Mahnung für die Medien
Der Hacker-Angriff auf den Sender TV5 Monde sollte die Medienunternehmen wachrütteln, kommentiert Falk Steiner. Sie nutzen zunehmend digitale Strukturen, um Programme zu verbreiten, also müssen sie sich stärker absichern, damit nicht Dritte ihre digitale Infrastruktur ausnutzen.
Es klingt wie aus einem Science-Fiction-Roman: Hacker einer islamistischen Gruppierung bemächtigen sich der Infrastruktur eines Fernsehsenders und verbreiten darüber ihre Botschaften. Doch genau dieses Szenario scheint nun, einen Tag nach der Attacke auf den französischsprachigen internationalen Sender TV 5 Monde, keineswegs weit hergeholt: Laut Medienberichten hatten die Angreifer, die sich als Cyberkalifat bezeichnen und damit als digitaler Arm des sogenannten Islamischen Staates, nicht nur Zugang zu den Social-Media-Kanälen des Fernsehsenders bei Facebook, bei Twitter. Sondern darüber hinaus sollen auch die eigenen Systeme des Fernsehsenders betroffen gewesen sein, unter anderem die Verbreitungsinfrastruktur.
Von Hinrichtungsvideos bis zur Online-Rekrutierung
Nun sind die Angreifer vom sogenannten Cyberkalifat keine Neulinge, sie haben in der Vergangenheit mit einigen Aktionen auf sich aufmerksam gemacht – unter anderem mit der Entstellung des Twitter-Profils des US-Militär-Zentralkommandos Centcom vor einigen Wochen. Doch die meisten Aktionen waren eher rudimentärer digitaler Vandalismus, keine hochkomplizierten, gezielten Angriffe gegen Infrastrukturen. Und auch im aktuellen Fall bleibt nach allen öffentlich bekannten Details die Vermutung, dass die Senderausfälle eher ein Nebenprodukt des Angriffs sein könnten.
Hätten sich diese Terroristen die Chance entgehen lassen, einen weltweit tätigen Fernsehsender für ihre Propaganda zu missbrauchen? In der Logik der Terroristen gedacht scheint die Aktion damit am Ende fast schon ein Misserfolg. Denn sie haben offenbar Teile der Senderinfrastruktur getroffen, bei denen sie selbst damit nicht gerechnet haben. Terrorismus versucht aber immer den maximalen propagandistischen Effekt zu erzielen, und kaum eine Organisation hat dies in so perfekter Perversion vorgeführt wie der IS und seine Unterstützer, von Hinrichtungsvideos und ihrer digitalen Verbreitung bis hin zur Rekrutierung über das Netz. Glück gehabt, muss man da wohl sagen. Aber nur vorerst.
Gekaperten Facebook-Seiten sind das kleinste Problem
Denn bereits in naher Zukunft kann sich das ändern. Und Medieninstitutionen sind zwar seit jeher auch selbst Ziel von Stör- und Manipulationsversuchen jedweder Art. Doch mit digitalen Angriffen auf ihre Infrastrukturen haben viele von ihnen erst in den vergangenen Monaten Erfahrungen gemacht. Da auch die Verbreitungswege zunehmend eben digitale Strukturen nutzen, wäre es für jedes westliche Medienunternehmen allerhöchste Zeit, sich hierzu Gedanken zu machen.
Die vorübergehend gekaperten Facebookseiten sind in diesem Kontext nur das allerkleinste Problem: Denn wer garantiert Ihnen schon dafür, dass dieser Kommentar, den Sie gerade hören, gerade auch wirklich zu hören sein sollte? Am Ende: niemand, wenn die Infrastruktur von einem Dritten kontrolliert würden. Selbst wenn hier gerade alles seine Ordnung hat.