Damon Albarn: "The Nearer the Fountain, More Pure the Stream Flows"

Ein würdevoll und cool alternder Rockstar

11:33 Minuten
Damon Albarn mit Vokuhila und goldener Kette im Wald
Mit dem 20-jährigen Damon Albarn von Blur hat der mittlerweile 53-Jährige nicht mehr viel zu tun. © Linda Brownlee
Von Juliane Reil |
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Blur, Gorillaz, The Good, the Bad & the Queen – alles, was Damon Albarn anfasst, scheint zu Gold zu werden. Nur seine Soloalben waren bisher sehr eigen. Interessant zwar, aber nie so erfolgreich wie seine Bands. Wird sein neuen Soloalbum das ändern?
Sieben Jahre ist es her, dass "Everyday Robots", die erste Soloplatte von Damon Albarn, erschien. Jetzt veröffentlicht er "The Nearer the Fountain, More Pure the Stream Flows", das als Orchesteralbum angekündigt wurde. Trotzdem klingt das Album nicht symphonisch.
Vom Sound könnte die Platte auch von einem Quartett eingespielt worden sein. Das mag daran liegen, dass die Aufnahmen vom Lockdown im letzten Jahr unterbrochen wurden.
Ziemlich auffällig auf "The Nearer the Fountain" ist, dass das Orchester nur selten im Zusammenklang zu hören ist und stattdessen sehr oft Samples im Loop eingesetzt werden. Das könnte auch an Damon Albarns Eigenheit liegen, nicht das Erwartbare und Naheliegende zu machen. So hat er in der Vergangenheit auch gern mit Jazzmusikern zusammengearbeitet, obwohl sich das Ergebnis nie wie Jazz anhörte.
Ähnlich wie "Everyday Robots" gibt sich "The Nearer the Fountain" unscheinbar. Es ist ein kurzes, unaufdringliches Album von nicht einmal 40 Minuten. Dafür ist es tief melancholisch, als ob man in kalten Gummistiefeln steckt, in denen das Wasser steht. Im Gegensatz zum Vorgänger ist die Musik allerdings sehr viel undurchsichtiger.
Man lauscht Klangsphären, die auf Improvisation basieren. Dann taucht ein jazziges Saxophon auf, eine alte Drummachine, und Fieldrecordings mit Meeresrauschen. Dazu kommt versprenkelte Elektronik, ein getragenes Klavier und dann auch immer wieder die Kakophonie von Holzbläsern, die keine Angst haben, in den schrillsten Tönen zu pfeifen.

Collagenartige Tracks

Damit entfernt sich Albarn sehr von Pop-Strukturen. Mit dem Alter wird seine Musik immer collagenartiger. Diese Entwicklung steht auch für die Freiheit eines Künstlers, der dank seiner Erfolge mit Blur und den Gorillaz nicht mehr kommerziell denken muss.
Diese zeigt sich auch darin, dass drei Stücke auf dem Album rein instrumental sind. Manchmal klingen Tracks trotzdem wie die frühen Blur, und das vorletzte Stück namens "Polaris" hätte auch auf einer Gorillaz-Platte Platz finden können. Ein neues Album wäre dafür nicht nötig gewesen.
Der Titel "The Nearer the Fountain, More Pure the Stream Flows" kommt von John Clare, einem englischen Naturdichter des frühen neunzehnten Jahrhunderts. Auf dem Album sind aber auch eigene Texte von Damon Albarn zu hören, die passend dazu von Naturbeobachtungen handeln.
Zum Beispiel der Song "Cormorant": Der Erzähler des Songs beobachtet einen Kormoran, und der Vogel beobachtet wiederum den Erzähler dabei, wie dieser in einen Abgrund stürzt.

Nicht mehr der spöttische Junge von Blur

"The Nearer the Fountain" zeigt, dass sich der mittlerweile 53-jährige auch auf textlicher Ebene weiterentwickelt und eben nicht mehr der spöttische Junge von Blur ist, der sich über die Leistungsgesellschaft lustig macht. Das Album ist nicht peinlich – etwas, das nicht selbstverständlich ist, wenn man sich andere Männer seines Alters ansieht, die noch Platten veröffentlichen.
"The Nearer the Fountain" ist nicht im Bemühen entstanden, noch jung wirken zu wollen oder das Zeug zu machen, was Albarn auch vor 30 oder 20 Jahren rausgebracht hätte. Albarn scheint nicht unter dem Druck zu stehen, sich permanent neu erfinden zu müssen. Auch wenn einen das Album nicht vom Hocker reißt, ist es doch anerkennenswert, dass es die Entwicklung eines Künstlers zeigt, der in Würde und mit Coolness altert.
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