Wie jugendliche Gamer die Kontrolle verlieren
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In Deutschland ist jeder zwölfte Jugendliche süchtig nach Computerspielen. Eine Studie der DAK hat Ursachen und Folgen dieser Spielsucht untersucht: Demnach neigen viele der Risiko-Gamer zu Depressionen und schwänzen regelmäßig die Schule.
Fortnite, FIFA oder Mindcraft – rund drei Millionen Jugendliche im Alter zwischen 12 und 17 Jahren in Deutschland nutzen nach der DAK-Studie regelmäßig Computerspiele, also mindestens einmal pro Woche über mehrere Stunden. Auch der zwölfjährige Luis aus Stuttgart spielt gerne Fortnite: "Ich hab da auch online Freunde, die auch in meiner Klasse sind, und mit denen kann ich dann zusammen spielen. Ich find das Spiel halt irgendwie cool."
Ein unübersichtlicher Markt
Seine Eltern achten aber bei ihm und den beiden Töchtern darauf, dass sie nicht zu viel Zeit damit verbringen. Trotzdem ist es für sie manchmal schwierig, den Überblick zu behalten:
"Weil so viel auf den Markt kommt, und dann muss man sich als Eltern auch irgendwie damit auseinandersetzen. Die Kinder bauen dann schon auch Druck auf, weil sie sagen: Die anderen dürfen das und die haben das. Und dann muss man selber erst reinlesen und gucken, was das überhaupt ist, ob das altersgerecht ist oder nicht", sagt Luis‘ Mutter.
Sogenannte "Risiko-Gamer" sind ihre Kinder aber nicht. Nach der DAK-Studie zeigen aber 465.000 junge Computerspiel-Nutzer ein auffälliges Verhalten: Sie ziehen sich zurück, schwänzen die Schule oder neigen zu Depressionen. Verstärkt wird die Sogwirkung demnach durch zusätzliche Anreize, bei denen sie im Spiel Geld ausgeben – mit der sogenannten "In Game-Währung", wie Rainer Thomasius, Suchtforscher an der Hamburger Uniklinik Eppendorf und Leiter der Studie, beschreibt:
"Mit der In Game-Währung können Sie alles Mögliche anstellen. Sie können sich Spieler kaufen, die einen hohen Erfolg suggerieren. Sie können sich Attribute für Ihre Avatare zulegen, die Ihre Avatare stark und mächtig machen, und damit auch wieder den Spielerfolg erhöhen. Umso intensiver das Spielverhalten, desto mehr Geld wird auch für Spiele und Extras ausgegeben."
Im Schnitt investieren die jungen Nutzer dafür um die 110 Euro von ihrem Taschengeld. Besonders beliebt: sogenannte "Loot-Boxen", eine Art virtuelle Schatzkiste mit Inventar, mit dem man den Spielverlauf beeinflussen kann.
Für Thomasius gibt es klare Warnsignale, an denen Eltern erkennen können, dass sie eingreifen sollten: "Das Kontaktverhalten ändert sich. Die Jugendlichen gehen der Auseinandersetzung um die Spielzeiten mit den Eltern aus dem Weg. Überhaupt wird über die Nutzungszeiten sehr heftig und intensiv diskutiert. Bei den schwerer Betroffenen droht Tagesstruktur verloren zu gehen. Der Affekt ändert sich in Richtung launisch, wütend, depressiv verstimmt, wenn der Zugang zum Computer verwehrt wird. Es kommt zu Versäumnissen bei Aufgaben und Verpflichtungen."
DAK fordert Verbot von Loot-Boxen und Glücksrädern
Um hier gegenzusteuern will die DAK mit einem eigenen Programm gezielt die Medienkompetenz von Schülern, Lehrern und Eltern stärken. Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit, sieht aber auch die Politik in der Pflicht: "Es muss zu einem Verbot von Glücksspiel-Elementen in den Computerspielen für Jugendliche kommen. Das sind insbesondere Loot-Boxen und Glücksräder."
Dabei verweist er auf Belgien und die Niederlande. Da sind die Boxen schon verboten – in Deutschland zeichnet sich das bislang noch nicht ab. Gefährlich findet das auch der Informatiker Gregor Engelmeier, der Lernspiele entwickelt: "In Computerspielen wie Fortnite geht es eigentlich darum, den User möglichst lange im Spiel zu halten. Diese Spiele werden umsonst rausgegeben, und nur ein Spieler, der im Spiel ist, kann auch Geld ausgeben."