Dana Grigorcea: "Die nicht sterben"
Penguin, München 2021
272 Seiten, 22 Euro
Dracula und die Sehnsucht nach der harten Hand
10:53 Minuten
In den Karpaten wurde ein Mann gepfählt - so lässt Dana Grigorcea ihren neuen Roman beginnen. Der Kult um den "Pfähler" Vlad Tepes, der als Vorbild für "Dracula" gedient haben soll, ist in Rumänien ungebrochen, sagt die Schriftstellerin im Interview.
"Diese Sehnsucht nach der harten Hand, die gab es schon immer, und die gibt es leider immer noch", sagt die schweizerisch-rumänische Schriftstellerin Dana Grigorcea. Ihr neuer Roman "Die nicht sterben" ist eine Parabel über diese Sehnsucht.
Grigorcea nutzt dazu den Dracula-Mythos und die Geschichte des rumänischen Fürsten Vlad III., genannt der "Pfähler", der im 15. Jahrhundert herrschte. Nach unterschiedlichen Einschätzungen soll dieser Bram Stoker zu seinem Roman "Dracula" inspiriert haben.
Geschichte des grausamen Fürsten
Auf dem Grab Vlad des Pfählers in den Karparten an der Grenze zu Transsilvanien wird eine geschändete Leiche gefunden. Grausam zugerichtet.
Für eine junge Bukarester Malerin, die als Kind hier ihre Sommerferien verbracht hat, wird klar, dass die Vergangenheit den Ort noch nicht losgelassen hat. So will sie die Geschichte des grausamen Fürsten erzählen.
Symbol des starken Mannes
"Der Pfähler ist ein Symbol des starken Mannes, der für Ordnung sorgt. Es ist eine Figur, die nicht nur in Osteuropa zu finden ist, sondern leider überall", sagt Grigorcea. "Er ist unter uns, wir müssen gegen solche Figuren ankämpfen."
Im postkommunistischen Rumänien habe dieser Rächer bis heute Heldenstatus. Er werde in Gedichten und Balladen angerufen, die immer wieder auch von Politikern zitiert würden: "Ach, Pfähler! Herrscher! kämest du doch. Mit harter Hand zu richten!", heißt es etwa in einem Epos des Nationaldichters Mihai Eminescu (1850–1889) auf Fürst Vlad III.
Sich nicht mehr im Spiegel sehen
Dagegen setzt Grigorcea ihre Sicht der Dinge. Sie beschreibt das kommunistische und das heutige Rumänien nach Ceaucescu:
"Mein Buch zeigt auf, dass wir mit dem scharfen Ton, in dem wir Vergangenes verurteilen, eigentlich den Geist dieser Zeit hinüberretten. Wenn man eine Epoche mit Revanchismus abhandelt, wenn man chauvinistisch ist und rassistisch, und wenn man sich nicht mehr wie die Vampire im Spiegel sieht – wie Dracula, der kann sich nicht mehr im Spiegel sehen – dann endet es schlimm."