der Messerschmidtschen Porträtbüsten das explosive innere Leiden eines gequälten Menschen aus, vielleicht das Leiden des Künstlers selbst, das sich da in bizarrem Mienenspiel Bahn bricht.
Und Tony Cragg? Man sieht es seinen abstrakt wirkenden Skulpturen im Schloss Belvedere nicht an, zumindest nicht auf den ersten Blick, aber auch sie stellen menschliche Köpfe dar. Ihm gehe es, sagt Tony Cragg, der seit Mitte der 70er Jahre in Wuppertal lebt, ihm gehe es darum, innere Zustände sozusagen nach außen zu bringen.
Tony Cragg: "Das ist für viele Bildhauer ein selbstverständliches Anliegen. Also, Rodin spricht zum Beispiel immer wieder von der "vitalen Kraft", die von innen kommt, und Henry Moore spricht auf ähnliche Weise vom "Anschwellen dynamischer Formen". Das ist eine zentrale Frage für alle Bildhauer: Was liegt unter der Haut? Was ist das Substanzielle unter der Oberfläche?"
Franz Xaver Messerschmidt - ein Ausnahmekünstler des Barock - ging über Grenzen, weil er sie einer psychischen Beeinträchtigung wegen nicht sehen konnte. Tony Cragg überschreitet Grenzen, weil er mit seinen Skulpturen die Welt, wie er sagt, um Unvorhersehbares bereichern will. Die formale Exaltiertheit der Messerschmidtschen Porträtbüsten - in der Orangerie des Schlosses Belvedere trifft sie auf die totale Künstlichkeit von Tony Craggs amorphen Kopfstudien - eine faszinierende Kontrastierung, auch weil Cragg von seinem Naturell her weniger expressiv zur Sache geht als Messerschmidt.
Tony Cragg: "Ja, das ist einfach so, dass man Köpfe wild und expressiv modellieren kann. Wir haben das häufig gesehen in der Kunstgeschichte. Ich versuche eine kontrolliertere Herangehensweise, ich gehe subtiler an die Sache heran. Die Fragen, die mich interessieren, sind: Wie sind die Zusammenhänge zwischen den Dingen? Wann ist etwas schön, wann ist es bedrohlich? Das subtil auseinanderzunehmen, das interessiert mich."
Es ist gewiss ein Wagnis, die Werke eines exzentrischen Barockplastikers und eines Bildhauers von heute miteinander zu konfrontieren. In diesem Fall funktioniert’s. Franz Xaver Messerschmidt und Tony Cragg – eine Gegenüberstellung, die auf Anhieb überzeugt.
"”Als ich das erste Mal davon hörte, daß wir diese beiden Künstler zusammenbringen könnten, war ich extrem aufgeregt. Franz Xaver Messerschmidt und Tony Cragg – das ist eine intelligente Kombination, finde ich. Beide sind einander ebenbürtig, keiner der beiden Künstler braucht den anderen. Zwischen Franz Xaver Messerschmidt und Tony Cragg liegen mehr als 200 Jahre, man kann sehen, was die beiden unterscheidet, aber auch, wo sie ähnliche bildhauerische Ansätze verfolgen.""
Franz Xaver Messerschmidt ist eine der rätselhaften Gestalten der Kunstgeschichte. Von 1770 an begann der langjährige Hofbildhauer Maria Theresias - unter dem Einfluss einer psychischen Erkrankung, wie man vermutet - sogenannte "Charakterköpfe" zu modellieren: handwerklich perfekt gearbeitet Porträtbüsten, in Blei gegossen oder in Alabaster geschnitten, die grimassierende Männerköpfe vorstellen: feixende, Fratzen schneidende Doofköpfe, so wirken sie zumindest auf den ersten Blick. In der Interpretation moderner Kunsthistoriker drücken die Grimassen der Messerschmidtschen Porträtbüsten das explosive innere Leiden eines gequälten Menschen aus, vielleicht das Leiden des Künstlers selbst, das sich da in bizarrem Mienenspiel Bahn bricht.
Und Tony Cragg? Man sieht es seinen abstrakt wirkenden Skulpturen im Schloss Belvedere nicht an, zumindest nicht auf den ersten Blick, aber auch sie stellen menschliche Köpfe dar. Ihm gehe es, sagt Tony Cragg, der seit Mitte der 70er Jahre in Wuppertal lebt, ihm gehe es darum, innere Zustände sozusagen nach außen zu bringen.
Tony Cragg: "Das ist für viele Bildhauer ein selbstverständliches Anliegen. Also, Rodin spricht zum Beispiel immer wieder von der "vitalen Kraft", die von innen kommt, und Henry Moore spricht auf ähnliche Weise vom "Anschwellen dynamischer Formen". Das ist eine zentrale Frage für alle Bildhauer: Was liegt unter der Haut? Was ist das Substanzielle unter der Oberfläche?"
Franz Xaver Messerschmidt - ein Ausnahmekünstler des Barock - ging über Grenzen, weil er sie einer psychischen Beeinträchtigung wegen nicht sehen konnte. Tony Cragg überschreitet Grenzen, weil er mit seinen Skulpturen die Welt, wie er sagt, um Unvorhersehbares bereichern will. Die formale Exaltiertheit der Messerschmidtschen Porträtbüsten - in der Orangerie des Schlosses Belvedere trifft sie auf die totale Künstlichkeit von Tony Craggs amorphen Kopfstudien - eine faszinierende Kontrastierung, auch weil Cragg von seinem Naturell her weniger expressiv zur Sache geht als Messerschmidt.
Tony Cragg: "Ja, das ist einfach so, dass man Köpfe wild und expressiv modellieren kann. Wir haben das häufig gesehen in der Kunstgeschichte. Ich versuche eine kontrolliertere Herangehensweise, ich gehe subtiler an die Sache heran. Die Fragen, die mich interessieren, sind: Wie sind die Zusammenhänge zwischen den Dingen? Wann ist etwas schön, wann ist es bedrohlich? Das subtil auseinanderzunehmen, das interessiert mich."
Es ist gewiss ein Wagnis, die Werke eines exzentrischen Barockplastikers und eines Bildhauers von heute miteinander zu konfrontieren. In diesem Fall funktioniert’s. Franz Xaver Messerschmidt und Tony Cragg – eine Gegenüberstellung, die auf Anhieb überzeugt.