Fraktionsrechner mit Trojanern infiziert
Der Cyber-Angriff auf das bundestagsinterne Netz Parlakom hat wohl eine viel größere Dimension als bisher angenommen. Offenbar ist es den Hackern gelungen, tief in das Datennetz einzudringen und Bundestagsrechner mit sogenannten Trojanern zu infizieren.
Bei dem Hackerangriff auf das Datennetz des Deutschen Bundestages ist es den Tätern offenbar gelungen, Daten zu erbeuten. Nach Berichten des "Spiegel" und des "Tagesspiegel" hat damit der seit zwei Wochen bekannte Cyber-Angriff auf das bundestagsinterne Netz Parlakom eine viel größere Dimension, als bisher angenommen. Nach Aussagen des Sprechers des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Matthias Gärtner, spreche die Professionalität der Angreifer dafür, dass hier ein Geheimdienst am Werk sei.
Offenbar ist es den Hackern gelungen, tief in das Datennetz einzudringen und Bundestagsrechner mit sogenannten Trojanern zu infizieren. Bis Donnerstag entdeckten IT-Experten mehrere befallene Computer, sie wurden sofort vom Netz genommen. Gestern Abend mussten sämtliche Bundestagsrechner erneut heruntergefahren werden.
"Man kann davon ausgehen, dass mehrere Computer inzwischen ferngesteuert werden, deswegen sind manche Bereiche komplett abgeschaltet worden, damit man überhaupt noch die Sicherheit dieser Daten gewährleisten kann",
erklärte IT-Experte Götz Schartner.
Rechner der Union und der Linken sollen betroffen sein
Von wem die Attacken ausgehen und wohin die Daten abgezogen wurden, ist bislang nicht bekannt. An das Parlakom-Netz sind nach Spiegel-Angaben rund 20.000 Bundestagsaccounts angeschlossen, darunter auch der vom Bundeskanzlerin Angela Merkel und weiteren Regierungsmitgliedern, sowie Hunderte von Wahlkreisbüros in Deutschland. Von den Hackerangriffen betroffen seien Computer der CDU/CSU-Fraktion und der Linksfraktion im Bundestag. Aus der Unionsfraktion wollte man dies heute jedoch nicht bestätigen.
Bundestagvizepräsidentin Petra Pau hatte schon bei Bekanntwerden der Attacken von einer "schwerwiegenden Angelegenheit" gesprochen. "Einen solchen Angriff auf das Netz des Bundestages über mehrere Tage hat es noch nicht gegeben.", sagte die Linkspolitikerin. Der Grünen-Netz-Politiker Konstantin von Notz, der auch Obmann seiner Partei im NSA-Untersuchungsausschuss ist, kritisierte die Sicherheitspolitik der Bundesregierung scharf. Beim Schutz vor Cyber-Attacken sei in den vergangenen Jahren - wenn überhaupt - nur sporadisch etwas passiert, sagte er in der heutigen Ausgabe der "Berliner Morgenpost". Auch die Informationspolitik gegenüber den Abgeordneten sei absolut "unzureichend" gewesen.
Lammert reagiert erst nach Medienberichten
Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte erst nach ersten Medienberichten vor einer Woche in einer Mail an die Abgeordneten vor den massiven Angriffen auf das Datennetz gewarnt. Der Kampf der IT-Techniker gegen die Trojaner wurde offenbar auch durch das Misstrauen vieler Abgeordneter gegenüber dem Verfassungsschutz und dem BSI erschwert. Einzelne Parlamentarier wollten die Experten dieser Behörden nicht an ihre Rechner lassen wollen, aus Angst, dass ihre vertrauliche Kommunikation bekannt werde, berichtet der "Spiegel". Und als wären die Dinge nicht kompliziert genug: Der Hinweis auf den Cyber-Angriff auf den Deutschen Bundestag kam von einem befreundeten ausländischen Nachrichtendienst.