Crowdfunding

Hilfe für Qualitätsjournalismus?

Von Günter Herkel |
Vor genau einem Jahr startete krautreporter.de, eine spezielle Plattform für Journalismus-Crowdfunding. Das Prinzip des Crowdfunding ist einfach: Wer eine publizistische Idee hat, stellt sein Projekt auf der Plattform vor und wirbt für die benötigte Summe an Spenden. Die erste Zwischenbilanz von Krautreporter fällt positiv aus.
"Das Projekt, was am meisten Geld eingesammelt hat, ist ein Projekt von Jens Weinreich. Der ist ein investigativ arbeitender Sportjournalist, und der hat n Buch geschrieben über die Wahl des neuen IOC-Präsidenten, und er hat dafür über 15.000 Euro eingesammelt."
Sebastian Esser, Geschäftsführer und Mitbegründer von Krautreporter. Er hatte das Jammern über die Krise des Journalismus satt. Crowdfunding ist für ihn eine Möglichkeit, publizistische Ideen zu realisieren, die von etablierten Medien nicht aufgegriffen werden. Ein weiteres Beispiel:
"Thilo Jung, n ganz junger Journalist, 28, der hat angefangen, auf youtube Interviews mit Politikern zu führen, und hat das dann bei Krautreporter finanziert, damit er noch jemand bezahlen konnte, der das aufnimmt und die Technik n bisschen besser wurde. Hat im Bundestagswahlkampf mit sehr vielen bedeutenden Politikern sprechen können und so ne ganz neue Interviewform etabliert."
Anschubfinanzierung für ein neues Geschäftsmodell
"Jeder will Bundestrainer sein, weil er über Fußball Bescheid weiß. Du bist ja quasi der deutsche Bundestrainer des Internets. Kannst du dich damit anfreunden?" – "Ja, natürlich. Das ist etwas, wo ich mich sehr drin wiederfinde. Ich bin ja auch zum König und Präsidenten der Netzgemeinde gewählt worden, ich glaube 2011 und 2012 bestätigt worden im Amt…"
Nachwuchsreporter Jung im Dialog mit Sascha Lobo, dem Guru der Internet-Nerds. "Jung und naiv – Politik für Desinteressierte" – heißt dieses originelle Interviewformat. Inzwischen wird es vom Jugendsender "joiz" ausgestrahlt und von Google gesponsert. Krautreporter leistete somit die Anschubfinanzierung für ein neues Geschäftsmodell. 38 Projekte mit einem Gesamtvolumen von knapp 170.000 Euro konnten mithilfe der Plattform im ersten Jahr verwirklicht werden. Darunter auch das eine oder andere mit Satire-Beigeschmack.
"Das deutsche Volk teilt sich in zwei Hälften: Eine, die finden Hunde gut, und andere, die leiden unter ihnen. Jeder ist n Opfer oder n potenzielles Opfer, weil jeder ist schon mal gebissen worden, kann gebissen werden."
7000 Euro für eine Zeitschrift für Hundehasser
Aus der Präsentation des Projekts "Kot und Köter", einer "Zeitschrift für Hundehasser", vorgestellt vom freien Journalisten Wulf Beleites. Die von ihm anvisierten 7000 Euro Startkapital kamen tatsächlich zusammen, in Kürze soll die Nullnummer erscheinen.
"Es ist oft ein großes Missverständnis, dass es große Massen ansprechen muss. Eigentlich brauchen die Projekte nicht mehr als 50 bis allerhöchstens 100 Unterstützer, um die Summen zusammen zu kriegen, die man eben für Journalismus braucht."
Denn Crowdfunding ist kein Verkaufen im klassischen Sinne, eher der Eintrittspreis zu einer Community, die sich um ein bestimmtes Thema herum bildet. Dabei hilft natürlich auch eine gute Vernetzung der Projektteilnehmer auf Facebook und Co. Gerade Spezialinteressen haben gute Aussicht auf Unterstützung.
"Wir haben eine Nachrichten-App für Kinder finanzieren können, es gibt die Freien-Bibel, ein Handbuch für Freie Journalisten, die wirklich auch sehr viel Geld einsammeln konnten."
Crowdfuning soll nicht Verlage ersetzen
Seit kurzem kooperiert Krautreporter auch mit der "Initiative Nachrichtenaufklärung". Die INA veröffentlicht alljährlich eine Liste mit den von den Medien am meisten vernachlässigten Themen. Für einige dieser Themen konnte jetzt mithilfe von Krautreporter das nötige Anschubkapital aufgebracht werden. Mit 2000 Euro gefördert wird zum Beispiel das Projekt "Ausbeutung von Au Pairs", die angeblich in Deutschland als moderne Haussklaven missbraucht werden. Was kann Crowdfunding leisten, was nicht? Krautreporter Sebastian Esser:
"Ich hab von Anfang an gesagt, dass Crowdfunding nicht die Verlage ersetzen kann, und auch nicht den Journalismus retten kann."
Aber immerhin hilft es journalistischen Projekten, die bei den Mainstream-Medien keine Chance haben. Da solche Projekte häufig mit ausgedehnten, kostspieligen Reisen verbunden sind, gibt es seit kurzem eine ergänzende Online-Plattform. Hostwriter ist der Name eines sozialen Netzwerks speziell für Journalisten und Journalistinnen, das bei der Organisation von journalistischen Projekten im Ausland helfen soll. Es vermittelt sowohl Gastgeber als auch Kontakte für und mit Journalisten. Gerade freiberuflich arbeitende Reporter dürften einigen Gefallen an Hostwriting finden. Schließlich scheitern nicht wenige Recherchevorhaben schlicht am mangelnden Reiseetat.