"Schach ist viel Arbeit"
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Durch die Serie "Damengambit" erlebt Schach einen Hype. Solche Boomphasen hat es immer wieder gegeben, meist sind sie auch schnell wieder verebbt. Um sich zu verbessern, müsse man viel investieren, sagt Deutschlands beste Schachspielerin Elisabeth Pähtz.
Elisabeth Pähtz ist zurzeit die beste deutsche Schachspielerin. Aber in der Gesamtwertung liegt sie nur auf Platz 62. Auch bei den besten Schachspielern der Welt sind Frauen selten vertreten. Unter die Top 100 hat es bislang nur eine einzige geschafft.
Förderung für Jungen ist besser
Das heißt aber nicht, dass Frauen schlechter Schach spielen als Männer, sagt Großmeisterin Pähtz. Erstens spielten, rein statistisch gesehen, deutlich weniger Mädchen als Jungen Schach. Zweitens gebe es noch immer keine Gleichbehandlung:
"Ich würde behaupten, dass Jungs besser gefördert werden als Mädchen. Ich seh es auch in Deutschland, wir hatten eine U16-Weltmeisterin, wir hatten eine Europameisterin U16, aber beiden Mädels ist es nicht gelungen, gute Sponsoren zu finden. Wir haben auch einen sehr starken Jungen. Der gehört zu den Top Ten seiner Altersklasse, der hat einen Riesensponsor hinter sich."
Außerdem vermutet Pähtz noch eine evolutionäre Komponente: Männer seien fokussierter und risikofreudiger, Frauen entschieden sich dagegen eher für die sicherere Variante. Das könne beim Schach ein Nachteil sein.
"Ein wunderschönes Märchen"
Die Netflix-Serie "Das Damengambit" trage laut Pähtz immerhin dazu bei, dass das Interesse an Schach auch bei den Mädchen stark zunehme:
"Ich habe mehrere E-Mails bekommen von Vätern, die gerne von mir ein paar Ratschläge haben wollten, wie sie ihre beiden Töchter bei der Stange halten können, weil sie sich für das Schachspiel auf einmal begeistern. Ich denke schon, dass das mächtig eingeschlagen hat und gut fürs Schach ist." Auch wenn die Serie nur "ein wunderschönes Märchen" sei, das mit der Schachrealität wenig zu tun habe, bemerkt Pähtz.
Sie stimmt dabei Großmeister Stefan Kindermann zu, der befürchtet, so schnell der Hype mit dem "Damengambit" entstanden ist, so schnell werde er auch wieder abebben:
"Das junge Mädchen sieht im Fernsehen eine schöne Frau, die sich in der Männerwelt behauptet. Das ist erst mal interessant. Aber wenn man dann merkt, was Schach für Arbeit ist, wie viel Arbeit da drinsteckt, wie komplex das Spiel ist, kann ich mir schon vorstellen, dass das Kind dann irgendwann keine Lust mehr hat, weil es wirklich richtig arbeiten muss, um sich zu verbessern."
Eine Niederlage ist immer persönlich
"Schach ist kein Spiel, genauso wie Boxen kein Sport ist", sagt Schachboxer David Pfeifer. Und stimmt Pähtz zu, dass Schach schnell jemanden verschrecken könne, weil das Verlieren durchaus sehr schmerzhaft sei:
"Man sagt beim Boxen: Man kann Tennis spielen und Fußball spielen. Boxen kann man nicht spielen. Beim Schach ist es auch so, da heißt es: Es gilt als Spiel, aber jeder, der im Schach mal vernichtend verloren hat, weiß, dass das eine sehr persönliche Sache ist. Der oder die andere war einfach klüger. Das macht keinen Spaß."
Boxen und Schach hätten durchaus viel gemeinsam, erklärt Pfeifer: "Wenn man da übermütig wird, wenn man mit Wut auf den Gegner oder die Gegnerin losgeht, dann kriegt man meistens auch erst mal ordentlich eine rein." Er habe mit der Sportart viel über seinen Charakter gelernt:
"Es hat mir zum Beispiel erklärt, dass ich im Boxen sehr viel aggressiver bin, als es mir vorher klar war. Dass ich mit meinen Limitierungen im Schach mich sehr viel stärker quäle, als es mir vorher gewahr gewesen wäre. Ich habe einen sehr viel größeren Ehrgeiz entwickelt. Ich habe sozusagen die Umrisse meines Charakters ein bisschen schärfer wahrnehmen können."
Nischensport Schachboxen
In den Breitensport hat es Schachboxen bisher nicht geschafft, auch wenn es mittlerweile weltweit kleine Schachboxvereine gebe, worüber sich Pfeifer freut: "Weil ich immer auf Leute treffe, die auf eine ähnliche, sympathische und nicht dumme Art ein bisschen verrückt sind."