Integration durch Sport
Eine Art Paddel als Schläger und ein kompliziertes Regelwerk: Cricket ist in Deutschland ein Nischensport. Doch momentan erleben die Clubs viel Zulauf - und das liegt auch an den Flüchtlingen.
Wie spielt man eigentlich Cricket? Diese Frage lässt selbst einen passionierten Spieler wie Kashif Mahmood geräuschvoll Luft holen.
"Das ist kompliziert. Ich erklär mal das T20 Format, das ist am einfachsten. Jede Mannschaft hat 120 Bälle. Die Bowling Mannschaft hat 120 Würfe, und die Batting Mannschaft muss in den 120 Bällen so viele Punkte wie möglich machen."
Ob und wie viele Punkte es gibt, hängt davon ab, wie weit der Batsman schlägt, und ob die Fielders der gegnerischen Mannschaft den Ball fangen können. Der Bowler ist der Werfer. Im Mutterland England und seinen ehemaligen Kolonien ist Cricket Volkssport. Kashif Mahmood:
"70, 80.000 kommen schon, sich das anzuschauen im Stadion. Wenn du auch in Pakistan rumläufst, in den Städten in den Dörfern siehst du in jedem Park oder auf Straße Leute Cricket spielen. Ist genauso wie Fußball hier. Überall spielt man Cricket."
Dabei kann eine Partie bis zu fünf Tage dauern. Kürzere Versionen gibt es auch, in Deutschland wird nur drei Stunden gespielt.
Indien, Pakistan, Afghanistan sind Cricket-Nationen
Der Anteil der einheimischen Spieler ist überschaubar. Der größte Teil kommt aus den Cricket-Nationen Indien, Pakistan und auch Afghanistan. Seit im letzten Jahr so viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, haben die Vereine in Berlin massiv Zulauf bekommen.
Sie trainieren auf dem Maifeld, einer großen Rasenfläche neben dem Berliner Olympiastadion, die von den Nationalsozialisten für Aufmärsche genutzt wurde. Heute ist es Übungsplatz für alle fünf Cricketvereine der Stadt. In das perfekt getrimmte Gras sind zwei Kunstrasen-Bahnen eingelassen, auf denen sich Werfer und Schläger, Bowler und Batsman, gegenüberstehen.
Kamar nimmt gut 15 Meter Anlauf und wirft den Ball mit einer kunstvollen Bewegung, in der er den Wurfarm ein großes Rad um den Körper schwingen lässt, in Richtung Batsman. Der Ball tippt kurz vor ihm auf dem Boden auf. Mit einem Schläger, der dem Ende eines Holzpaddels nicht unähnlich ist, haut der Batsman den Ball in den Himmel.
Viele neue Clubs in Deutschland
Die Kommentare der Mannschaftskameraden kommen auf Urdu, der Nationalsprache Pakistans. Allein das ist schon ein Stück Heimat, meint Kamar. Wenn er Probleme hat, beispielsweise Verständigungsschwierigkeiten, greifen ihm die Mitspieler unter die Arme. Noch viel wichtiger aber: die Pakistaner, die seit 20 Jahren hier leben, sind Vorbilder:
"Klar, wenn ich sehe, dass meine Mitspieler hier leben, einen Job oder eigene Geschäfte haben, spornt mich das schon an, dass ich es auch schaffen kann. Ich bin seit zehn Jahren unterwegs aus Pakistan. Ich war in Griechenland und Italien, aber hier in Deutschland will ich schon Fuß fassen und sehen, dass ich hier meine zweite Heimat finde."
Kashif Mahmood jedenfalls hilft ihm gerne. Natürlich: manchmal will man einfach nur zum Sport gehen und abschalten, nichts von den Problemen der Welt hören. Aber einen Mittler wie ihn, der sich in beiden Kulturen auskennt, können die Neuankömmlinge gut gebrauchen. Und sie wiederum bringen den Cricket-Sport in Deutschland voran, meint Mahmood:
"Je mehr Spieler man hat, desto größer wird Cricket in Deutschland, also wenn ich in den deutschen Cricket-Foren lese gibt es mittlerweile sehr viele neue Vereine, da diese neuen Spieler da sind. Und ja, ich sehe es also eigentlich nur positiv, dass so viele neue Leute jetzt dazukommen."