So klingen die Wörter, die die K. I. rekonstruiert hat: Klangbeispiel F8_ln_aud
Künstliche Intelligenz rekonstruiert aus Hirnströmen Gehörtes
06:09 Minuten
Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz ist es Forschern der New Yorker Columbia University gelungen, Hirnströme zu analysieren und als gesprochene Sprache hörbar zu machen. Können Computer bald unsere Gedanken lesen, wollten wir von Cyborg Enno Park wissen.
Gedankenlesen ist ein alter Traum – oder Albtraum – der Hirnforschung. Ein Wissenschaftlerteam an der New Yorker Columbia University ist hier ein Durchbruch gelungen. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz können sie Hirnströme analysieren und als gesprochene Sprache hörbar machen. Das klingt nach einer Chance für stumme Menschen, aber auch nach dem Wahrwerden dystopischer Zukunftsvisionen. Können Computer bald unsere Gedanken lesen? Das wollten wir von Enno Park wissen. Er hat durch ein Implantat sein Gehör wieder erhalten und ist Mitglied der Berliner Cyborgs e.V..
Timo Grampes: Bei Meldungen aus der Wissenschaft, da bin ich manchmal auch ein wenig skeptisch, wenn irgendwo steht, man könne mit Hilfe von Technik Gedanken lesen. Gab es auch schon mal in der Art. Wie ist denn diese Meldung einzuordnen?
Enno Park: Ich war bei dieser Meldung am Anfang auch sehr, sehr skeptisch. In der Vergangenheit gab es oft Systeme, die Gehirnströme analysieren und nach dem Prinzip funktionieren: Denk mal daran, den linken Arm zu heben, und die so gewonnenen Hirnströme können dann zum Beispiel einen Rollstuhl fernsteuern. Und das wird dann als Gedankenlesen verkauft. Aber das, was jetzt hier tatsächlich passiert ist, geht noch einen Schritt weiter. Man kann tatsächlich gesprochene Sprache aus den Hirnströmen rekonstruieren.
Timo Grampes: Bei Meldungen aus der Wissenschaft, da bin ich manchmal auch ein wenig skeptisch, wenn irgendwo steht, man könne mit Hilfe von Technik Gedanken lesen. Gab es auch schon mal in der Art. Wie ist denn diese Meldung einzuordnen?
Enno Park: Ich war bei dieser Meldung am Anfang auch sehr, sehr skeptisch. In der Vergangenheit gab es oft Systeme, die Gehirnströme analysieren und nach dem Prinzip funktionieren: Denk mal daran, den linken Arm zu heben, und die so gewonnenen Hirnströme können dann zum Beispiel einen Rollstuhl fernsteuern. Und das wird dann als Gedankenlesen verkauft. Aber das, was jetzt hier tatsächlich passiert ist, geht noch einen Schritt weiter. Man kann tatsächlich gesprochene Sprache aus den Hirnströmen rekonstruieren.
K. I. rekonstruiert gehörte Wörter
Grampes: Wäre die Frage, wie das genau funktioniert.
Park: Also der Versuchsaufbau bei diesem Experiment funktioniert so: Die Forscher haben ihren Probanden Wörter und Zahlen vorgelesen und während das passiert, wird mit einem Hirnimplantat gemessen, was im Hörzentrum dieses Gehirns passiert. Und diese Daten werden wiederum an eine Künstliche Intelligenz gefüttert, die diese Daten mit den ursprünglich gesprochenen Wörtern vergleicht. Und dabei lernt diese Künstliche Intelligenz dann die Hirnströme so auszuwerten, dass man aus dem Hörzentrum tatsächlich das gerade Gehörte wieder rekonstruieren und hörbar machen kann.
Grampes: Die Forscher haben auf ihrer Webseite einige Klangbeispiele veröffentlicht. Das klingt tatsächlich sehr gespenstisch.
Park: Gespenstisch ist das richtige Wort. Einerseits stammt das tatsächlich aus Gehirnen, andererseits dann dieser komische Roboter-Sound. Man muss sich dabei aber klarmachen, das sind noch nicht irgendwelche Gedanken. Man kann nicht auslesen, wenn Menschen gerade an diese Zahlen denken, nur dass sie sie gerade hören.
Grampes: Aber könnte diese Technik nicht eines Tages zu einem System führen, das Gedanken lesen kann?
Park: Genau das ist der springende Punkt, über den sich viele Forscher den Kopf zerbrechen. Weil man könnte ja außer dem Hörzentrum auch andere Bereiche aus dem Gehirn nehmen zum Beispiel das Sprachzentrum. Und tatsächlich laufen eine ganze Reihe Experimente derzeit in diese Richtung. Und das ist möglich zu machen. Ein Problem ist dabei allerdings: Es sind Signale, die direkt damit zusammenhängen, wie Sprache funktioniert. Aber unsere Gedanken gehen ja viel weiter: Wir denken in Berührungen, Klängen, Emotionen. Das bleibt diesen Systemen noch komplett verschlossen, weil sie einfach nur gesprochene Sprache mit gedachter Sprache vergleichen.
Park: Genau das ist der springende Punkt, über den sich viele Forscher den Kopf zerbrechen. Weil man könnte ja außer dem Hörzentrum auch andere Bereiche aus dem Gehirn nehmen zum Beispiel das Sprachzentrum. Und tatsächlich laufen eine ganze Reihe Experimente derzeit in diese Richtung. Und das ist möglich zu machen. Ein Problem ist dabei allerdings: Es sind Signale, die direkt damit zusammenhängen, wie Sprache funktioniert. Aber unsere Gedanken gehen ja viel weiter: Wir denken in Berührungen, Klängen, Emotionen. Das bleibt diesen Systemen noch komplett verschlossen, weil sie einfach nur gesprochene Sprache mit gedachter Sprache vergleichen.
"Das bleibt auch ziemlich lange noch Science-Fiction"
Grampes: Science Fiction geht ja bekanntlich schon ein paar Schritte weiter, da gehen die Schritte schon bis zur dystopischen Überwachung bis hin zur Vision eines weltweiten Bewusstseins, das Menschen miteinander vernetzt. Sicherheitshalber doch noch mal die Nachfrage: Wie weit ist dieser Weg noch?
Park: Das ist Science-Fiction und das bleibt auch ziemlich lange noch Science-Fiction. Um Sprache rekonstruieren zu können, können wir auch nicht einfach etwas von außen rauslesen. Man muss zum Beispiel Hirnchirurgie betreiben, tief ins Hirn rein, das ist ein enormer Aufwand. Das ist mit großen medizinischen Risiken verbunden. Das machen wir also nur, wenn wir einen Patienten vor uns haben, der auch wirklich aus medizinischen Gründen ein Gehirnimplantat braucht. Also wir brauchen uns keine Sorgen machen, dass man in Zukunft mit irgendeinem Gerät, das in der Zimmerecke rumsteht, unsere Gedanken lesen kann. So weit sind wir da lange nicht.
Park: Das ist Science-Fiction und das bleibt auch ziemlich lange noch Science-Fiction. Um Sprache rekonstruieren zu können, können wir auch nicht einfach etwas von außen rauslesen. Man muss zum Beispiel Hirnchirurgie betreiben, tief ins Hirn rein, das ist ein enormer Aufwand. Das ist mit großen medizinischen Risiken verbunden. Das machen wir also nur, wenn wir einen Patienten vor uns haben, der auch wirklich aus medizinischen Gründen ein Gehirnimplantat braucht. Also wir brauchen uns keine Sorgen machen, dass man in Zukunft mit irgendeinem Gerät, das in der Zimmerecke rumsteht, unsere Gedanken lesen kann. So weit sind wir da lange nicht.
Grampes: Was sind denn, wenn nicht die Gefahren, wenigstens die Chancen des Ganzen?
Park: In erster Linie denke ich da an behinderte Menschen, z. B. Lock-in-Patienten, die komplett wach sind aber keinen Muskel mehr bewegen können. Oder auch Leute wie der Physiker Stephen Hawkings, die ganz mühsam mit dem Mund ein System benutzen mussten, in dem sie einzelne Buchstaben auswählen konnten, um sich darüber verständlich zu machen. Solche Systeme ließen sich in Zukunft viel eleganter bauen. Und es ist denkbar, dass gelähmte und stumme Patienten sich direkt wieder über einen Computer mitteilen könnten – quasi in Echtzeit.
Grampes: Inwiefern wirft das Ganze eigentlich die Frage auf, nach bekannten philosophischen Problemen? Zum Beispiel die Frage nach dem Sitz des menschlichen Geistes und das Leib-Seele-Problem, an das sich der eine oder andere vielleicht auch noch erinnert?
Park: Es ist tatsächlich wie so oft in der Hirnforschung, dass neue Ergebnisse dann auch immer wieder so neue Fragen aufwerfen. Wir verbinden ja Sprache extrem mit dem Geist, in dem Moment wo wir Sprache aus dem Gehirn auslesen können, glauben wir an den Geist heranzukommen. Nicht zu unrecht basiert unsere ganze Kultur auf so Bibelwörtern wie "am Anfang war das Wort" und so weiter. Aber wenn man sich genau anguckt, wie das Gehirn aufgebaut ist und was man da alles noch nicht herauslesen kann, bleibt in Zukunft noch genug Raum für diese Fragen und metaphysische Probleme, die wir letztlich eigentlich nur entlang unserer Weltanschauung beantworten können.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.