CSU-Politiker will Organtransplantationen stärker kontrollieren
Aus Sicht des CSU-Politikers Johannes Singhammer soll der Bund mehr Kompetenzen erhalten, um Transplantationsärzte in Deutschland zu überwachen. Zudem müssten Bonussysteme für die Mediziner abgeschafft werden, da sie falsche Anreize setzten.
Gabi Wuttke: Erst Göttingen, dann Regensburg, jetzt München - das Geschäft mit Organspenden, womöglich sehen wir immer noch nicht mehr als die berühmte Spitze des Eisbergs. Bevor der bayrische Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer sich in der Angelegenheit bei uns positioniert, berichtet unser Landeskorrespondent Michael Watzke über erste Konsequenzen.
(…)
Michael Watzke über erste Konsequenzen in München, weil sich im Klinikum rechts der Isar der Organspendenskandal fortgesetzt hat. Am Telefon ist deshalb der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, der CSU-Politiker Johannes Singhammer. Einen schönen guten Morgen!
Johannes Singhammer: Guten Morgen, Frau Wuttke!
Wuttke: Ein selbstständiges Zentrum für Transplantationsmedizin in München, haben wir gerade gehört, soll es geben - heißt das, da kontrolliert man sich jetzt wieder selbst?
Singhammer: Ich denke, dass es eine richtige Konsequenz ist, genauer hinzusehen und mehr Unabhängigkeit in die Kontrolle zu bringen, aber es bleibt eine enorme Zersplitterung der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten in der Organtransplantation, wie es sonst in keinem anderen Rechtsgebiet und politischem Bereich erkennbar ist.
Beispielsweise sind die Länder zuständig für die Aufsicht über die Krankenhäuser und die Kliniken und die Universitätskliniken, während für die Organspende selbst eine Reihe von Organisationen zuständig sind. Ich nenne mal einige: Das ist zum Beispiel die Deutsche Stiftung für Organspende, das ist Eurotransplant, das ist die Bundesärztekammer mit der ständigen Kommission für Organspende und dann die Deutsche Transplantationsgesellschaft. Also das zeigt schon, da ist vieles in Unordnung und muss geordnet werden.
Wuttke: Aber was meinen Sie dann mit Unabhängigkeit?
Singhammer: Mit unabhängig meine ich, dass es eine staatliche Kontrolle geben muss - keine staatliche Kontrolle, die entscheidet, wer welches Organ bekommt, das würde die Politik komplett überfordern -, aber die eben wie in anderen Politikbereichen auch unangemeldet kontrollieren kann und nachsehen kann.
Wuttke: Hoheitliche Kontrollrechte und Sanktionsmöglichkeiten klingen machtvoll, aber die Wirklichkeit zeigt uns ja auch immer wieder, es fehlt Behörden an Personal. Razzien werden durchgestochen und am Ende bleibt viel heiße politische Luft. Wie überfordert ist die Politik denn Ihrer Ansicht nach in diesem Fall?
Singhammer: Ganz einfach die Zersplitterung der Zuständigkeiten weitestgehend auflösen zwischen den Ländern und dem Bund. Wir haben im Bund eine bewährte Institution, das ist das Paul-Ehrlich-Institut, das ohnehin nach dem Transplantationsgesetz schon eine Reihe von Zuständigkeiten hat. Ich plädiere dafür, dass das Paul-Ehrlich-Institut mehr Zuständigkeiten, Gesamtzuständigkeiten bekommt in Abstimmung mit den Ländern, und dass wir uns in zwei weiteren wichtigen Punkten politisch einigen. Das eine ist zum Beispiel, dass dieser Unsinn mit Prämienzahlungen für Ärzte, die möglichst viel transplantieren, aufhört, und jetzt kommen wir auch hier an einen entscheidenden Punkt: Es genügt nicht, dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft im Wege der Selbstverwaltung ankündigt, wir wollen in unseren Verträgen das nicht mehr zulassen, sondern es ist notwendig, staatliches Gesetzeshandeln, das das verbietet. Wir wollen dieses Bonussystem nicht, weil es nämlich eine der Ursachen für die derzeitigen Skandale ist.
Wuttke: Und welche Rolle spielt in dem Zusammenhang, dass wegen zu geringer Lebertransplantation im München eine Schließung im Raum stand, welche Konsequenzen müssten daraus gezogen werden?
Singhammer: Auch die zweite Konsequenz, die Sie zu Recht ansprechen, ist, wir haben 48 Transplantationszentren in Deutschland und viel zu wenig Organe. Damit besteht ein dauerhafter Wettbewerb: Wer kann transplantieren in einer Mangelsituation? Das heißt, wir müssen darauf achten, dass die Zahl der Zentren verringert wird. Da gibt es Möglichkeiten, und ich denke, es ist richtig, dass hier der bayrische Gesundheitsminister auch diesen Weg überlegt, wie man das machen kann, dass diese unsinnige Wettbewerbs- und Konkurrenzsituation sich nicht weiterentwickelt.
Wuttke: Was also erwarten Sie dann von Bundesgesundheitsminister Bahr?
Singhammer: Ich erwarte, dass er nach diesem Spitzengespräch mit den Beteiligten, was ein wichtiger Schritt war, jetzt auch gesetzliche Änderungen einleitet, die ganz klar eine bessere staatliche Aufsicht zum Ziel haben.
Wuttke: Wenn Sie aber sagen, die Politik sei überfordert, auch wenn Sie jetzt sagen, wem Sie gerne mehr Verantwortung und Kontrolle übertragen würden, können Sie trotzdem sicherlich nachvollziehen, dass das Vertrauen von Bürgern in staatliche Kontrolle nicht gerade überwältigend ist.
Singhammer: Ich glaube, es ist besser, wie sich ja jetzt schon zeigt mit dem Sechsaugenprinzip in Bayern und anderen, als wenn man es so beließe, wie es jetzt ist, wo letztendlich in diesem sensibelsten Bereich ständig alle Wochen neue Skandale ans Licht kommen, und deshalb, glaube ich, erwarten die Menschen schon, dass das bisherige System, das erkennbare Schwächen hat, geändert wird. Das erwarten sie von der Politik, und genau das möchte ich mit meinem Vorschlag auch anstoßen.
Wuttke: Und inwiefern wird die Politik weiterverfolgen, wie großräumig dieser Organspendenskandal denn eigentlich ist? Denn unter den Teppich kehren sollten wir den nicht.
Singhammer: Niemals, das wäre das Schlimmste und Verhängnisvollste, was es überhaupt gibt. Im Gegenteil: Transparenz. Und wir sehen ja auch, dass die Art und Weise dieser Skandale, wie sie aufgekommen sind vor acht oder zehn Wochen, noch jeder für unmöglich oder gespenstisch allenfalls erachtet hätte, jetzt sind sie Realität geworden. Viele fragen sich, was kommt da sonst noch, und deshalb, glaube ich, ist die Politik wirklich gut beraten, wenn sie mit großen Anstrengungen versucht, Licht in das Dunkel zu bringen und vor allem klare Zuständigkeiten und Kompetenzen schafft.
Wuttke: Der Organspendenskandal in Deutschland, dazu die Position des Christsozialen Johannes Singhammer im Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Singhammer: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Johannes Singhammer: Guten Morgen, Frau Wuttke!
Wuttke: Ein selbstständiges Zentrum für Transplantationsmedizin in München, haben wir gerade gehört, soll es geben - heißt das, da kontrolliert man sich jetzt wieder selbst?
Singhammer: Ich denke, dass es eine richtige Konsequenz ist, genauer hinzusehen und mehr Unabhängigkeit in die Kontrolle zu bringen, aber es bleibt eine enorme Zersplitterung der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten in der Organtransplantation, wie es sonst in keinem anderen Rechtsgebiet und politischem Bereich erkennbar ist.
Beispielsweise sind die Länder zuständig für die Aufsicht über die Krankenhäuser und die Kliniken und die Universitätskliniken, während für die Organspende selbst eine Reihe von Organisationen zuständig sind. Ich nenne mal einige: Das ist zum Beispiel die Deutsche Stiftung für Organspende, das ist Eurotransplant, das ist die Bundesärztekammer mit der ständigen Kommission für Organspende und dann die Deutsche Transplantationsgesellschaft. Also das zeigt schon, da ist vieles in Unordnung und muss geordnet werden.
Wuttke: Aber was meinen Sie dann mit Unabhängigkeit?
Singhammer: Mit unabhängig meine ich, dass es eine staatliche Kontrolle geben muss - keine staatliche Kontrolle, die entscheidet, wer welches Organ bekommt, das würde die Politik komplett überfordern -, aber die eben wie in anderen Politikbereichen auch unangemeldet kontrollieren kann und nachsehen kann.
Wuttke: Hoheitliche Kontrollrechte und Sanktionsmöglichkeiten klingen machtvoll, aber die Wirklichkeit zeigt uns ja auch immer wieder, es fehlt Behörden an Personal. Razzien werden durchgestochen und am Ende bleibt viel heiße politische Luft. Wie überfordert ist die Politik denn Ihrer Ansicht nach in diesem Fall?
Singhammer: Ganz einfach die Zersplitterung der Zuständigkeiten weitestgehend auflösen zwischen den Ländern und dem Bund. Wir haben im Bund eine bewährte Institution, das ist das Paul-Ehrlich-Institut, das ohnehin nach dem Transplantationsgesetz schon eine Reihe von Zuständigkeiten hat. Ich plädiere dafür, dass das Paul-Ehrlich-Institut mehr Zuständigkeiten, Gesamtzuständigkeiten bekommt in Abstimmung mit den Ländern, und dass wir uns in zwei weiteren wichtigen Punkten politisch einigen. Das eine ist zum Beispiel, dass dieser Unsinn mit Prämienzahlungen für Ärzte, die möglichst viel transplantieren, aufhört, und jetzt kommen wir auch hier an einen entscheidenden Punkt: Es genügt nicht, dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft im Wege der Selbstverwaltung ankündigt, wir wollen in unseren Verträgen das nicht mehr zulassen, sondern es ist notwendig, staatliches Gesetzeshandeln, das das verbietet. Wir wollen dieses Bonussystem nicht, weil es nämlich eine der Ursachen für die derzeitigen Skandale ist.
Wuttke: Und welche Rolle spielt in dem Zusammenhang, dass wegen zu geringer Lebertransplantation im München eine Schließung im Raum stand, welche Konsequenzen müssten daraus gezogen werden?
Singhammer: Auch die zweite Konsequenz, die Sie zu Recht ansprechen, ist, wir haben 48 Transplantationszentren in Deutschland und viel zu wenig Organe. Damit besteht ein dauerhafter Wettbewerb: Wer kann transplantieren in einer Mangelsituation? Das heißt, wir müssen darauf achten, dass die Zahl der Zentren verringert wird. Da gibt es Möglichkeiten, und ich denke, es ist richtig, dass hier der bayrische Gesundheitsminister auch diesen Weg überlegt, wie man das machen kann, dass diese unsinnige Wettbewerbs- und Konkurrenzsituation sich nicht weiterentwickelt.
Wuttke: Was also erwarten Sie dann von Bundesgesundheitsminister Bahr?
Singhammer: Ich erwarte, dass er nach diesem Spitzengespräch mit den Beteiligten, was ein wichtiger Schritt war, jetzt auch gesetzliche Änderungen einleitet, die ganz klar eine bessere staatliche Aufsicht zum Ziel haben.
Wuttke: Wenn Sie aber sagen, die Politik sei überfordert, auch wenn Sie jetzt sagen, wem Sie gerne mehr Verantwortung und Kontrolle übertragen würden, können Sie trotzdem sicherlich nachvollziehen, dass das Vertrauen von Bürgern in staatliche Kontrolle nicht gerade überwältigend ist.
Singhammer: Ich glaube, es ist besser, wie sich ja jetzt schon zeigt mit dem Sechsaugenprinzip in Bayern und anderen, als wenn man es so beließe, wie es jetzt ist, wo letztendlich in diesem sensibelsten Bereich ständig alle Wochen neue Skandale ans Licht kommen, und deshalb, glaube ich, erwarten die Menschen schon, dass das bisherige System, das erkennbare Schwächen hat, geändert wird. Das erwarten sie von der Politik, und genau das möchte ich mit meinem Vorschlag auch anstoßen.
Wuttke: Und inwiefern wird die Politik weiterverfolgen, wie großräumig dieser Organspendenskandal denn eigentlich ist? Denn unter den Teppich kehren sollten wir den nicht.
Singhammer: Niemals, das wäre das Schlimmste und Verhängnisvollste, was es überhaupt gibt. Im Gegenteil: Transparenz. Und wir sehen ja auch, dass die Art und Weise dieser Skandale, wie sie aufgekommen sind vor acht oder zehn Wochen, noch jeder für unmöglich oder gespenstisch allenfalls erachtet hätte, jetzt sind sie Realität geworden. Viele fragen sich, was kommt da sonst noch, und deshalb, glaube ich, ist die Politik wirklich gut beraten, wenn sie mit großen Anstrengungen versucht, Licht in das Dunkel zu bringen und vor allem klare Zuständigkeiten und Kompetenzen schafft.
Wuttke: Der Organspendenskandal in Deutschland, dazu die Position des Christsozialen Johannes Singhammer im Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Singhammer: Danke schön!
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