David Cronenberg: „Crimes of the Future“

Neues vom Altmeister des „Body Horrors“

08:15 Minuten
Ein Mann (Viggo Mortensen) liegt auf einer Liege, neben ihm sitzt auf einem Sessel eine Frau (Léa Seydoux), eine weitere (Kristen Stewart) ist neben der Liege in die Hocke gegangen.
Menschen ohne Schmerzen: Léa Seydoux, Viggo Mortensen und Kristen Stewart in "Crimes of the Future". © Nikos Nikolopoulos/©Serendipity Point Films 2021/Festival de Cannes 2022
Anke Leweke im Gespräch mit Massimo Maio · 24.05.2022
Audio herunterladen
David Cronenberg gelingt es zuverlässig, das Publikum zu verstören. Auch sein neues Werk, jetzt in Cannes vorgestellt, ist rätselhaft. Unsere Kritikerin vermisst den philosophischen Rahmen, freut sich aber über "visuelle Obesessionen".
Eine Mutter verbietet ihrem kleinen Sohn, der in der Meeresbrandung spielt, etwas aus dem Meer zu essen. Wenig späte verspeist das Kind ganz allmählich einen Plastikeimer.
Die Mutter erstickt den Jungen daraufhin im Schlaf. Dann ruft sie einen Mann an und sagt ihm: Der Junge, den du deinen Sohn nennst, der aber eigentlich eine Kreatur ist, ist jetzt tot.
Verstörend und rätselhaft beginnt David Cronenbergs neuer Film „Crimes of the Future“, der jetzt auf den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes Weltpremiere feierte.
Cronenbergs Geschichte spielt in einer Zukunft, in der innere Organe bei Menschen neu wachsen. Allein durch ihre Willenskraft können sie sie entstehen lassen.
Der Zuschauer wird Zeuge bizarrer Szenen: Bei einer Art Kunstperformance steuert eine Frau (Lea Seydoux) eine Apparatur mit Skalpellen und schneidet damit ihrem Mann (Viggo Mortensen) ein neu gewachsenes Organ aus dem Körper.

Ein neues Körperbild

Cronenberg habe mit seinem neuen Film mal wieder ein neues Körperbild geschaffen, sagt Filmkritikerin Anke Leweke. Trotz sehr expliziter Szenen habe der Film des Altmeisters des „Body Horrors“ aber keinen Skandal in Cannes ausgelöst.
„Crimes of the Future“ sei typisch für das Cronenberg-Universum, so Leweke. Sein neuer Mensch empfinde keine Schmerzen mehr. Sexualität finde durch Ritzen und Verletzen, durch das Eindringen von Messern und Skalpellen in den anderen Körper statt.
Und es gebe auch wieder seltsame Apparaturen, die so typisch für das Werk des Regisseurs seien, berichtet Leweke. Etwa organisch aussehende Stühle, die sich der Körperform anpassten und Menschen fütterten: „David Cronenberg löst wieder die Grenze unseres Körpers auf. Wir können uns sozusagen der Umgebung anpassen“.

Der Film tritt irgendwann auf der Stelle

In dem Film geht es nach Ansicht der Filmkritikerin um eine neue Innerlichkeit. „Und dennoch tritt der Film irgendwann auf der Stelle, weil diese Idee nicht in einen großen Kontext gestellt wird“, so Leweke. Der Zuschauer wisse nicht, was den neuen Menschen in „Crimes of the Future“ antreibe, und wie er überhaupt lebe.
Die „Idee der Organe“ stehe allein im Raum, es gebe „keinen philosophischen und theoretischen Rahmen“. Dennoch könne der 80-jährige Regisseur auch in seinem neuesten Film wieder seine visuellen Obsessionen ausleben. Das sei immerhin „sehr bemerkenswert zu beobachten“.
(tmk)

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Mehr zum Thema