"Crazy Horse"

Von Lutz Bunk · 21.03.2005
Er gilt als Kultfigur der "Native Americans", wie sich die Indianer selbst nennen: Häuptling Crazy Horse. Der US-Schriftsteller Larry McMurtry legt nun eine spannende Biographie des Indianerführers vor, die interessante Parallelen zur Gegenwart zieht.
Larry McMurtry beginnt seine Crazy-Horse-Biographie mit der Beschreibung einer Steinskulptur, die im Moment in den USA entsteht, und die die größte ist, die es je auf der Welt gab. Es ist ein Reiterstandbild von Crazy Horse, allein sein ausgestreckter Arm ist so lang wie ein Fußballfeld. Damit umreißt Larry McMurtry schon einmal die Bedeutung, die auch er dieser historischen Figur zumisst.

Die Biographie selbst geht klassisch chronologisch vor, meist lakonisch im Ton, brillant recherchiert. Sie beginnt im Jahr 1840 mit der Geburt von Crazy Horse und endet mit dessen Tod im Jahr 1877, als Crazy Horse, nachdem er sich ergeben hatte, von einem amerikanischen Soldaten hinterrücks ermordet wurde. Dabei entwirft Larry McMurtry ein bisher unbekanntes Bild von Crazy Horse, nicht das eines heroischen Indianer-Häuptlings, sondern das eines Einzelgängers, Philosophen, eines "indianischen Jesus".

Crazy Horse ist bis heute ein Symbol für ein friedliches und tolerantes Amerika, und es ist kein Zufall, dass der Rocksänger Neil Young seine Band Crazy Horse nannte. Wer sich mit dem Überlebenskampf der Indianer beschäftigt, der stößt auf politische Grundfragen, und so zieht auch Larry McMurtry kompromisslos Parallelen zwischen der Expansionspolitik der USA damals und heute.

Er betrachtet den Tod von Crazy Horse als politischen Mord und stellt ihn in Reihe mit den Ermordungen John F. Kennedys und Martin Luther Kings. Verblüffend, so recherchierte McMurty, dass jener berühmte General Custer, den die Indianer bei ihrem letzten Sieg am Little Big Horn 1876 schlugen, dass dieser General Custer deswegen die Prärie mit Massakern überzog, weil er für das Präsidentenamt kandidierte und sich profilieren wollte.

Larry McMurtry: "Heutzutage wäre General Custer sicher ein erfolgreicher Immobilien-Makler."

Stil

In der Recherche einerseits hochwissenschaftlich, dabei nicht prätentiös, nicht präpotent sondern sehr lakonisch, man merkt, dass der Autor sich nicht profilieren muss oder will. Ein sehr entspannter Stil, manchmal geradezu lässig, sogar umgangssprachlich, und wohl dosiert: auch emotional und sogar pathetisch: so schließt die Biographie mit den Worten:

"Crazy Horse war ein sich stets aufopfernder Mensch und eine lebendige Waffe, er war eine Art Adler."

Der Autor

Crazy Horse ist Larry McMurtrys erstes Sachbuch, er ist ja eigentlich Roman- und Drehbuchautor, einmal war er sogar für den Oscar nominiert, für zwei seiner über 20 Romane bekam er den Pulitzer-Preis, der bekannteste ist vielleicht "The last picture show", "Die letzte Vorstellung" aus dem Jahr 1971.

Die amerikanischen Kritiker sind sich einig: niemand könne so über den amerikanischen Mittelwesten schreiben wie McMurtry. Sein großes Lebensthema dabei sind die Widersprüche in der amerikanischen Gesellschaft der letzten 150 Jahre, zwischen Illusionen und enttäuschender Wirklichkeit.

Wie leben die Nachfahren von Crazy Horse heute?

1987 erhielten die Indianer Nordamerikas offiziell ihre Unabhängig von den USA, ihre Reservate sind exterritorial. Und besonders an der Ostküste, vor allem in Connecticut und in Florida, betreiben sie seitdem gigantische Spielcasinos, die jene Stämme märchenhaft reich gemacht haben. Die Prärien hingegen, wo die Nachfahren von Crazy Horse leben, sind wenig bevölkert, kein Tourist verirrt sich dorthin, das heißt, dort herrscht in den Reservaten weiterhin ökonomische wie soziale Depression.

Beurteilung

Larry McMurtrys "Crazy Horse"-Biographie ist ein sehr amerikanisches Sachbuch, einerseits bestens recherchiert und hochwissenschaftlich, gleichzeitig kommt es daher wie eine Plauderei am Lagerfeuer. Es zerstört den Mythos des heroischen Indianers und bestätigt eine alte Vermutung: nämlich die, dass die Kultur der nordamerikanischen Urvölker zivilisierter war als die der vermeintlich so aufgeklärten Eroberer.

Larry McMurtrys Antwort auf die Frage, warum er dieses Buch geschrieben habe, ist simpel: Er habe eine gewisse Vorstellung davon gehabt, dass Crazy Horse auch uns heute sehr wichtige Dinge zum Thema Moral und Ethik mitzuteilen habe. Ein stilistisch sehr entspanntes wie gleichzeitig inhaltlich hoch spannendes Buch.

Larry McMurtry: "Crazy Horse"
Claassen-Verlag (bei Ullstein), Berlin
Hardcover, 190 Seiten, übersetzt von Michael Mundhenk.
Das Buch ist erschienen in der Claassen-Reihe: "Biographische Passionen", Bde. 1-3 : Mozart, Nietzsche, Proust.