"Da müssen Sanktionen her!"

Katrin Laskowski im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler |
Die Koordinatorin des Deutsch-Libyschen Wirtschaftsforums, Katrin Laskowski, hat internationale Sanktionen gegen Libyen gefordert. Die Gewaltanwendung gegenüber den eigenen Bürgern sei ein "absolutes No-Go".
Jan-Christoph Kitzler: Libyen, das ist zurzeit ein Staat im Chaos. Staatspräsident Muammar al-Gaddafi hält sich nur noch mit massiver Gewalt an der Macht, Ausgang ungewiss, aber es macht schon das Wort vom Völkermord die Runde. Diese humanitäre Lage ist Besorgnis erregend. Auch die Vereinten Nationen beschäftigen sich jetzt damit, aber auch die deutsche Wirtschaft zum Beispiel ist besorgt, immerhin ist Libyen drittwichtigster Lieferant für Deutschland: Öl und Gas im Milliardenwert werden importiert, gleichzeitig bauen deutsche Unternehmen dort und exportieren Industriegüter. Darüber spreche ich jetzt mit Katrin Laskowski vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft, dort ist sie Länderreferentin für Nordafrika und gleichzeitig Koordinatorin des deutsch-libyschen Wirtschaftsforums. Guten Morgen!

Katrin Laskowski: Schönen guten Morgen!

Kitzler: Ich kann mir vorstellen, dass das Deutsch-Libysche Wirtschaftsforum jetzt in der Situation nicht gerade die Priorität hat, sondern deutsche Unternehmen, die in Libyen aktiv sind, müssen jetzt versuchen, ihre Mitarbeiter nach Hause zu holen. Wie weit ist man denn da?

Laskowski: Ja, das ist korrekt. Also vom Wirtschaftsforum sind wir leider ein ganzes Stück abgerückt, jetzt geht es tatsächlich darum, erst einmal die Mitarbeiter der deutschen Unternehmen aus Libyen sicher wieder herauszuführen. Ich bin in Verbindung mit einigen, die den Weg nach Deutschland zurück schon geschafft haben. Es gab einige Sondermaschinen, die zum Einsatz kamen gestern, leider mussten zwei noch am tripolischen Flughafen stehen bleiben, die dann hoffentlich heute morgen in Frankfurt landen werden.

Kitzler: Wagen Sie eine Prognose, wann alle Mitarbeiter, die nach Hause kommen sollen, dann auch zu Hause sind?

Laskowski: Ja, ich denke, dass das jetzt nur noch eine Frage der Zeit ist. Ich denke mal, dass der Großteil jetzt schon zu Hause ist, aber ich denke, in zwei, drei Tagen müssten wir eigentlich alle wieder hier in Deutschland haben.

Kitzler: Kommen wir mal auf eine andere Ebene: Der Politik hat man ja in diesen Zeiten des Öfteren immer den Vorwurf gemacht, die Augen verschlossen zu haben vor den Menschenrechtsverletzungen in nordafrikanischen Staaten. Muss man aber diesen Vorwurf nicht auch der Wirtschaft machen? Haben die Unternehmen nicht auch die Gewalt des Gaddafi-Regimes bisher in Kauf genommen zugunsten guter Geschäfte?

Laskowski: Na ja, also ich muss sagen, die Leistungen, die Libyen erfahren hat aus Deutschland, waren immer für die Zivilgesellschaft gedacht. Wir haben vornehmlich Maschinen, Kfz und Lebensmittel nach Libyen exportiert. Ich sehe daran ehrlich gesagt nichts Verwerfliches.

Kitzler: Dreht sich da bei den Geschäften eigentlich fast alles um libysches Öl und Gas? Was bedeutet das Versiegen dieser Rohstoffquellen denn für die deutsche Wirtschaft?

Laskowski: Also wir beziehen ca. zehn Prozent des libyschen Öls. Das libysche Öl ist natürlich für die deutschen Raffinerien sehr begehrt, weil es sehr dünnflüssig und für unsere Dieselmotoren äußerst geeignet ist. Aber es ist ja nicht so, dass das Öl jetzt eine Pipeline durchlaufen würde, die hier bei uns in Deutschland ankäme, sondern das ist ganz normales Rohöl, das in Rotterdam an den Börsen gehandelt wird, das heißt, es ist von Preisen abhängig und nicht von seiner Herkunft. Von daher denke ich nicht, dass es langfristig Auswirkungen haben wird auf die Ressource Rohöl.

Kitzler: Die Unternehmen, die in Libyen investieren, sind vor allem große Konzerne. Sind die eigentlich stark beeinträchtigt jetzt durch die Situation?

Laskowski: Ja, sehr stark, also man muss schon sagen, die Investitionen aus Deutschland werden ausschließlich von großen Unternehmen gemacht, weil man in Libyen grundsätzlich einen sehr langen Atem braucht, um dort wirtschaftlich erfolgreich aktiv zu sein. Sicherlich, die Mitarbeiter werden jetzt abgezogen, die großen Erdölexploratoren haben, wie Wintershall und RWE Dea, eben angekündigt, dass sie jetzt ihre Förderung langsam runterdrosseln, und das heißt selbstverständlich einen Einschnitt.

Kitzler: Die Wirtschaft braucht, damit sie funktioniert, stabile Verhältnisse. Wagen Sie denn oder wagen Ihre Unternehmen überhaupt einen Ausblick, wann es die in Libyen wieder gibt, oder ist man da jetzt völlig abwartend?

Laskowski: Da muss man abwartend bleiben leider. Man weiß ja noch nicht, was kommt. Aber es ist ganz klar, wenn da nicht bald wieder eine Stabilisierung einkehrt in dem Land und die Industrieanlagen der deutschen Investoren, überhaupt internationalen Investoren, wenn die versiegen und nicht mehr operativ sind, wird es lange dauern, um die dann wieder in den Zustand zu bringen, dass sie wieder Leistung bringen können. Von daher bin ich da leider momentan nicht sehr optimistisch.

Kitzler: Die Frage ist ja auch, was für Verhältnisse dann sozusagen, wenn das Gaddafi-Regime gestürzt werden sollte, was dann für Verhältnisse herrschen. Es ist ja noch gar nicht gesagt zum Beispiel, dass die Zeichen auf Demokratie stehen. Wünschen sich Ihre Unternehmen grundsätzlich demokratischere Formen?

Laskowski: Absolut, also wir unterstützen das, was in Nordafrika, in allen Ländern Afrikas momentan passiert, das unterstützt die deutsche Wirtschaft enorm. Wir sind für Menschenrechte, wir wünschen uns die Demokratisierung herbei, aber uns ist natürlich auch allen bewusst, dass Demokratie nicht über Nacht kommen kann, und somit muss man erst mal weiter beobachten, wie der Übergang sich genau gestalten wird.

Kitzler: Beobachten, das tut ja auch die Politik, zum Beispiel die EU oder die Vereinten Nationen, die haben immerhin in der Nacht jetzt eine Resolution verabschiedet, der Sicherheitsrat. Was für Erwartungen haben Sie an die Politik? Muss da nicht mehr passieren, muss mehr Druck ausgeübt werden?

Laskowski: Also das ist ganz klar, dass, so wie die Gewaltbereitschaft, die derzeit auf die Bürger ausgeübt wird, dass das ein absolutes No Go ist, und da müssen Sanktionen her, das sehe ich ganz klar so.

Kitzler: Die Lage in Libyen aus Sicht der deutschen Wirtschaft, das war Katrin Laskowski vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft, dort ist sie die Länderreferentin für Nordafrika und gleichzeitig Koordinatorin des Deutsch-Libyschen Wirtschaftsforums, das zurzeit ruht. Vielen Dank und einen schönen Tag!

Laskowski: Danke, Ihnen auch!
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