Hörtipp: Falk Steiner, Hauptstadt-Korrespondent im Hauptstadtstudio, erklärt, welche Dokumente von WikiLeaks veröffentlicht wurden und welche Folgen die Enthüllung für die Cyber-War-Strategie der Sicherheitsbehörden und Geheimdienste haben könnte:
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"Man wird mundtot gemacht"
Der ehemalige WikiLeaks-Sprecher Daniel Domscheit-Berg steht der Plattform mittlerweile kritisch gegenüber. Die neuen Enthüllungen über die Spionage der CIA findet er aber wichtig. Er erklärt, was Whistleblower antreibt und warum es keine WikiLeaks-Enthüllung über Russland gibt.
Deutschlandradio Kultur: Nach den neuesten Enthüllungen über die CIA werfen ja einige Wikileaks vor, den Cyber War selbst zu befeuern. Zu Recht?
Daniel Domscheit-Berg: Wenn man veröffentlicht und transparent macht und verständlich macht, wie dieser Cyber War eigentlich läuft und, in welchem Ausmaß, Ressourcen verwendet werden, dann befeuert man nichts. Ganz im Gegenteil: Man hilft, eine längst überfällige öffentliche Debatte zu diesem Thema zu starten.
Deutschlandradio Kultur: Aber WikiLeaks geht doch darüber hinaus: Sie machen die Werkzeuge des CIA für alle zugänglich, obwohl sie wissen, dass das hochgefährlich sein könnte.
Domscheit-Berg: Es gibt keine Veröffentlichungen auf WikiLeaks, die einen Programmcode zu diesen Werkzeugen darstellen. Alles, was aufgezeigt wird, sind die Sicherheitslücken, die genutzt werden. Und auch diese Information ist total relevant. Nicht zuletzt erhöht auch die Veröffentlichung dieser Probleme und dieser Sicherheitslücken den Druck auf alle möglichen Hersteller, damit diese Sicherheitslücken schnellstmöglich gefixt werden.
Informanten haben ein öffentliches Anliegen
Deutschlandradio Kultur: Gehen wir mal über den aktuellen Fall hinaus. Sie sind ja schon einige Jahre weg, wissen aber wie Informanten für WikiLeaks arbeiten. Was sind das für Leute, die aus dem Innersten der Geheimdienste WikiLeaks Informationen zuspielen?
Domscheit-Berg: Es arbeitet - in dem Sinne - niemand für WikiLeaks. Das sind Menschen, die warum auch immer den Eindruck haben, dass sie an etwas beteiligt sind, das Öffentlichkeit braucht und worüber die Menschen auf der Welt informiert sein sollten. Das sind ganz unterschiedliche Typen.
Ich würde sagen: Der Großteil dieser Menschen hat irgendeinen Grund, warum er glaubt, dass das, was sie wissen und wovon sie Zeuge werden, von öffentlichem Interesse ist. Oft haben diese Menschen keine Möglichkeit gefunden, innerhalb ihrer Organisation etwas an diesem Sachverhalt zu verändern.
Es gibt in den wenigsten Firmen Systeme, wie man mit Whistleblowern umgeht. Es gibt ganz oft keine Bereitschaft, zuzuhören, sich zu verändern und Fehler zu korrigieren. Man wird ganz oft mundtot gemacht. Solche Menschen suchen eine Möglichkeit, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. WikiLeaks ist, genau wie andere Medien, einer dieser Kanäle, die genutzt werden können.
Deutschlandradio Kultur: Haben Sie generell, wirklich das Gefühl, dass WikiLeaks weiterhin den Anspruch hat, die Welt demokratischer und besser zu machen?
Domscheit-Berg: Ich bin auch in den letzten Jahren nicht ganz sicher, in welche Richtung sich das entwickelt. Es gibt viele Sachen, zu denen ich explizit Kritik geäußert habe. Das hängt mit der Art und Weise zusammen, wie man publiziert und wie man gewisse Publikationen so timed, dass man zum Beispiel in Zusammenhang mit der Wahl in Amerika Einfluss nimmt. Da bin ich sehr kritisch.
Deutschlandradio Kultur: Dieses Mal publiziert WikiLeaks die Informationen über die CIA häppchenweise.
Domscheit-Berg: Es ist diesmal so, dass zum Beispiel die Namen von CIA-Agenten herausredigiert wurden. Die IP-Adressen, Telefonnummern und alle persönlichen Informationen, die nichts mit dem Sachverhalt zu tun haben, sind entfernt worden aus dem Datensatz. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Schritt ist, der ist unter Umständen auch in Absprache mit der Quelle passiert. Ich glaube aber, dass das sehr wichtig ist. Das macht die Publikation weniger angreifbar. Auf der anderen Seite zeigt es das strukturelle Problem auf.
Deutschlandradio Kultur: Welches Problem?
Domscheit-Berg: Dieses strukturelle Problem, das wir auch aus dem NSA-Skandal schon kennen, dass die CIA vollkommen freidreht und so stark über die Strenge schlägt, was die Entwicklung von Angriffstools angeht - das ist ein Umstand, der strukturell ganz dringend an die Öffentlichkeit muss, das betrifft jeden Einzelnen von uns. Natürlich gibt es auch ganz viele andere Geheimdienste, die genauso aufgestellt sind. Auch russische Geheimdienste werden über ähnliche Tools verfügen, das wird bei chinesischen Geheimdiensten nicht anders sein, beim BND bis zu einem gewissen Grad vielleicht auch. Man darf nicht annehmen, dass das nur die Amerikaner betrifft. Aber wir haben keine Informationen über das, was die Chinesen oder die Russen machen.
"In englischsprachiger Sphäre viel stärker aufgestellt"
Deutschlandradio Kultur: Haben wir die Informationen über Russland und China nicht, weil WikiLeaks nicht über sie verfügt? Oder weil WikiLeaks sich gegen die USA positioniert?
Domscheit-Berg: Ich bin mir relativ sicher, dass diese Informationen so nicht vorliegen. Das hat damit zu tun, dass WikiLeaks als Projekt in der englischsprachigen Sphäre viel stärker aufgestellt ist. Die Menschen sind englischsprachig geprägt. Von daher ist es sehr natürlich, dass viele Dokumente aus dem englischsprachigen Raum da landen. Im englischsprachigen Raum ist der freiheitliche Umgang mit dieser Art von Information und die Bereitschaft zum Whistleblower zu werden kulturell ein ganz anderer als in China oder Russland. Da wird mehr der Deckel draufgehalten.
Deutschlandradio Kultur: Glauben Sie wirklich, dass die Enthüllung solcher Informationen an Übersetzungsproblemen scheitert?
Domscheit-Berg: Wenn es diese Informationen gäbe, würde man sicherlich auch Übersetzer finden. Aber es hat ganz sicher auch damit zu tun, dass sich die Plattform primär an den englischsprachigen Raum und westliche Demokratien richtet. Der Zugang zu dieser Plattform ist in China viel komplizierter als er das für irgendein Land in Europa oder den USA ist.
Das Gespräch führte Maurice Wojach