Das größte Flüchtlingslager der Welt vor dem Aus
Das Flüchtlingslager Dadaab im Nordosten Kenias hält zwei traurige Rekorde: Es ist mit über 400.000 Bewohnern das größte Lager der Welt - und es ist das mit Abstand gefährlichste. Nun will es die kenianische Regierung schließen.
Dadaab ist nicht einfach ein Flüchtlingscamp, in Teilen sieht es hier aus wie in einer ostafrikanischen Kleinstadt. Marktplätze, Moscheen, Schulen. Entstanden ist das alles hier Anfang der Neunzigerjahre. Viele der somalischstämmigen Flüchtlinge sind in Dadaab geboren, wie der 27 Jahre alte Mohammed Abd Abdullahi. Hier hat er eine Frau gefunden, hier kamen seine Kinder zur Welt.
"Wir sehen uns als Kenianer, ein anderes Land kennen wir gar nicht. Wir sind Somalier, dabei wissen wir nicht mal wo das ist. Wenn du mich fragst in welcher Richtung Somalia liegt … - ich kann dir das nicht sagen!"
Doch in diese für viele völlig unbekannte Heimat sollen nun rund 315.000 somalische Bewohner von Dadaab umsiedeln. So will es die kenianische Regierung, möglichst schon in den kommenden Monaten.
"Aus Sicherheitsbedenken. Weil das Camp seinen humanitären Charakter verloren hat und fast zum sicheren Hafen für Terroristen geworden ist - die trainieren dort, verstecken sich und ihre Munition und greifen dann Kenia an!"
Erklärt Mwenda Njoka, der Sprecher des kenianischen Innenministeriums. Darüber hinaus würde das Camp die Umwelt in der Gegend in Mitleidenschaft ziehen. Beweise für den "Terrorhafen Dadaab" legt die kenianische Regierung nicht vor.
"Brauchen die Politik, um Konflikte in Somalia beizulegen"
Kritiker argwöhnen, dass Präsident Uhuru Kenyatta mit seiner Forderung nach einer raschen Schließung des Camps bereits als "starker Mann" in den Wahlkampf für die Parlamentswahlen 2017 eingetreten ist. Die Absicht das Lager von Dadaab zu schließen gibt es schon seit Längerem, neu ist - wie unnachgiebig die Regierung sie vorantreibt. Der politische Analyst Aly Khan Satchu aus Nairobi sieht dafür noch einen anderen Grund …
"Die erneute Entscheidung zur Schließung kam nur eine Woche nach dem Flüchtlingspakt zwischen EU und der Türkei. Kenia hat sehr viele Flüchtlinge, seit sehr langer Zeit bei sich aufgenommen. Die Regierung nahm die drei Milliarden Euro für Erdogan zur Kenntnis - sie hat sich wahrscheinlich gesagt: Wir sind in einer ähnlichen Position, aber Geld wie Erdogan erhalten wir nicht. Ich denke, das war Teil der Entscheidung."
Am Ende geht es um das Schicksal von Menschen… Daheim in Somalia erwarten viele der Flüchtlinge immer noch die ursprünglichen Gründe für ihre Flucht: der Terror der Al-Shabaab Miliz, Armut und Perspektivlosigkeit. Bis heute haben nur wenige tausend Somalier aus Dadaab bisherige Programme zur Umsiedlung angenommen.
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen arbeitetdaher jetzt daran die Gelder zu erhöhen, die ihnen den Start in ein neues Leben ermöglichen sollen. UNHCR- Hochkommissar Filippo Grandi sieht eine Mammutaufgabe auf vielen verschiedenen Ebenen.
"Erstens brauchen wir die Politik, um die Konflikte in Somalia beizulegen. Zweitens brauchen wir dort Sicherheit, damit die Leute zurück können. Und drittens - sehr wichtig - brauchen wir die ganz großen Entwicklungsakteure - die großen Geberländer. Die internationale Gemeinschaft hat das Potenzial hier viel mehr zu helfen, als sie es bisher tut."
Was geschieht wenn es nicht gelingt Somalia zu stabilisieren und die Einwohner Dadaabs sich einer Umsiedlung dorthin verweigern ist bis jetzt noch völlig unklar. Das Leben im Flüchtlingslager ist hart, das im krisengeschüttelten Somalia können sich tausende Einwohner Dadaabs heute trotzdem nicht einmal vorstellen.