Da geht ein Mensch

Von Bernd Sobolla · 02.12.2012
Alexander Granach wurde 1890 in der Vielvölkerregion Galizien geboren. Niemand rechnete damit, dass das Kind jüdischer Bauern zum Star der Weimarer Republik und später auch in Hollywood werden würde. Angelika Wittlich zeichnet das Porträt eines Mannes, der vielerorts zuhause war.
"Hier aber, in gezähmten drei Stunden, werden gute Menschen schlecht, arme Menschen reich, junge Menschen alt, den Schlechten wird heimgezahlt, die Guten werden belohnt. Diese Gerechtigkeit, dieser Ausgleich! Dieses kluge Gespräch, dieses herrliche Leben, ja, sogar das Sterben ist hier wunderschön. Das ist die Welt, wo ich hingehöre."

Der kürzlich verstorbene Theaterregisseur Thomas Langhoff liest aus dem Tagebuch Alexander Granachs vor - ein Eintrag nach dessen erstem Theaterbesuch in Lemberg. Die Filmemacherin Angelika Wittlich zeichnet Granachs Weg nach, bzw. sie lässt ihn schildern: von Theatermachern und Historikern, Granachs Sohn Gad, Schriftstellern und Nachbarn.

Deren Berichte, Einschätzungen und Erinnerungen hat sie zu einem vielseitigen Portrait geformt: Im Berlin der 20er Jahre wird Alexander Granach zum Star, der in Murnaus "Nosferatu" mitspielt und öffentlich gefeiert wird, wie sein Sohn ausführt.

"Ab und zu mal bekam er Heimatgefühle. Sagt er: 'Komm, ich zeige dir, wo ich herkomme!' Da ging er ins Scheunenviertel. Grenadierstraße, Hirtenstraße, Oranienburger Tor, die Gegend. Die sprachen mit Vater jiddisch. Dort wurde er begrüßt als der König der Ost-Juden. Und das ging wie ein Lauffeuer. Granach, Granach, Granach ist hier!"

Zwei Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlässt Granach Deutschland und emigriert nach Moskau, wo er zunächst glücklich ist und davon träumt, mit anderen Emigranten die deutsche Kultur zu neuer Blüte zu führen. Zwei Jahre später muss er vor den "Säuberungen" Stalins in die USA fliehen. In Hollywood gelingt ihm ein Traumstart: Unter der Regie von Ernst Lubitsch spielt er an der Seite von Greta Garbo in "Ninotschka" - einen russischen Gesandten, der in Paris Gefallen am kapitalistischen Leben findet.

Angelika Wittlich erzählt Granachs Leben in ruhigen Bildern. Wobei sie immer wieder auf seine Liebesbeziehung zur schweizer Schauspielerin Lotte Lieven eingeht. Ihr schrieb er oft, und Juliane Köhler und Samuel Finzi lesen aus seinen Briefen vor: Zeugnisse voller Sehnsucht, Poesie und Lebensfreude.


Gespräch mit der Regisseurin Angelika Wittlich auf dradio.de:

Kino und Film - Alexander Granach - Jüdischer Schauspielstar der Weimarer Republik
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