Du sollst keinen Seehofer haben neben mir!
Horst Seehofer will als Ministerpräsident und CSU-Chef weitermachen. Das fordert ein neues Verb, findet Arno Orzessek: Heute Hü und morgen Hott sagen, ohne sich dabei zum Horst zu machen, nichts anderes würde jedermann intuitiv unter "seehofern" verstehen.
Dem Dichter Wilhelm Busch verdanken wir die Erklärung:
"Ein Opportunist ist ein Jenachdemer".
Die Deutschen haben allerdings darauf verzichtet, aus dem vielleicht etwas unflotten Hauptwort "Jenachdemer" ein Verb abzuleiten, also ein Tu-Wort, das bezeichnet, was ein Jenachdemer so tut. Das typische Tun des Jenachdemers könnte nur "jenachdemern" heißen. Und da sagen die meisten doch lieber "opportunistisch handeln".
Nur einer kann richtig "seehofern"
Oder sie wählen – wenn es darum geht, den Wesenskern des Jenachdemers hervorzukehren – die Hilfsverb-Konstruktion "opportunistisch sein". Aber klänge das Verb "seehofern" nicht anmutiger als "opportunistisch sein" oder "jenachdemern"? Flössen doch die beiden Aspekte des opportunistischen Handelns, flittchenhafte Prinzipienlosigkeit und wendiger Pragmatismus, im Verb "seehofern" zweifellos glücklich zusammen.
Wofür natürlich kein anderer als Horst Seehofer persönlich bürgt. Bitte sehr! Wenn ein Seehofer solange verkündet "2018 ist Schluss", bis er plötzlich "ach nee, ist doch noch nicht Schluss" sagt, dann denken viele: "Okay, der Horst macht uns jetzt altersbedingt den Konrad Adenauer."
Für die Jüngeren: So hieß der erste Kanzler der Bundesrepublik, von dem, oft kolportiert, das Ur-Credo des politischen Opportunismus stammen soll:
"Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern."
Oh, ihr biestigen Nörgler! Der schwer misshandelte Adenauer-Satz lautet in voller Länge:
"Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich, weiser zu werden."
Irgendwas zwischen kontinuierlich und permanent
Und genau das treibt Horst Seehofer an, wann immer er seehofert, also irgendwas zwischen kontinuierlich und permanent: Er will sich von nichts und niemanden hindern lassen, weiser zu werden, am allerwenigsten vom eigenen Geschwätz. Das ist wahrlich keine kleine Aufgabe - aber zweifellos ein hoch ehrbares Gebaren!
Bornierte Prinzipienreiter würden das schlicht nicht hinkriegen: Erst die Kanzlerin mit der Flüchtlings-Obergrenze vor sich hertreiben wie die Hirten das Vieh beim Almauftrieb, dieselbe Angela aber im Blick auf die Bundestagswahl rhetorisch schleimfeucht abzubusserln - von wegen "unersetzbar für uns" und so.
Oder die Causa Markus Söder: Diesen Ehrgeizling, der nach Fukushima aufs Entschlossenste kernkraftgegnerisch mit grüner Krawatte posierte, also extrem hochbegabt seehoferte, den fördert Seehofer konsequent – und zwar in die Karriere-Sackgasse.
Denn merke, CSU-Sympathisant: Ich bin der Herr, dein Ministerpräsident, du sollst keinen Seehofer haben neben mir! Nicht einmal einen, der fast noch besser seehofern kann!
Kaum nötig zu sagen: Mit dem ungarischen Victor Ich-lach-mich-schlapp-über-EU-Gesetze-Orban so richtig dicke zu sein ist ebenfalls eine achtbare Übung in Seehoferei.
Kurz: Heute Hü und morgen Hott sagen, ohne sich dabei – keine Scherze mit Namen, bitte! - zum Horst zu machen, nichts anderes würde jedermann intuitiv unter "seehofern" verstehen. Der Lexikon-Eintrag ist fällig.