Erinnerungen an einen großen Showmaster
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Vor 50 Jahren hieß es erstmals "Dalli Dalli", die Show machte Hans Rosenthal berühmt. Der hatte ein Vierteljahrhundert zuvor den Holocaust überlebt. Seine Tochter erinnert sich an einen Mann, der hart arbeitete und nach Normalität strebte - aber nicht vergaß.
Axel Rahmlow: Die Ratesendung "Dalli Dalli" wird 50 und heute Abend im ZDF gewürdigt. Das Konzept war und ist simpel: Prominente treten in Spielen gegeneinander an, und sie müssen dabei entweder geschickt oder gedankenschnell sein. Hier ist ein Beispiel:
"Sie sollen Glühlampen in Fassungen einschrauben. Dafür erhalten Sie dann dreimal 15 Sekunden Zeit. Dalli, dalli!"
Dafür gab es in den 1970ern und -80ern Einschaltquoten von bis zu 50 Prozent, auch wegen dem Mann, den Sie da gehört haben: Moderator Hans Rosenthal. "Dalli Dalli" hat ihn zum Publikumsliebling gemacht.
Auch er wird heute Abend gewürdigt, wir machen das jetzt schon. Dafür haben wir Birgit Hofmann am Telefon. Sie ist die Tochter von Hans Rosenthal und war bei anderen Projekten auch seine Assistentin. Was für ein Verhältnis hatte Ihr Vater zur Show "Dalli Dalli"?
Birgit Hofmann: Das war natürlich sein Flaggschiff, trotzdem war er ja auch Abteilungsleiter im RIAS und hat viele Sendungen im Rundfunk gemacht, und eigentlich war "Dalli Dalli" nur eine von seinen Sendungen – natürlich die, mit der er besonders bekannt wurde, auch in Österreich. Das war immer sehr spannend, weil man sich eine ganze Woche darauf vorbereitete.
Rahmlow: Wie war das bei Ihnen zu Hause, hat das da eine Rolle gespielt?
Hofmann: Ja, natürlich wurde darüber gesprochen. Zu den "Dalli Dalli"-Zeiten habe ich selbst gar nicht mehr zu Hause gewohnt, da war ich schon Studentin, wir haben aber neue Ideen immer besprochen, klar.
Rahmlow: Sie haben ausprobiert, ob das unterhaltungsshowtauglich ist?
Hofmann: Das auch. Wir haben aber eigentlich mehr darüber gesprochen. Wir haben auch mal irgendwelche Fragen ausprobiert und gespielt, ob das klappt, und wir konnten auch Kritik äußern, wie es eben so ist in einer Familie.
Rosenthal wollte politischer Journalist werden
Rahmlow: Der Erfolg, was hat der mit Ihrem Vater gemacht, wie hat er ihn geprägt?
Hofmann: Das ist eine schwierige Frage. Er hatte immer sehr viel zu tun und er hat sehr hart dafür gearbeitet, und es war bestimmt nicht das, was er sich vorgestellt hat, was er werden wollte. Er ist ja gleich nach dem Krieg zum Rundfunk gegangen, ohne jede Ausbildung, und wollte eigentlich politischer Journalist werden. Dass er dann in der Unterhaltung gelandet ist, war eher ein Zufall.
Dass er dann so erfolgreich war, war sicherlich schön. Wir haben auch über Popularität gesprochen, und er hätte sich bestimmt nicht vorstellen können, dass man heute, 50 Jahre später, noch daran denkt. Er hat immer gesagt: 'Wenn ich Filmschauspieler wäre, die Filme, die bleiben. Aber ein Moderator, der wird doch sicher vergessen.' Das wäre sicherlich ganz toll für ihn.
"Er war nicht verbittert"
Rahmlow: Ihr Vater ist ja relativ früh gestorben, nach einer kurzen, schweren Krankheit, und jetzt, 50 Jahre nach dem Beginn von "Dalli Dalli", wird er heute Abend noch einmal gewürdigt. Da geht es nicht nur um den Entertainer, es gibt natürlich auch Ihren Vater, der sich im Zweiten Weltkrieg verstecken musste vor den Nazis. Wir haben hier einen Ausschnitt darüber, wie er mit seiner eigenen Biografie umgegangen ist. Da hören wir mal rein:
Hans Rosenthal: Dadurch, dass ich in der schlimmsten Zeit zwei Menschen in Deutschland kennengelernt habe, die ihr Leben für mich aufs Spiel gesetzt haben, keinen Pfennig genommen haben – ich hatte ja kein Geld, ich konnte ihnen ja dafür nichts geben, die haben ihre Lebensmittelkarten mit mir geteilt, denn ich bekam ja keine, ich war ja nicht existent –, bin ich ohne Ressentiments. Ich habe in der schlimmsten Zeit auch das gute Deutschland kennengelernt.
Rahmlow: Ihr Vater stammt aus einer jüdischen Familie, hat mit viel Glück den Holocaust überlebt, hat das dann in seiner Autobiografie "Zwei Leben in Deutschland" aufgeschrieben. Wie war das für ihn, ein Entertainer der Deutschen zu sein, ein Land, das ihn wenige Jahrzehnte vorher noch versucht hatte, zu vernichten?
Hofmann: Je älter ich werde, desto mehr wundere ich mich, dass er ohne Vorurteile Leute auf die Bühne holen und mit denen lustig sein konnte und wirklich anscheinend gar keine Hintergedanken hatte. Er war gar nicht verbittert, und das war sicherlich ein großes Plus.
Es war aber trotzdem immer in seinem Bewusstsein, er hat das nicht vergessen, und er hat ja auch in jüdischen Gremien politisch mitgearbeitet, damit so etwas möglichst nicht mehr passiert. Sicherlich wäre er ziemlich entsetzt oder enttäuscht und traurig, wenn er mitkriegen würde, was heute so passiert – und dass das immer noch oder schon wieder los ist.
Weder bevorzugt noch benachteiligt werden
Rahmlow: Wir reden ja ganz aktuell in diesen Tagen über Antisemitismus in Deutschland im Zuge des Konfliktes im Nahen Osten. Ihr Vater hat immer gesagt, er wolle mit seinen Unterhaltungsshows versuchen, den Antisemitismus in Deutschland abzubauen. Ist er dann damit gescheitert?
Hofmann: Das glaube ich nicht. Als Einzelner kann man das erst einmal sowieso nicht, und dann hat er mir immer erzählt, das Judentum ist eine Religion wie alle anderen auch, und er wollte sein Leben lang eigentlich beweisen, dass Menschen mit anderer Religion – und ich sage jetzt anderer, nicht nur Juden – genauso viel leisten können und auch nicht anders behandelt werden sollten.
Deswegen ist auch schlüssig, dass er (sein Judentum) nicht von Anfang an so deutlich gemacht hat, weil er auch gar nicht anders behandelt werden wollte, weder bevorzugt noch benachteiligt. Als er dann sehr viel Erfolg hatte, hat er das öffentlich gemacht und wollte eigentlich zeigen: Seht her, wir Juden sind wie alle anderen auch. Ich finde, das ist schon gelungen. Dass man damit nicht alleine den Antisemitismus bekämpfen kann, ist auch klar.
Rahmlow: Wie haben Sie in Ihrer Familie darüber gesprochen? Er ist damit ja erst sehr spät an die Öffentlichkeit gegangen.
Hofmann: Bei uns zu Hause hat das keine große Rolle gespielt. Wir waren keine religiöse Familie. Mein Vater war eben in solchen Gremien, und das war ganz klar, wir sind jüdisch, aber wir haben das eigentlich nicht besonders zum Thema gemacht.
Rahmlow: Das ist für Sie auch völlig in Ordnung, habe ich das Gefühl.
Hofmann: Das ist für mich völlig in Ordnung, ja.
Rahmlow: Weil es ein Stück weit auch Normalität dadurch gegeben hat, eine ganz normale Familie zu sein?
Hofmann: Ja, darüber habe ich mir, ehrlich gesagt, nie so viel Gedanken gemacht. Ich war nicht im christlichen Religionsunterricht in der Schule, aber ansonsten: Wir haben viele politische Diskussionen geführt zu Hause, aber damals gab es eher Themen wie den Vietnamkrieg. Da war Antisemitismus - Gott sei Dank - nicht mehr täglich auf der Tagesordnung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.