Damen in Zeltkleidern

30.04.2010
In seinem neuen Buch "Frauen gehören nach oben" spürt der Erfolgsautor und Bergsteiger aus Leidenschaft Mick Conefrey den Obsessionen reisender Abenteurerinnen nach.
Wie ein Zelt sah das Ding aus. Von unförmiger Weite, oben ein Loch, genäht aus knallbuntem Stoff mit Fasanenmuster. Im Schutz des eigens für sie angefertigten Reisekleides konnte sich die Britin Beryl Smeeton in den 1930er-Jahren auf ihren China-Expeditionen stets mit frischer Unterkleidung versorgen und außerdem problemlos ihre Blase entleeren. Denn das ist, bei allem Ringen um Geschlechtergerechtigkeit, für Frauen doch schwieriger als für Männer. In seinem neuen Buch "Frauen gehören nach oben" spürt der Erfolgsautor und Bergsteiger aus Leidenschaft Mick Conefrey den Obsessionen reisender Abenteurerinnen nach. Aus Notizbüchern und Reisebiografien hat er eine Fülle an Material zusammengetragen. Die absurdesten und amüsantesten Episoden breitet er genüsslich und mit britischem Humor aus.

Das Thema Kleidung, wie sollte es anders sein, beschäftigte die Entdeckerin früherer Jahrzehnte erheblich mehr als den im Kaki-Anzug stets stilvoll gekleideten Mann. Getrude Bell war in Personalunion britische Forschungsreisende, Historikerin, Schriftstellerin, Archäologin, Alpinistin, politische Beraterin und Angehörige des britischen Geheimdienstes im Ersten Weltkrieg. 1913 zog sie durch die syrische Wüste - mit zwölf Leinenröcken, ebenso vielen weißen Blusen, Abendkleidern, Seidenunterwäsche, Tweed-Kostüm plus Pelzmantel. Auch die gewählten Transportmittel lassen gewisse weibliche Präferenzen nicht verkennen. Die Amerikanern May French Seldon ließ sich auf ihrer legendären Reise zum Kilimandscharo in einer Sänfte aus Rattan tragen, 30 Kilo schwer und ausstaffiert mit Daunenkissen in gelber Seide. Von hier aus befehligte sie 150 männliche Expeditionsteilnehmer.

Frauen querten Ozeane und kletterten auf die höchsten Berge, sie eroberten Lufträume in wackligen Doppeldeckern, kämpften sich durch Regenwälder und drangen als Männer verkleidet in verbotene Städte ein. Unter dem Namen "Si Mahmud es-Saadi" zog die Schweizerin Isabelle Eberhardt Ende des 19. Jahrhunderts durch die algerische Wüste, konvertierte zum Islam und schloss sich den sittenstrengen Wahhabiten an. Das hinderte sie nicht daran, als Mann durch Bars und Bordelle zu ziehen, zu kiffen, zu trinken und jede Menge Sex zu haben. Die Sache nahm ein trauriges Ende, berichtet der Autor: Sie läuterte sich zur Mystikerin und hauste in einer Lehmhütte in der Wüste, wo ein plötzlicher Wolkenbruch mit Flutwelle die 27-Jährige in einen frühen Tod schwemmte.

Dem fast immer witzigen und oft berührenden Panoptikum weiblicher Reise-Absonderlichkeiten hat der Zeichner Adam Burton fantasievolle Zeichnungen beigefügt, die einen Eindruck geben von den Damen mit ihren Sänften, Vorderladern, Zeltkleidern und Wüstenschutzmasken. Den verspielten Charakter des Buches unterstreichen die vielen Zitate und Notizbuch-Auszüge mit allerhand Tipps und Tricks der reisefreudigen Frauen. Sind weibliche Abenteurerinnen nun anders als Männer? Aus der Perspektive Mike Conefreys sind sie vor allem eines: höchst exzentrisch. Eigentlich genau so wie reisesüchtige Männer.

Besprochen von Susanne Billig

Mick Conefrey: Frauen gehören nach oben - Die geheimen Ticks und Tricks reisender Frauen und Abenteurerinnen
Mit 120 Illustrationen von Adam Burton
Übersetzung aus dem Englischen von Gabriele Wurster
Piper Verlag, München 2010
272 Seiten, 16,95 Euro