Was tun gegen Radikalisierung?
Nach den Anschlägen in Kopenhagen diskutiert Dänemark, wie eine Radikalisierung straffällig Gewordener verhindert werden kann. Denn viele werden erst in Haft zu Islamisten. Die Debatte bringt die sozialdemokratisch geführte Regierung unter Zugzwang.
Omar Abdel Hamid El-Hussein ist kein Einzelfall. So wie der 22-jährige Attentäter von Kopenhagen – Gewalttäter, vorbestraft, Bandenmitglied – erleben auch andere in Dänemarks Gefängnissen Veränderungen. Und so wie El-Hussein erfahren auch andere eine Radikalisierung. Im dänischen Fernsehen erzählt ein ehemaliger Häftling – anonym und unkenntlich gemacht –, wie Mithäftlinge ihn, einen gläubigen Moslem, zu radikalisieren versuchten.
"Sie wollten mich dazu bringen, andere Menschen zu hassen, Juden oder Dänen, alle Nicht-Moslems. Sie sagten etwa, es sei erlaubt, einen Juden zu töten. Natürlich darf man das nicht, aber solche Dinge sagten sie zu mir. Und ich begann, darüber nachzudenken. Sie versuchen, deine Freunde zu werden und dir dann eine Gehirnwäsche zu verpassen."
Jim Latrache war bis Oktober wegen eines Drogendelikts im Gefängnis. Auch er meint, Häftlinge seien besonders anfällig für islamistische Ideologie:
"Es geht dabei auch um Zusammenhalt. Und ein Weg dorthin ist es, religiöser zu werden."
Regierung unter Zugzwang
Die Gewerkschaft der Justizvollzugsbeamten warnt in diesen Tagen immer wieder vor Gruppenbildung Radikaler in Gefängnissen – und davor, dass Bandenkriminelle und Gewalttäter wie Omar El-Hussein dort von Extremisten ideologisiert werden. In der dänischen Opposition werden jetzt Forderungen nach Gegenmaßnahmen immer lauter.
"Die Isolierung einiger der radikalen Islamisten wäre ein guter Weg", meint Karsten Lauritzen von den Liberalen unisono mit Karina Lorentzen von der Sozialistischen Volkspartei: "Wir müssen die Wortführer, die die Gewehrkugeln formen, herausholen und anderswo unterbringen."
Das bringt die sozialdemokratisch geführte Regierung unter Zugzwang. Sie wird ohnehin dafür kritisiert, dass der dänische Geheimdienst von der Radikalisierung des späteren Attentäters El-Hussein im Gefängnis zwar seit Monaten wusste, aber nichts unternahm. Jetzt will auch die Regierung schärfere Maßnahmen. Justizministerin Mette Frederiksen:
"Das Gefängnis darf natürlich kein Ort sein, wo man zu neuen Verbrechen angeregt oder radikalisiert wird. Isolierung könnte deshalb ein gangbarer Weg sein."
Ein gangbarer, ein politisch wahrscheinlicher Weg – aber auch erfolgversprechend? Der anonyme Ex-Häftling hat Zweifel.
"Was, wenn man jemanden zu Unrecht isoliert? Dann wird er nur hasserfüllt. Und er wird einer von denen, die anderen wiederum eine Gehirnwäsche verpassen."
"Wir müssen auch alternative Wege suchen"
Khaterah Parwani kümmert sich um radikalisierte junge Muslime in Kopenhagen. Sie sieht die Zahl von Islamisten steigen und meint, man müsse der Anziehungskraft der Ideologie etwas entgegensetzen:
"Natürlich müssen wir befürchten, dass solche Attentate wieder passieren. Keine Frage: Wir müssen alles tun, um das zu verhindern. Aber wir müssen auch alternative Wege suchen. Wir müssen in uns gehen. Was können wir diesen Jungs geben, das ihnen ein extremistisches Umfeld nicht geben kann?"
Alternativen sind für diese Jugendlichen schon schwer genug zu finden. Doch werden sie erst straffällig und landen im Gefängnis, wird es oft unmöglich. Nicht wenige, die kriminellen Banden zu entkommen versuchten, landeten in den Fängen Radikaler, sagt Puk Sabber, die im Kopenhagener "Café Exit" frühere Häftlinge betreut.
"Das sind oft einsame, verschlossene junge Männer ohne Perspektiven, drogenabhängig, obdachlos – da gibt es unglaublich viele soziale Probleme. Sie finden dann Sicherheit und Gemeinschaft in einem Umfeld, über dessen Motive sie sich vielleicht keine Gedanken machen. Aber wer sollte ihnen sonst ein solches Gemeinschaftsgefühl geben? Sie würden doch auch nicht irgendeinen verurteilten 22-jährigen Gewaltverbrecher Muhammed Ali aufnehmen, oder?"