Uwe Zimmer, geb. 1944 in Siegen (Westfalen), studierte Germanistik, Politische Wissenschaften und Philosophie in Frankfurt/Main, München und Marburg. Seine journalistische Laufbahn begann Zimmer 1971 beim Berliner "Tagesspiegel", 1974 wechselte er als Redakteur zum "Spiegel", wurde 1978 Bonner Büroleiter des "Stern", war dann Korrespondent in Washington und schließlich Ressortleiter Ausland. 1986 ging Zimmer als stellv. Chefredakteur zum Axel Springer Verlag in die Entwicklungsredaktion. Von 1987 bis Oktober 2000 war er Chefredakteur der Abendzeitung in München, anschließend bis 2009 Chefredakteur der "Neuen Westfälischen" in Bielefeld.
Flüchtlinge machen Seehofer stark
Eine Bundesregierung ohne Flüchtlingskonzept habe den politisch lahmenden Ministerpräsidenten Bayerns wieder erstarken lassen, stellt der Publizist Uwe Zimmer fest. Seine Behörden organisierten die Erstaufnahme und Horst Seehofer selbst übersetze Bürgersorgen in Forderungen.
Wenn das Sprichwort, #Des einen Leid ist des Anderen Freud', etwas Wahres beschreibt, dann muss Horst Seehofer derzeit ein sehr glücklicher Mensch sein. Wobei ihm nicht unterstellt werden soll, dass er sich am Elend der nach Deutschland drängenden Flüchtlinge delektiert.
Deren Schicksal, deren Nöte wird er ebenso bedauern, wie die meisten Bundesbürger, die Bayern ausdrücklich eingeschlossen. Doch es war die Flüchtlingskrise, die in den letzten zwölf Monaten einen angezählten Ministerpräsidenten und lahmenden CSU-Vorsitzenden auf den Höhepunkt seiner Macht katapultierte.
CSU macht Sorgen der Bürger zum Thema
Die wundersame Auferstehung des 66-Jährigen wird von den Seinen gefeiert, von Kritikern mit Sorge betrachtet. Denn den Höhenflug verdankt er den Flüchtlingen, weil der erwartbare Andrang auf eine völlig unvorbereitete Bundesregierung traf. Der erste, der Kanzlerin Angela Merkel dieses vorhielt, war Horst Seehofer.
Er machte die Sorgen und Befürchtungen der Bürger zu seinem Thema, griff ihre Ängste auf, zeigte Verständnis und gab ihnen Hoffnungen auf Besserung. Keine Bange vor Überfremdung, kein Zittern um Besitz und erreichten Wohlstand, fürchtet euch nicht, Voll-Horst ist bei Euch!
Dass die Kritik am ungebremsten Zuzug zu aller erst und am heftigsten aus Deutschlands Süden kam und kommt, kann nicht verwundern. Bayern mit seinen offenen Grenzen war von Anfang an das am meisten betroffene Bundesland. Die schnell reagierenden Behörden, Tausende freiwillige Helfer und eine Kanzlerin der offenen Arme vermittelten der staunenden Welt das Bild einer humanitären Großmacht.
Doch die Fragen aller Fragen, wie lässt sich eine so hohe Zahl von in jeder Hinsicht Bedürftigen angemessen versorgen, auf welche Verweilzeiten müssen wir uns einrichten, wie kann die Integration der unterschiedlichen ethnischen und religiösen Gruppen gelingen, blieb unbeantwortet.
München drängt Berlin Lösungen auf
Und weil für die Bewältigung dieser Probleme immer noch kein umfassendes Konzept vorliegt, und weil deshalb die Besorgnis der Bürger weiter wächst, haben ausländerfeindliche und rechtsextreme Gruppen Zulauf.
Insofern muss man der CSU, deren Ziel es seit Franz Josef Strauß ist, rechts von sich keine starke politische Kraft zuzulassen, fast dankbar sein, dass sie die Klientel der Anfälligen mit ihren Vorschlägen zur Lösung der Flüchtlingskrise bei demokratischer Laune hält.
Wiedereinführung der Grenzkontrollen, Registrierungspflicht für alle Neuankömmlinge, Einrichtung von grenznahen Transitzonen, Festlegung von Obergrenzen für Asylbewerber, sofortige Abschiebung von Flüchtlingen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern, mit Unterschrift anzuerkennende Integrationsverpflichtung, Zurückweisung von Ausländern ohne gültige Personalpapiere sind die CSU-Forderungen, denen Horst Seehofer sein Comeback verdankt.
Viele davon wurden von CDU und SPD zuerst entschieden abgelehnt und dann ein wenig abgemildert übernommen. Dass Manches, was aus der CSU-Zentrale kommt, schlicht widersinnig ist, wie die schriftliche Integrationsverpflichtung oder die Sache mit den gültigen Pässen im Fluchtgepäck hängt wohl mit der Eile zusammen, mit der die CSU im Gespräch bleiben und Druck ausüben will.
Seehofer hält Merkel im Schwitzkasten
Die Flüchtlingskrise hat ihr jenes politische Gewicht zurückgegeben, das sie in früheren Legislaturperioden durchaus hatte. Und dass Angela Merkel ihre bayerischen Freunde nach der letzten Wahl im Kabinett an den Katzentisch verbannte, musste sie beim CSU-Parteitag mit einer öffentlichen Demütigung büßen.
Auch ein Auftritt in Wildbad Kreuth bei der Klausur der christsozialen Landesgruppe wurde ihr nicht erspart. Dem Vernehmen nach will Seehofer aber auf eine schriftliche Unterwerfungsverpflichtung der Kanzlerin verzichten. Solange die Flüchtlingskrise anhält, hält er sie ohnehin im politischen Schwitzkasten.