CSU-Politiker für Verschiebung der Griechenland-Wahl
Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber hält es für "abenteuerlich", bei der momentan aufgeheizten Stimmung in Griechenland Wahlen durchzuführen. Die EU-Rettungspakete für Athen seien "vergebene Liebesmüh", sollte eine neue Regierung vereinbarte Reformen ablehnen.
Ute Welty: Das Geld ist unterwegs, aber naht auch Rettung? Die Finanzminister treffen sich heute ein weiteres Mal, um eben ein weiteres Mal über die Lage Griechenlands zu beraten. Bereits am Freitag hatte man rund 35 Milliarden Euro aus dem zweiten Rettungspaket auf den Weg gebracht und bereits am Freitag meldete die griechische Regierung, dass der Schuldenschnitt unter Dach und Fach sei. Zu denen, die den Schuldenschnitt begrüßt haben, gehört Markus Ferber, der die CSU im Europaparlament vertritt. Guten Morgen!
Markus Ferber: Schönen guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Jetzt hatte man ja den Eindruck, nach dem Schuldenschnitt sei die ganz große Hektik erst mal vorbei. Aber es scheint genau im selben hohen Tempo weiterzugehen wie vorher. Kommen Sie noch zum Luftholen, was die Rettung Griechenlands angeht?
Ferber: Ja, wir müssen natürlich zum Luftholen kommen. Auf der anderen Seite ist der Schuldenschnitt nur ein Schritt gewesen hin zu einem stabilen Wachstumspfad, den Griechenland gehen muss. Es geht jetzt darum, den Internationalen Währungsfonds in das zweite Griechenland-Rettungspaket zu integrieren. Hier gibt es ja Zusagen von Frau Lagarde, was ich sehr begrüße, das entlastet auch die Verpflichtungen, die Deutschland eingegangen ist. Auf der anderen Seite geht es jetzt darum, nachdem auch das zweite Schuldenpaket ja nur die Schuldner Griechenlands bedient und nicht Griechenland hilft, wieder Wachstumspfade zu begehen, geht es jetzt darum auch heute beim Finanzminister-Treffen, was hier gemacht werden kann. Die Task-Force der Europäischen Kommission ist ab heute wieder in Athen und von daher haben wir noch eine Menge an Arbeit zu erledigen, wenn es darum geht, Griechenland auf einen gesunden Weg zu bringen.
Welty: Aber das heißt doch im Umkehrschluss, der Schuldenschnitt schafft nicht das, was seine vornehmste Aufgabe war, nämlich, Zeit zu verschaffen.
Ferber: Doch, das schafft der Schuldenschnitt natürlich schon. Er entlastet damit die Zinslasten, die Griechenland zu leisten hat, deutlich. Und es geht ja darum, dass der griechische Haushalt in eine Lage versetzt wird, dass die Verpflichtungen, die eingegangen sind und die noch vorhanden sind, bedient werden können, ohne dass neue Schulden aufgenommen werden müssen. Die Schuldentragfähigkeit ist hier das Zauberwort. Und der zweite Schritt wird jetzt sein, dass wir zum Beispiel eine Umwidmung der Strukturfonds in einem Programm, was auch von der Administration in Griechenland umgesetzt werden muss, dafür sorgen, dass Investitionen in Griechenland getätigt werden können, dass wieder Arbeitsplätze entstehen, dass die dreijährige Rezession, die wir in Griechenland erlebt haben, überwunden wird, dass die Jugendarbeitslosigkeit abgebaut wird. Das sind noch Mörderaufgaben, die aber nur geleistet werden können, wenn der Staat wieder handlungsfähig wird und von den Schuldenlasten etwas befreit wurde. Und genau das hat am Freitag stattgefunden.
Welty: Neben dem griechischen Haushalt gibt es ja auch den deutschen Haushalt und dass der Schuldenschnitt den deutschen Steuerzahler belastet, das war klar. Jetzt könnte es aber doppelt so teuer werden, nicht zehn, sondern womöglich 20 Milliarden Euro. Wie erklären Sie das zu Hause in Augsburg?
Ferber: Ich glaube … Man muss ja auf der einen Seite sehen: Hätten wir den Schuldenschnitt nicht gemacht und Griechenland in die Pleite gehen lassen, dann wären die Abschreibungsbedürfnisse bei Banken in Deutschland noch größer gewesen. Auf der anderen Seite hat jeder gewusst, was auf ihn zukommt, die Europäische Bankenaufsicht hatte ja in den letzten eineinhalb Jahren mehrmals die systemrelevanten Banken überprüft. Das Gleiche gilt ja auch für die großen Versicherungen, wir haben in München zwei große Versicherer, die da auch stark betroffen sind. Die Alternative wäre ein hundertprozentiger Ausfall gewesen und dann hätten wir das Doppelte an Geld, an Sicherung wieder aufspannen müssen. Also, ich glaube, dass das ein vernünftiger Weg war, eine Teilentschuldung Griechenlands zu machen, auch wenn das natürlich für alle Beteiligten Belastungen bedeutet.
Welty: Trotzdem erinnert es ja schon so ein bisschen an die Geschichte vom Hasen und vom Igel: Egal, wo man ankommt, steckt schon eine schlechte Nachricht drin.
Ferber: Nein, ganz so schlimm sehe ich es nicht. Wir haben, wenn Sie die letzten zwei Jahre sich anschauen – und so lang geht ja die Diskussion um Griechenland – einiges erreicht, auch an Umdenken in Griechenland selber. Und das ist eigentlich der Hoffnungsanker, den ich habe. Das Ganze wird nur funktionieren, wenn die Menschen in Griechenland mitmachen, und das schaut wesentlich besser aus, als manchmal in den Fernsehbildern zu erkennen ist.
Welty: Wer kann denn sicherstellen, ob denn endlich mal alle Fakten auf dem Tisch liegen? Wer kann wirklich Transparenz herstellen, auch einen Überblick verschaffen über die Situation in Griechenland selber?
Ferber: Ich glaube, da sind wir auf einem sehr, sehr guten Weg. Wir haben ja den Internationalen Währungsfonds, die Europäische Zentralbank und Beamte der Europäischen Kommission in den Ministerien sitzen. Das heißt, wir haben einen sehr, sehr guten Überblick über das, was geht, und das, was nicht geht, auch was das Zahlenmaterial betrifft. Und von daher ist dieses große Problem schon mal gemeistert, nämlich überhaupt mal belastbares Faktenmaterial zu bekommen. Aber auf der Grundlage dieses Faktenmaterials geht es jetzt darum, gegenzusteuern und Aufschwung zu organisieren. Und das ist die nächste große Aufgabe und dazu gehört natürlich auch, dass Griechenland innenpolitisch zu Stabilität kommt. Und der Bundesfinanzminister hat ja schon mal das Thema Wahltermin angesprochen und ich bin da seiner Meinung: Ein Land, das sich jetzt in einen Wahlkampf stürzen würde, wird nicht die Kraft freisetzen, die notwendig ist, um jetzt zu gestalten und Aufschwung zu organisieren.
Welty: Das heißt, Sie sind für eine Verschiebung der griechischen Wahlen, die ja für April angesetzt sind?
Ferber: Ich halte das für abenteuerlich, jetzt Wahlen durchzuführen in dieser aufgeheizten Stimmungslage. Es wäre im Interesse aller Beteiligten, etwas Ruhe einkehren zu lassen. Das Parlament ist ordnungsgemäß bis Mitte nächsten Jahres gewählt, sodass es keine verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten gibt, Neuwahlen durchzuführen. Das war nur der Deal für den Rücktritt von Ministerpräsident Papandreou. Aber wenn sich die Lage nicht entschärft, machen Wahlen momentan keinen Sinn. Was sollen die ganzen Hilfsversprechungen, wenn dann Kräfte an die Macht kommen, die jetzt schon Wahlkampf damit machen, dass sie die Verpflichtungen nicht mehr einhalten wollen? Dann war alles vergebene Liebesmüh und das sollte von Griechenland auch berücksichtigt werden.
Welty: Die 17 Euro-Finanzminister reden heute nicht nur über Griechenland, sondern auch über Spanien und Portugal. Haben Sie schon damit begonnen, in Gedanken die nächsten Rettungspakete zu packen?
Ferber: Nein, das ist, glaube ich, auch nicht notwendig. Portugal ist ja bereits unter dem anderen Rettungsschirm, nicht im Griechenland-Sonderpaket, sondern in diesem Stabilitätsmechanismus. Da haben wir auch für die langfristige Lösung ja so weit die Vorbereitungen getroffen. Bei Spanien hat uns natürlich schon erschüttert, dass der Neuverschuldungsbedarf größer ist als ursprünglich von der Regierung angekündigt, da haben wir in Spanien eine sehr schwierige Konstellation, dass die Zentralregierung – das wäre bei uns der Bund – den Kopf hinhalten muss, die Hauptverschuldung aber bei den Ländern liegt. Das ist anders als bei uns in Deutschland und von daher wird Spanien auch in seiner inneren Organisation darüber nachdenken müssen, wie es die Regionen an einem Schuldenpakt oder an einer Stabilitätspolitik, wie wir sie in Deutschland haben, mit beteiligen kann. Und das sind natürlich sehr wichtige Aufgaben, die aber jetzt auch von der Regierung Rajoy angegangen werden müssen.
Welty: Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber im Interview der "Ortszeit", danke dafür!
Ferber: Gerne, Frau Welty!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Markus Ferber: Schönen guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Jetzt hatte man ja den Eindruck, nach dem Schuldenschnitt sei die ganz große Hektik erst mal vorbei. Aber es scheint genau im selben hohen Tempo weiterzugehen wie vorher. Kommen Sie noch zum Luftholen, was die Rettung Griechenlands angeht?
Ferber: Ja, wir müssen natürlich zum Luftholen kommen. Auf der anderen Seite ist der Schuldenschnitt nur ein Schritt gewesen hin zu einem stabilen Wachstumspfad, den Griechenland gehen muss. Es geht jetzt darum, den Internationalen Währungsfonds in das zweite Griechenland-Rettungspaket zu integrieren. Hier gibt es ja Zusagen von Frau Lagarde, was ich sehr begrüße, das entlastet auch die Verpflichtungen, die Deutschland eingegangen ist. Auf der anderen Seite geht es jetzt darum, nachdem auch das zweite Schuldenpaket ja nur die Schuldner Griechenlands bedient und nicht Griechenland hilft, wieder Wachstumspfade zu begehen, geht es jetzt darum auch heute beim Finanzminister-Treffen, was hier gemacht werden kann. Die Task-Force der Europäischen Kommission ist ab heute wieder in Athen und von daher haben wir noch eine Menge an Arbeit zu erledigen, wenn es darum geht, Griechenland auf einen gesunden Weg zu bringen.
Welty: Aber das heißt doch im Umkehrschluss, der Schuldenschnitt schafft nicht das, was seine vornehmste Aufgabe war, nämlich, Zeit zu verschaffen.
Ferber: Doch, das schafft der Schuldenschnitt natürlich schon. Er entlastet damit die Zinslasten, die Griechenland zu leisten hat, deutlich. Und es geht ja darum, dass der griechische Haushalt in eine Lage versetzt wird, dass die Verpflichtungen, die eingegangen sind und die noch vorhanden sind, bedient werden können, ohne dass neue Schulden aufgenommen werden müssen. Die Schuldentragfähigkeit ist hier das Zauberwort. Und der zweite Schritt wird jetzt sein, dass wir zum Beispiel eine Umwidmung der Strukturfonds in einem Programm, was auch von der Administration in Griechenland umgesetzt werden muss, dafür sorgen, dass Investitionen in Griechenland getätigt werden können, dass wieder Arbeitsplätze entstehen, dass die dreijährige Rezession, die wir in Griechenland erlebt haben, überwunden wird, dass die Jugendarbeitslosigkeit abgebaut wird. Das sind noch Mörderaufgaben, die aber nur geleistet werden können, wenn der Staat wieder handlungsfähig wird und von den Schuldenlasten etwas befreit wurde. Und genau das hat am Freitag stattgefunden.
Welty: Neben dem griechischen Haushalt gibt es ja auch den deutschen Haushalt und dass der Schuldenschnitt den deutschen Steuerzahler belastet, das war klar. Jetzt könnte es aber doppelt so teuer werden, nicht zehn, sondern womöglich 20 Milliarden Euro. Wie erklären Sie das zu Hause in Augsburg?
Ferber: Ich glaube … Man muss ja auf der einen Seite sehen: Hätten wir den Schuldenschnitt nicht gemacht und Griechenland in die Pleite gehen lassen, dann wären die Abschreibungsbedürfnisse bei Banken in Deutschland noch größer gewesen. Auf der anderen Seite hat jeder gewusst, was auf ihn zukommt, die Europäische Bankenaufsicht hatte ja in den letzten eineinhalb Jahren mehrmals die systemrelevanten Banken überprüft. Das Gleiche gilt ja auch für die großen Versicherungen, wir haben in München zwei große Versicherer, die da auch stark betroffen sind. Die Alternative wäre ein hundertprozentiger Ausfall gewesen und dann hätten wir das Doppelte an Geld, an Sicherung wieder aufspannen müssen. Also, ich glaube, dass das ein vernünftiger Weg war, eine Teilentschuldung Griechenlands zu machen, auch wenn das natürlich für alle Beteiligten Belastungen bedeutet.
Welty: Trotzdem erinnert es ja schon so ein bisschen an die Geschichte vom Hasen und vom Igel: Egal, wo man ankommt, steckt schon eine schlechte Nachricht drin.
Ferber: Nein, ganz so schlimm sehe ich es nicht. Wir haben, wenn Sie die letzten zwei Jahre sich anschauen – und so lang geht ja die Diskussion um Griechenland – einiges erreicht, auch an Umdenken in Griechenland selber. Und das ist eigentlich der Hoffnungsanker, den ich habe. Das Ganze wird nur funktionieren, wenn die Menschen in Griechenland mitmachen, und das schaut wesentlich besser aus, als manchmal in den Fernsehbildern zu erkennen ist.
Welty: Wer kann denn sicherstellen, ob denn endlich mal alle Fakten auf dem Tisch liegen? Wer kann wirklich Transparenz herstellen, auch einen Überblick verschaffen über die Situation in Griechenland selber?
Ferber: Ich glaube, da sind wir auf einem sehr, sehr guten Weg. Wir haben ja den Internationalen Währungsfonds, die Europäische Zentralbank und Beamte der Europäischen Kommission in den Ministerien sitzen. Das heißt, wir haben einen sehr, sehr guten Überblick über das, was geht, und das, was nicht geht, auch was das Zahlenmaterial betrifft. Und von daher ist dieses große Problem schon mal gemeistert, nämlich überhaupt mal belastbares Faktenmaterial zu bekommen. Aber auf der Grundlage dieses Faktenmaterials geht es jetzt darum, gegenzusteuern und Aufschwung zu organisieren. Und das ist die nächste große Aufgabe und dazu gehört natürlich auch, dass Griechenland innenpolitisch zu Stabilität kommt. Und der Bundesfinanzminister hat ja schon mal das Thema Wahltermin angesprochen und ich bin da seiner Meinung: Ein Land, das sich jetzt in einen Wahlkampf stürzen würde, wird nicht die Kraft freisetzen, die notwendig ist, um jetzt zu gestalten und Aufschwung zu organisieren.
Welty: Das heißt, Sie sind für eine Verschiebung der griechischen Wahlen, die ja für April angesetzt sind?
Ferber: Ich halte das für abenteuerlich, jetzt Wahlen durchzuführen in dieser aufgeheizten Stimmungslage. Es wäre im Interesse aller Beteiligten, etwas Ruhe einkehren zu lassen. Das Parlament ist ordnungsgemäß bis Mitte nächsten Jahres gewählt, sodass es keine verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten gibt, Neuwahlen durchzuführen. Das war nur der Deal für den Rücktritt von Ministerpräsident Papandreou. Aber wenn sich die Lage nicht entschärft, machen Wahlen momentan keinen Sinn. Was sollen die ganzen Hilfsversprechungen, wenn dann Kräfte an die Macht kommen, die jetzt schon Wahlkampf damit machen, dass sie die Verpflichtungen nicht mehr einhalten wollen? Dann war alles vergebene Liebesmüh und das sollte von Griechenland auch berücksichtigt werden.
Welty: Die 17 Euro-Finanzminister reden heute nicht nur über Griechenland, sondern auch über Spanien und Portugal. Haben Sie schon damit begonnen, in Gedanken die nächsten Rettungspakete zu packen?
Ferber: Nein, das ist, glaube ich, auch nicht notwendig. Portugal ist ja bereits unter dem anderen Rettungsschirm, nicht im Griechenland-Sonderpaket, sondern in diesem Stabilitätsmechanismus. Da haben wir auch für die langfristige Lösung ja so weit die Vorbereitungen getroffen. Bei Spanien hat uns natürlich schon erschüttert, dass der Neuverschuldungsbedarf größer ist als ursprünglich von der Regierung angekündigt, da haben wir in Spanien eine sehr schwierige Konstellation, dass die Zentralregierung – das wäre bei uns der Bund – den Kopf hinhalten muss, die Hauptverschuldung aber bei den Ländern liegt. Das ist anders als bei uns in Deutschland und von daher wird Spanien auch in seiner inneren Organisation darüber nachdenken müssen, wie es die Regionen an einem Schuldenpakt oder an einer Stabilitätspolitik, wie wir sie in Deutschland haben, mit beteiligen kann. Und das sind natürlich sehr wichtige Aufgaben, die aber jetzt auch von der Regierung Rajoy angegangen werden müssen.
Welty: Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber im Interview der "Ortszeit", danke dafür!
Ferber: Gerne, Frau Welty!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.