"Da ist keine Rücknahme drin"
Die KirchenVolksBewegung "Wir sind Kirche" hat die Aufhebung der Exkommunikation von Bischof Williamson kritisiert. Auch sei die Entschuldigung des Bischofs zur Holocaust-Leugnung "schlicht und ergreifend halbseiden", sagte Sigrid Grabmeier von der KirchenVolksBewegung anlässlich der am kommenden Montag beginnenden Bischofsvollversammlung.
Joachim Scholl: Der Streit um den Holocaust-Leugner, Bischof Williamson, die Pius-Bruderschaft, der weite Protest vieler Katholiken gegen die Wiederaufnahme der Ultrakonservativen durch Papst Benedikt, in jüngster Zeit die Androhung des Regensburger Bischofs Müller, drei Theologen ihr Lehramt zu entziehen, weil sie die Politik des Papstes kritisierten.
Das alles erregt nicht nur die kirchliche Öffentlichkeit seit Wochen, es hat weite Kreise gezogen. Wie wird nun die Bischofsvollversammlung darauf reagieren? Ab kommendem Montag tagt das Gremium in Hamburg. Am Telefon ist jetzt Sigrid Grabmeier von der KirchenVolksBewegung "Wir sind Kirche". Guten Tag, Frau Grabmeier!
Sigrid Grabmeier: Guten Morgen!
Scholl: Von all diesen aktuellen Fragen ist in der offiziellen Ankündigung der Bischofsvollversammlung keinerlei Rede. Man könnte denken, dass die Bischöfe absichtsvoll in Deckung gehen. Was meinen Sie?
Grabmeier: Ach, das ist, denke ich, schon mal häufiger vorgekommen, dass heiße Themen, ganz heiße Themen nicht auf dem offiziellen Programm standen, aber oft ist ja die Tagesordnung unterm Tisch viel wichtiger als die, die auf dem Tisch liegt.
Scholl: Sie und die KirchenVolksBewegung "Wir sind Kirche" gehören zu den Unterzeichnern einer Petition, die Papst Benedikt für die Aufhebung der Exkommunikation des Bischofs Williamson kritisiert. 30.000 Menschen unterstützen diese Petition bislang. Es hieß nun, dass genaue Zahlen auf der Bischofsvollversammlung veröffentlicht werden sollen. Und gestern hat, Frau Grabmeier, wiederum die Bayerische Bischofskonferenz diese Petition nun recht barsch abgelehnt. Was bedeutet das für Sie?
Grabmeier: Ja, zum einen wird mal deutlich, dass offensichtlich die bayerischen Bischöfe mit dem Datum ein bisschen Probleme haben, denn die Petition wurde veröffentlicht am 28. Januar. Und wir haben in dieser Petition zum Ausdruck gebracht, dass uns ganz deutlich fehlt, dass das volle Bekenntnis zum Zweiten Vatikanischen Konzil gefordert wird. Erst am 4. Februar hat dann das Staatssekretariat in Rom diese Forderung sozusagen nachgereicht. Und da lief die Petition ja schon, und es zeigte sich, dass das voll auch den Nerv getroffen hat in unserer Kirche. Und zum anderen ist es natürlich schon begrüßenswert, dass sich jetzt auch die bayerischen Bischöfe in der Bayerischen Bischofskonferenz so dezidiert hinter diese Forderung des Staatssekretariats stellen, aber das heißt natürlich auch, dass jetzt eben diese bayerischen Bischöfe und die deutschen Bischöfe überhaupt darauf dringen, dass der Papst gegenüber den Pius-Brüdern endlich klare Verhältnisse schafft.
Scholl: Wie bewerten Sie denn die Stellungnahmen der Bischöfe zu den ganzen Vorkommnissen in der letzten Zeit im Allgemeinen? Ich meine, es waren ja durchaus deutliche Statements gegenüber Williamson und der Pius-Bruderschaft doch zu hören?
Grabmeier: Ja, also es waren klare Statements gegenüber Williamson und der Pius-Bruderschaft zu hören, auch gegen insbesondere die Holocaust-Leugnung. Es gab sehr klare Statements, die die Bereitschaft zum christlich-jüdischen Dialog formuliert haben, aber es gab natürlich auch ganz klare Kritik am Vatikan und an den Handlungsweisen und an der Kommunikation. Auch von den Bischöfen ist da deutlich gesprochen worden. Und deshalb ist es jetzt nicht zu verstehen, dass die sieben bayerischen Bischöfe da jetzt plötzlich anfangen, Kritik üben zu meinen.
Scholl: Bischof Williamson hat sich nun entschuldigt, wie es gestern bekannt wurde, in einem Brief an den Vatikan. Reicht das eigentlich aus?
Grabmeier: Natürlich nicht, weil diese Entschuldigung ist schlicht und ergreifend halbseiden. Das ist ungefähr so, wie wenn man sagen würde: Ja, tut mir leid, dass ich den Hund getreten habe, und dass Sie sich jetzt durch das Gejaule und Gebell belästigt gefühlt haben. Also ungefähr so kommt diese Entschuldigung rüber, die ist einfach nicht ernsthaft.
Scholl: Er nimmt seine Äußerungen natürlich in keiner Weise zurück?
Grabmeier: Da ist keine Rücknahme drin, sondern, ja, es ist nur sehr oberflächlich.
Scholl: Was fordern Sie eigentlich von den deutschen Bischöfen – dass sie den Papst auffordern wiederum, Williamson noch einmal zu exkommunizieren? Das ist ja eher ein frommer Wunsch, oder?
Grabmeier: Nein, es geht eigentlich wirklich insgesamt um die gesamten vier Bischöfe der Pius-Bruderschaft. Denn, wie gesagt, die haben bisher keinerlei Bereitschaft erkennen lassen, weder vor dieser Rücknahme der Exkommunikation noch nachher, dass sie bereit sind, die volle Lehre – und das heißt das Zweite Vatikanische Konzil – der römisch-katholischen Kirche anzuerkennen. Und das ist wirklich ein sehr tiefgreifender Grund zu sagen, nein, wir können euch nicht die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche gewähren.
Scholl: Die anstehende Bischofsvollversammlung. Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur ist Sigrid Grabmeier von der KirchenVolksBewegung "Wir sind Kirche". Ja, das Zweite Vatikanische Konzil. Es wird eine Rolle spielen auch als fester Tagesordnungspunkt, nämlich in Hamburg wird ein Dokument verabschiedet: "Die Feier der Heiligen Messe. Geheimnis, Schönheit und Ordnung der heiligen Liturgie". Über diese Liturgie also, die Riten der katholischen Messe, wurde auch in jüngster Vergangenheit viel diskutiert, und immer wieder wurde eine Tendenz nach rückwärts kritisiert, weg von den Reformen zu mehr Volksnähe, die das Zweite Vatikanische Konzil beschlossen hatte. Dieses neue Dokument nun, weiß man schon eigentlich, was darin stehen wird?
Grabmeier: Also ich kenne es nicht. Ich hoffe nur, dass drin steht, dass die Gottesdienste, wie sie in Deutschland Tag für Tag gefeiert werden, dass es diesen Gottesdiensten weder an Heiligkeit noch an Heiligung mangelt, so wie das zum Beispiel von der Kongregation für die Gottesdienste in Rom gerne behauptet wird. Da fürchtet man sich nämlich vor modernen Gesängen und vor Klatschen und vor Applaus im Gottesdienst und ganz besonders vor der Handkommunion. Und die Leitung dieser Kongregation, die etwa einem Ministerium gleichkommt, die wurde von Benedikt XVI. mit zwei Herren besetzt, mit Kardinal Cañizares und Erzbischof Ranchid, die ihre Rückwärtsgewandtheit und ihre Begeisterung für den tridentinischen Ritus gerne zelebrieren. Also das zeigen die schon, dass das ihre Welt ist.
Scholl: Und die sind beide in Hamburg?
Grabmeier: Die sind natürlich nicht in Hamburg …
Scholl: Nein?
Grabmeier: … sondern die sitzen in Rom, aber das wird sich ja an sie richten auch.
Scholl: Heißt das denn, dass sozusagen im Konkreten, also in der Liturgie dann bestimmte Dinge wieder, ja, abgeschafft werden?
Grabmeier: Das heißt es sicher nicht. Der Herr Ranchid und der Herr Cañizares, die hätten gerne, dass zum Beispiel die Handkommunion wieder abgeschafft wird. Das ist aber in Deutschland sehr weit verbreitet und auch, denke ich, sehr gut eingeführt, und es zeigt ja eben auch, es ist Ausdruck des Mahlcharakters. Und das ist ja ein großes Anliegen gewesen dieser Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, diesen einen Aspekt wieder hervorzuholen, den des gemeinsamen Mahles, der ja die letzten 400 Jahre vorher, seit dem Tridentinum, sehr zurückgedrängt worden ist zugunsten des Opfercharakters der Eucharistiefeier.
Scholl: Was für eine allgemeine Tendenz lässt sich denn bei den deutschen Bischöfen diesbezüglich ausmachen, Frau Grabmeier? Stehen die denn alle fest auf dem Boden des Zweiten Vatikanischen Konzils?
Grabmeier: Also davon gehe ich doch sehr stark aus, auch wenn man vielleicht sich wünschen würde, dass das desöfteren auch in der Auswirkung deutlicher würde. Aber ganz sicher tun sie das, was die Feier der Eucharistie in unserer Kirche angeht.
Scholl: Wie schätzen Sie denn die Entwicklung ein? Ich meine, Kritiker sprechen immer lauter von einer Abkehr des Vatikans, von einer klammheimlichen Abkehr des Vatikans von den Beschlüssen des Konzils, die deutschen Bischöfe – sagen Sie – stehen eigentlich da geschlossen dahinter.
Grabmeier: Ja, es ist ja so, dass das Zweite Vatikanische Konzil durchaus mehrgesichtig ist. Zum einen hat man sich damals immer wieder bemüht, die Tradition sozusagen auch hochzuhalten, gleichzeitig im Bewusstsein, dass sich die Gesellschaft wandelt und deutlich wandelt und dass es andere Bedürfnisse auch gibt wie Kirche, in der Welt präsent sein wird, hat man neue Fenster und Türen aufgemacht. Und ja, die einen schauen gern auf die Beschreibung der Tradition, und die anderen schauen gerne auf die offenen Fenster und Türen. Aber ich glaube, gerade in der Situation, in der wir jetzt sind, sind die offenen Türen, die Zukunftsorientiertheit sehr, sehr wichtig. Und da ständig irgendwie sentimental rückwärts zu blicken, das bringt es nicht.
Scholl: Von Montag bis Mittwoch tagen die 68 Mitglieder der Bischofsvollversammlung. Es wird dann vermutlich eine Schlusserklärung geben. Welcher Satz, Frau Grabmeier, müsste denn darin stehen, dass Sie sagen: endlich?
Grabmeier: Da müsste drin stehen: Wir fordern Rom auf, endlich Schluss mit dem Reformstau zu machen.
Das alles erregt nicht nur die kirchliche Öffentlichkeit seit Wochen, es hat weite Kreise gezogen. Wie wird nun die Bischofsvollversammlung darauf reagieren? Ab kommendem Montag tagt das Gremium in Hamburg. Am Telefon ist jetzt Sigrid Grabmeier von der KirchenVolksBewegung "Wir sind Kirche". Guten Tag, Frau Grabmeier!
Sigrid Grabmeier: Guten Morgen!
Scholl: Von all diesen aktuellen Fragen ist in der offiziellen Ankündigung der Bischofsvollversammlung keinerlei Rede. Man könnte denken, dass die Bischöfe absichtsvoll in Deckung gehen. Was meinen Sie?
Grabmeier: Ach, das ist, denke ich, schon mal häufiger vorgekommen, dass heiße Themen, ganz heiße Themen nicht auf dem offiziellen Programm standen, aber oft ist ja die Tagesordnung unterm Tisch viel wichtiger als die, die auf dem Tisch liegt.
Scholl: Sie und die KirchenVolksBewegung "Wir sind Kirche" gehören zu den Unterzeichnern einer Petition, die Papst Benedikt für die Aufhebung der Exkommunikation des Bischofs Williamson kritisiert. 30.000 Menschen unterstützen diese Petition bislang. Es hieß nun, dass genaue Zahlen auf der Bischofsvollversammlung veröffentlicht werden sollen. Und gestern hat, Frau Grabmeier, wiederum die Bayerische Bischofskonferenz diese Petition nun recht barsch abgelehnt. Was bedeutet das für Sie?
Grabmeier: Ja, zum einen wird mal deutlich, dass offensichtlich die bayerischen Bischöfe mit dem Datum ein bisschen Probleme haben, denn die Petition wurde veröffentlicht am 28. Januar. Und wir haben in dieser Petition zum Ausdruck gebracht, dass uns ganz deutlich fehlt, dass das volle Bekenntnis zum Zweiten Vatikanischen Konzil gefordert wird. Erst am 4. Februar hat dann das Staatssekretariat in Rom diese Forderung sozusagen nachgereicht. Und da lief die Petition ja schon, und es zeigte sich, dass das voll auch den Nerv getroffen hat in unserer Kirche. Und zum anderen ist es natürlich schon begrüßenswert, dass sich jetzt auch die bayerischen Bischöfe in der Bayerischen Bischofskonferenz so dezidiert hinter diese Forderung des Staatssekretariats stellen, aber das heißt natürlich auch, dass jetzt eben diese bayerischen Bischöfe und die deutschen Bischöfe überhaupt darauf dringen, dass der Papst gegenüber den Pius-Brüdern endlich klare Verhältnisse schafft.
Scholl: Wie bewerten Sie denn die Stellungnahmen der Bischöfe zu den ganzen Vorkommnissen in der letzten Zeit im Allgemeinen? Ich meine, es waren ja durchaus deutliche Statements gegenüber Williamson und der Pius-Bruderschaft doch zu hören?
Grabmeier: Ja, also es waren klare Statements gegenüber Williamson und der Pius-Bruderschaft zu hören, auch gegen insbesondere die Holocaust-Leugnung. Es gab sehr klare Statements, die die Bereitschaft zum christlich-jüdischen Dialog formuliert haben, aber es gab natürlich auch ganz klare Kritik am Vatikan und an den Handlungsweisen und an der Kommunikation. Auch von den Bischöfen ist da deutlich gesprochen worden. Und deshalb ist es jetzt nicht zu verstehen, dass die sieben bayerischen Bischöfe da jetzt plötzlich anfangen, Kritik üben zu meinen.
Scholl: Bischof Williamson hat sich nun entschuldigt, wie es gestern bekannt wurde, in einem Brief an den Vatikan. Reicht das eigentlich aus?
Grabmeier: Natürlich nicht, weil diese Entschuldigung ist schlicht und ergreifend halbseiden. Das ist ungefähr so, wie wenn man sagen würde: Ja, tut mir leid, dass ich den Hund getreten habe, und dass Sie sich jetzt durch das Gejaule und Gebell belästigt gefühlt haben. Also ungefähr so kommt diese Entschuldigung rüber, die ist einfach nicht ernsthaft.
Scholl: Er nimmt seine Äußerungen natürlich in keiner Weise zurück?
Grabmeier: Da ist keine Rücknahme drin, sondern, ja, es ist nur sehr oberflächlich.
Scholl: Was fordern Sie eigentlich von den deutschen Bischöfen – dass sie den Papst auffordern wiederum, Williamson noch einmal zu exkommunizieren? Das ist ja eher ein frommer Wunsch, oder?
Grabmeier: Nein, es geht eigentlich wirklich insgesamt um die gesamten vier Bischöfe der Pius-Bruderschaft. Denn, wie gesagt, die haben bisher keinerlei Bereitschaft erkennen lassen, weder vor dieser Rücknahme der Exkommunikation noch nachher, dass sie bereit sind, die volle Lehre – und das heißt das Zweite Vatikanische Konzil – der römisch-katholischen Kirche anzuerkennen. Und das ist wirklich ein sehr tiefgreifender Grund zu sagen, nein, wir können euch nicht die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche gewähren.
Scholl: Die anstehende Bischofsvollversammlung. Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur ist Sigrid Grabmeier von der KirchenVolksBewegung "Wir sind Kirche". Ja, das Zweite Vatikanische Konzil. Es wird eine Rolle spielen auch als fester Tagesordnungspunkt, nämlich in Hamburg wird ein Dokument verabschiedet: "Die Feier der Heiligen Messe. Geheimnis, Schönheit und Ordnung der heiligen Liturgie". Über diese Liturgie also, die Riten der katholischen Messe, wurde auch in jüngster Vergangenheit viel diskutiert, und immer wieder wurde eine Tendenz nach rückwärts kritisiert, weg von den Reformen zu mehr Volksnähe, die das Zweite Vatikanische Konzil beschlossen hatte. Dieses neue Dokument nun, weiß man schon eigentlich, was darin stehen wird?
Grabmeier: Also ich kenne es nicht. Ich hoffe nur, dass drin steht, dass die Gottesdienste, wie sie in Deutschland Tag für Tag gefeiert werden, dass es diesen Gottesdiensten weder an Heiligkeit noch an Heiligung mangelt, so wie das zum Beispiel von der Kongregation für die Gottesdienste in Rom gerne behauptet wird. Da fürchtet man sich nämlich vor modernen Gesängen und vor Klatschen und vor Applaus im Gottesdienst und ganz besonders vor der Handkommunion. Und die Leitung dieser Kongregation, die etwa einem Ministerium gleichkommt, die wurde von Benedikt XVI. mit zwei Herren besetzt, mit Kardinal Cañizares und Erzbischof Ranchid, die ihre Rückwärtsgewandtheit und ihre Begeisterung für den tridentinischen Ritus gerne zelebrieren. Also das zeigen die schon, dass das ihre Welt ist.
Scholl: Und die sind beide in Hamburg?
Grabmeier: Die sind natürlich nicht in Hamburg …
Scholl: Nein?
Grabmeier: … sondern die sitzen in Rom, aber das wird sich ja an sie richten auch.
Scholl: Heißt das denn, dass sozusagen im Konkreten, also in der Liturgie dann bestimmte Dinge wieder, ja, abgeschafft werden?
Grabmeier: Das heißt es sicher nicht. Der Herr Ranchid und der Herr Cañizares, die hätten gerne, dass zum Beispiel die Handkommunion wieder abgeschafft wird. Das ist aber in Deutschland sehr weit verbreitet und auch, denke ich, sehr gut eingeführt, und es zeigt ja eben auch, es ist Ausdruck des Mahlcharakters. Und das ist ja ein großes Anliegen gewesen dieser Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, diesen einen Aspekt wieder hervorzuholen, den des gemeinsamen Mahles, der ja die letzten 400 Jahre vorher, seit dem Tridentinum, sehr zurückgedrängt worden ist zugunsten des Opfercharakters der Eucharistiefeier.
Scholl: Was für eine allgemeine Tendenz lässt sich denn bei den deutschen Bischöfen diesbezüglich ausmachen, Frau Grabmeier? Stehen die denn alle fest auf dem Boden des Zweiten Vatikanischen Konzils?
Grabmeier: Also davon gehe ich doch sehr stark aus, auch wenn man vielleicht sich wünschen würde, dass das desöfteren auch in der Auswirkung deutlicher würde. Aber ganz sicher tun sie das, was die Feier der Eucharistie in unserer Kirche angeht.
Scholl: Wie schätzen Sie denn die Entwicklung ein? Ich meine, Kritiker sprechen immer lauter von einer Abkehr des Vatikans, von einer klammheimlichen Abkehr des Vatikans von den Beschlüssen des Konzils, die deutschen Bischöfe – sagen Sie – stehen eigentlich da geschlossen dahinter.
Grabmeier: Ja, es ist ja so, dass das Zweite Vatikanische Konzil durchaus mehrgesichtig ist. Zum einen hat man sich damals immer wieder bemüht, die Tradition sozusagen auch hochzuhalten, gleichzeitig im Bewusstsein, dass sich die Gesellschaft wandelt und deutlich wandelt und dass es andere Bedürfnisse auch gibt wie Kirche, in der Welt präsent sein wird, hat man neue Fenster und Türen aufgemacht. Und ja, die einen schauen gern auf die Beschreibung der Tradition, und die anderen schauen gerne auf die offenen Fenster und Türen. Aber ich glaube, gerade in der Situation, in der wir jetzt sind, sind die offenen Türen, die Zukunftsorientiertheit sehr, sehr wichtig. Und da ständig irgendwie sentimental rückwärts zu blicken, das bringt es nicht.
Scholl: Von Montag bis Mittwoch tagen die 68 Mitglieder der Bischofsvollversammlung. Es wird dann vermutlich eine Schlusserklärung geben. Welcher Satz, Frau Grabmeier, müsste denn darin stehen, dass Sie sagen: endlich?
Grabmeier: Da müsste drin stehen: Wir fordern Rom auf, endlich Schluss mit dem Reformstau zu machen.