Die Illusion von der friedlichen Integration
Der dänisch-vietnamesische Künstler Danh Vo ist der Shooting Star der Kunstszene. Jetzt zeigt das Kölner Museum Ludwig eine Solo-Schau des 40-jährigen Vo, in der es viel um Migration geht und die in eleganter Sprache sperrige Geschichten erzählt.
Danh Vos Ausstellungen sind Inszenierungen. Keines der ausgestellten Stücke hat er selbst gemacht, er "lässt" arbeiten. Und trotzdem hat das eine unverkennbare Handschrift. Zum Beispiel die Reste orginaler antiker Statuen, die zurechtgeschnitten sind, bis sie in kleine Holzkisten passen. Oder der wurmstichige Holzkorpus eines Gekreuzigten, dem Kopf und Arme abgetrennt wurden. Und der jetzt an der Wand hängt wie eine Mischung aus Trödelmarktfundstück und verführerischem Sebastian. Eine Kunst aus Fragmenten, die merkwürdige Geschichten erzählt. Yilmaz Dziewior, Direktor des Museum Ludwig:
"Denn hier kommt zusammen, was nicht wirklich zusammen gehört. Man sieht, da ist ja Gewalt oder Kraft oder was auch immer eingesetzt worden, um etwas passend zu machen, und gleichzeitig ist es aber unglaublich ästhetisch, er schafft also etwas gleichzeitig sehr Harmonisches."
Sperrige Geschichten elegant erzählt
Diese Tatsache, dass da jemand sperrige Geschichten erzählt, in einer Sprache, die hochelegant und zugleich aggressiv ist, hat dem 40-jährigen Danh Vo eine Blitzkarriere beschert.
"Das Werk von Danh Vo wird auf dem Kunstmarkt begierig aufgesogen, seine Preise sind in den letzten Jahren, aus meiner Perspektive zumindest, exorbitant gestiegen. Mittlerweile kostet eine Arbeit gut mehrere hunderttausend Euro..."
Zur Ausstellungsinszenierung von Danh Vo gehören Schwarzweiß-Fotografien von Peter Hujar. Der amerikanische Fotograf ukrainischer Herkunft, Vorbild für Robert Mapplethorpe oder Nan Goldin, hatte einen Blick für die Ausgestoßenen und Diskriminierten der Gesellschaft. Aber auch für das Geheimnis der Tiere und der Dinge. Ein Seelenverwandter von Danh Vo. Nicht nur wegen seiner Homosexualität, sondern wegen dieses befremdenden Blicks auf die Welt.
Zu den Mythen rund um Danh Vo gehört die Geschichte seiner Migration. Mit seinen Eltern als "Boatpeople" aus Vietnam geflohen, von einem dänischen Frachter aufgenommen, in Dänemark groß geworden, hat er dort und in Frankfurt Kunst studiert. Die Kölner Ausstellung zeigt auch ein gigantisches Teilstück der Freiheitsstatue, in China aus Kupferblech zusammengefügt, präsentiert mit einem Stützgerüst aus Stahlrohren. 150 Einzelteile der Freiheitsstatue im Massstab 1:1 hat Danh Vo anfertigen lassen, sie sind inzwischen über den Globus verteilt, in Privat- und Museumssammlungen. Ist das nun eine geniale Strategie, das Thema Migration mit einem plakativen Symbol zu verwalten? Können wir also über Migration sprechen, Herr Vo?
"Ehrlich, das würde ich gern tun. Aber dazu bräuchten wir zwei Stunden. Denn das ist keine einfache Geschichte, die sich mit fünf Sätzen erledigen lässt. Einige meinen, die Freiheitsstatue bezöge sich auf Immigration. Aber was ist mit der Idee der Freiheit? Wir im Westen haben sie benutzt, um in andere Länder einzudringen. Und jetzt sitzen wir im Schlamassel. Und machen die Türen zu."
Smart, schwul, Migrant – in der Kunstszene eine unschlagbare Kombination
Man merkt, dieses Thema liegt dem Künstler wirklich am Herzen. Und das sind keine Klischees, die da kommen. Sondern originelle und beunruhigende Gedanken. Danh Vos Vater, ausgebildeter Kalligraph, hat ein Fragment des Aschenputtel-Märchens mit Blattgold auf Kohledurchschlagpapier geschrieben. Ein weiteres Objekt der Kölner Ausstellung.
"In meinen Augen bezieht sich vor allem die Arbeit 'Aschenputtel' auf Immigration. Der Text in Gold, den mein Vater geschrieben hat. Die Schwester von Aschenputtel schneidet ihre Ferse weg, um Prinzessin zu werden."
Hat auch die Technik der Fragmentierung, haben auch die kruden Materialschnitte, die Danh Vos Werk charakterisieren, notwendig mit diesem Thema der Migration zu tun? Je länger man mit dem Künstler spricht, desto stärker wird genau dieser Eindruck. Die Idee einer friedlichen Integration, die uns so vorschwebt, sagt Danh Vo, sei eine einzige und heuchlerische Illusion.
"Wir Europäer denken, wir müssten die Leute befrieden. Aber das ist nicht die Realität. Wenn man irgendwo rein passen soll, dann wird das gewalttätig und aggressiv sein. Das ist die Wirklichkeit der Integration."
Danh Vo – smart, schwul, Migrant. Was für eine unschlagbare Kombination für den Kunstmarkt, sagen böse Zungen. Die Begegnung mit dem Künstler aber ist beeindruckend. Ebenso wie die Ausstellung im Kölner Museum Ludwig. Weil da bei aller konzeptuellen Eleganz auch sehr viel Härte und verstörende Fremdheit im Spiel sind. Am besten aber, man macht sich selbst ein Bild...