Zwei Künstlerfreunde in Dresden
20 Jahre lang lebten die Maler Johan Christian Dahl und Caspar David Friedrich in Dresden im Haus An der Elbe 33. Das Albertinum widmet beiden nun eine Ausstellung, die zeigt, wie sehr die Freunde einander beeinflussten.
Milchig beleuchtet die schmale Mondsichel die erdig braune Landschaft. In der Ferne glimmt der Abendstern. Zwei Spaziergänger halten auf dem dunklen Waldweg inne – gerahmt von einer blattlosen Eiche und hängenden Tannenzweigen. 1820 schenkte Caspar David Friedrich das Gemälde "Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ seinem norwegischen Kollegen Johan Christian Dahl. Im Gegenzug überreichte Dahl dem Freund das Bild: "Fluss im Plauenschen Grund“. Eine weißschäumende Stromschnelle hat eine Birke entwurzelt, die Gischt umspült den geborstenen Stamm. Meditative Versenkung bei dem einen, Aktion, Bewegung und Drama bei dem anderen Künstler. Für Hartwig Fischer, den Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, lässt die Gegenüberstellung die unterschiedlichen Temperamente der beiden Landschaftsmaler erkennen:
"Dahl war ein sehr beweglicher Mensch, war sehr umgänglich, fand überall Freunde, Bekannte, Austausch, Förderer, Sammler. Ist bis nach Italien gereist. Und Friedrich ist ein eher sesshafter Mensch. Ist ein sehr in sich gekehrter Mensch, ein außerordentlich kluger Mann und wahrscheinlich ein zutiefst melancholischer Mensch."
20 Jahre arbeiteten sie in benachbarten AteliersNach seiner Italienreise kehrt Johan Christian Dahl nach Dresden zurück, 1823 zieht er in das Haus An der Elbe 33, in dem Caspar David Friedrich bereits mit seiner Frau Caroline lebt. 20 Jahre arbeiten die beiden Künstler in benachbarten Ateliers.
"Ihr Haus wird, dieses Haus an der Elbe, zu einem Zentrum von jüngeren Künstlern, also der nächsten Generation der Romantiker. Oehme, Heinrich gehört dazu, aber auch Carus. Und es wird zu einem Zentrum von Kunsttheoretikern und Sammlern. "
Die traumschöne Ausstellung im Dresdner Albertinum bietet viel Gelegenheit, in Nebel-Hügel-Wald- und Berglandschaften zu schwelgen. Aber sie schärft auch den Blick für Handwerk und Essenz dieser Malerei, für die Unterschiede und wechselseitigen Einflüsse. Caspar David Friedrich schaut bei dem jüngeren Kollegen die Technik der Ölstudie ab. Die neue Leichtigkeit, die damit einhergeht, kommt für die Kuratorin Petra Kuhlmann-Hodick in einer ungewöhnlichen Ansicht von Dresden besonders zur Geltung, dem "Hügel mit Bruchacker.“ Eine Anhöhe versperrt den Blick, davor ein Acker, von der Stadt sind nur die Turmspitzen zu erkennen.
"Diese Landschaft, wenn man da schaut, wie die Silhouette gemacht ist, da ist genau das eingeflossen. Es war für mich ein Erlebnis, als das Bild ausgepackt wurde und mit dem Restauratorenlicht drauf geguckt wurde. Und wie man da gesehen hat, wie er ganz fein farbige Akzente in diesen Bruchacker setzt. Da sind wirklich blaue, rote, violette Pinselstriche drin. Und dann diese Silhouette so ganz duftig vor die Landschaft gesetzt."Elemente voneinander übernommenJohan Christian Dahl wiederum übernimmt von Caspar David Friedrich die Figur in Rückenansicht, die in die Landschaft hineinschaut. Die Silhouette eines Mannes mit Hut und Mantel setzt er gleich in mehreren verschiedenen Szenen ein."Man kann schon sagen, daß dieses Element Dahl übernommen hat. Er hat es motivisch übernommen. Es ist ja auch ein attraktiver Eindruck, der Betrachter identifiziert sich und man geht hinein. Man kann sicher sagen, daß da Friedrich so eine Art Vorbildfunktion für Dahl gehabt hat. "Besonders faszinierend an dieser Ausstellung ist, wie hier zwei Künstler in ihren Zeichnungen ihre Wahrnehmung der Natur gleichermaßen realitätsgetreu festhalten. Wie sie dann aber in ihrer Malerei zu radikal unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Die gefrorene Stille bei Caspar David Friedrich eröffnet Ausblicke in eine innere Welt, die dramatische Beschleunigung bei Johan Christian Dahl die Einsicht in die Wirklichkeit. Für Hartwig Fischer stehen diese Landschaften im Kontrast zu den Umwälzungen der damaligen Zeit."Zu diesen Veränderungen gehören die Herausbildung der Industrialisierung, der Massenproduktion, der Mechanisierung, die einsetzt. Gleichzeitig setzt das Reisen als eine Art von Massenphänomen langsam ein. Und mit der Einführung der Eisenbahn, ein Fortbewegungsmittel, das unser Verhältnis zur Raum und zur Zeit grundstürzend verändert."
Zu Lebzeiten von Caspar David Friedrich besitzen die Dresdner Museen kein einziges Gemälde von ihm. Erst nach seinem Tod 1840 drängt sein Freund Johan Christian Dahl darauf, daß die Königliche Gemäldegalerie ein Bild von der Witwe erwirbt. Nur unter dieser Bedingung ist er selbst auch bereit, ein Werk von Caspar David Friedrich an die Sammlung zu verkaufen – "Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“. 20 Jahre hatte er das Freundschaftsbild im Haus an der Elbe bewahrt.